In der Region Touraine im Centre-Val de Loire wird in diesem Jahr Leonardo da Vincis 500. Todestag gefeiert. Seine letzten Jahre hat das Universalgenie nämlich in Amboise verbracht. Die Könige der Renaissance erbauten am Ufer der Loire ein ganzes Bataillon von Châteaux und hielten üppige Festgelage ab. Unsere frankophile Autorin Anke Sademann lebte selbst viele Jahre in Frankreich. Rund um Orléans verrät sie kulinarische Adressen, wo der Geist dieser Zeit ganz unprätentiös zu schmecken ist. Wenn nicht mit einem stilechten Vehikel, erkundet sich das royale Tal am besten en Vélo oder in Begleitung eines kundigen Binnenschiffers
Dîner mit Fluss-Dame
Die Loire ist trotz der sanften Strömung in ständiger Bewegung. Die täglich wandernden Sandbänke erkennt Denis Raimbault an der Topografie der Wasseroberfläche. Er liebe den Fluss wie eine launische Frau voller Allüren und Geschichten. Die erzählt der Binnenfischer seinen Gästen dann auch inbrünstig, wenn er sie auf seinem originalgetreu rekonstruierten „Toue“ (Traditionsschiff) durchs flache Wasser schippert.
Der ehemalige Koch aus Saumur hat sich mit Partnerin Claire Mayat am Ufer von Meung sur Loire im „Port Bout du Monde“ (Am Ende der Welt) eine verortete Liebeserklärung mit Blick auf seine Fluss-Dame erschaffen. Auf der baumumsäumten Scholle steht „La Capitainerie“ – eine schlichte Holzhütte mit Terrasse. Hier werden ehrliche Gerichte serviert: Fischterrine vom Tagesfang der Loire-Fischer mit Hechtbarsch oder Schleie oder diversen Tartars mit Frites. Immer beliebt: une Blanche (Weißbier mit Zitrone) et une Planche (Vesperplatte) mit Charcuterie et Fromage.
Das just fertiggestellte „Fischerboot“ mit aufgesetzter Überdachung bietet bis zu 12 Personen Platz und es gibt auch Dîner-Fahrten mit Geschichten von Früher.
La Capitainerie
8 Quai Jeanne d’Arc in Meung sur Loire (15 km von Orléans),
Ein Bistrot nebenan
Das kleine Chateau „Domaine des Hauts de Loire“ in Onzain hat die zwei stattlichen Nachbarn Chambord und Bois gleich nebenan. Ein Abstecher lohnt sich. Die Zufahrt führt vorbei an Weinreben durch einen 70 Hektar großen Eichenwald. Das 1974 fertiggestellte Relais & Châteaux Hotel, beherbergt ein Gourmetrestaurant. Chef Rémy Giraud (Foto) kocht hier seit den Achtzigern. Seine zwei Guide-Michelin-Sterne hält er seit 30 Jahren.
Zum Jubiläum hat er sich einen Herzenswunsch erfüllt: ein Bistrot im Nebentrakt mit Blick auf des Chefs eigenen Gemüsegarten. Gleich oben auf der Karte stehen wechselnde „à la broche“-Spieße mit Lammschulter oder Crépinettes (flache Netzwürstchen). Die werden voller Stolz im einzigen Holzkohleofen der Gegend gegart. Die dazu gereichten „Comtesse de Chambord“ (Weißbohnen) und der „Choux Cabus Cannelle“ (Zimtkohl) klingen standesgemäß. Die Haus-Dessertvariation mit Sucre d’Antan wurde nach Caterina de’ Medici benannt. Die Synergie aus Creme Brulée, Soufflé und Flan schwimmt wie ein Wolkenkuchen in der Sauce Caramel.
Les Hauts de Loire
79 Rue Gilbert Navard,
Geschmäcker der Renaissance
Noch heute verbindet ein unterirdischer Gang die Schlösser Amboise und Clos Lucé. König François I konnte so Leonardo da Vinci zu inspirativen Gesprächen treffen. Der hatte geniale Ideen zur dekorativen Ausstattung der großen Festmähler, die Franz als Zeichen seiner Macht am Hofe abhielt. Das Universalgenie verbrachte die letzten Lebensjahre im kleinen Nachbarschlösschen. Maître Sieur Sausin (Foto, rechts) transportiert den Renaissance-Geschmack ins Jetzt. Wenn der „Berater für historische Kochkünste“ nicht gerade eine Estragon-Weißwein-Fasanenpastete für Regierungsessen delegiert, steht er in der Küche seiner „L’Auberge du Prieuré“.
Das historische Gasthaus ist am Ende des musealen Skulpturenparks situiert. Seit 15 Jahren serviert er mit Gattin Anne-Luise epochale Speisen. Das wertvollste waren damals die Gewürze. Mit einem Steinmörser entlockt Sausin ihre Aromen, verarbeitet sie zu kalter Spargelsuppe mit Kakao-Rand oder Zitronenhuhn mit Safran-Aubergine. Im grünen Flan steckt ein Kräuterbouquet aus Fenchel, Kerbel und Melisse. Die in Bitterorange gekochte Vanille-Birne wird mit gepfeffertem Erdbeersüppchen und Keks in Form der französischen Lilie angerichtet. Das Melonen-Soufflé mit Koriander trifft auf Kirschgranité. Dazu süffelt man Hypocras – ein mit Zucker, Zimt, Ingwer, Salbei und Nelken arrangierter Wein. Der in einer Tourte (runde Teigpastete) versteckte Ziegenkäse Sainte Maure de Touraine vollendet das historische Mahl.
L’Auberge du Prieuré
im Skulpturenpark des Châteaus du Clos Lucé in Amboise,
Süß seit 1913
Ein Stopp in Amboise für eine süße Abschlussrunde in der stadtältesten, familiengeführten Patisserie Bigot ist ein Muss. Die Terrasse des 1913 gegründeten Maison Chocolat gibt den Blick frei auf den kleinen Uhrenturm. Aber nur kurz, dann schweift das Auge verzweifelt über eine große Auswahl an Bouchées – sogenannte Schokobissen. Auf den Gianduja-Nusspralinen en „lait ou noir“ thront Jubiläums-kompatibel das Konterfei Leonardos. Gleich daneben drapieren sich in Kakao gewälzte Zigarren und falscher Ziegenkäse. Es ist ratsam sich ein Assortiment einpacken zu lassen, um sich dann die eigentliche Spezialität des Hauses zu bestellen: den „Mille feuille“. Der zwar nicht tausend, sondern sechs bis achtfach geschichtete Blätterteig-Kuchen ist eine Delikatesse. Sein Innenleben zerbröselt zart auf der Zunge. Die Füllungen aus Crème Pâtissière mit Vanille, Coulis und Sorbets funktionieren wie köstlicher Kleister.
Patisserie und Chocolaterie Bigot
2 Rue Nationale,