Fotos: Franz Michael Rohm Aufmacher Taipeh
Taipeh, Taiwan

Die Küche der taiwanesischen Hauptstadt ist irritierend, überbordend, grandios. Am besten lernt man sie auf einem der vielen Nachtmärkte kennen. Franz Michael Rohm war vor Ort und von der kulinarischen Vielfalt beeindruckt

Markt

Gibt es eine typisch taiwanesische Küche? Schwer zu sagen. Leichter fällt die Umschreibung als Schmelztiegel chinesischer, japanischer und koreanischer Einflüsse. Das hat vor allem historische Gründe. Bis 1949 gehörte Taiwan als Provinz zu China. Dann flüchtete Mao-Zedongs Widersacher, der konservative General Chiang Kai Shek nach seiner Niederlage gegen die kommunistischen Truppen mit rund zwei Millionen Gefolgsleuten nach Formosa und proklamierte Taiwan als Republik China. Fünfzig Jahre zuvor hatte Japan die Insel besetzt und grausam regiert. Als Taiwan in den Siebzigerjahren zur Industrienation aufstieg – heute stammt rund ein Drittel aller weltweit genutzten Smartphones und Tablets aus dem kleinen Land – wurden unter anderem Arbeitskräfte aus Südkorea angeworben.

So entstand ein faszinierender kulinarischer Mix, ergänzt von Spezialitäten einzelner Regionen Taiwans, etwa Blüten der Betelnusspalme aus den tropischen Wäldern der Ostküste oder junger Farn aus dem Hochland.

Generell lässt sich feststellen, dass Gewürze eine wichtige Rolle bei der Zubereitung der Speisen spielen, insbesondere solche, die dezente Schärfe verleihen. Salz hingegen wird sehr wenig verwendet, möglicherweise der Grund für weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen als in Europa und Amerika.


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Essen spielt eine wichtige Rolle in Taiwan. Wie wichtig zeigt die Begrüßung unter Freunden. Man fragt nicht „Wie geht’s“, sondern „Hast du heute schon gegessen“. Sehr fortschrittlich ist der Ansatz, von Tieren wirklich alles zu verwerten. Was im angelsächsischen Raum seit etwa fünfzehn Jahren als „Nose to Tail“-Philosophie verkauft wird, ist in Taiwan seit langem selbstverständlich.

Die ganze Bandbreite der Küche erlebt man auf den Nachtmärkten Taipehs und anderer großer Städte. An hunderten von Ständen werden Esswaren zubereitet. Sehr beliebt sind Würstchen vom Schwein, Rind, Wildschwein, Geflügel, gemischt, sogar von Garnelen. Bei vielen Ständen allerdings stellt sich die Frage „Was ist das?“. Mit Glück kennt der Standbesitzer den englischen Namen, besser geht man mit einem deutschsprachigen Reiseführer auf Entdeckungstour.

Einziges Problem dabei ist die Aufnahmefähigkeit des Magens. Probleme mit Unverträglichkeit gab es bei dem siebentägigen Aufenthalt keine, die Holzkohle- und Gas-befeuerten Kochstellen zeichnen sich durch gute Hygienestandards aus.

Und so geht es rein ins Ess-Vergnügen, man passiert zum Beispiel Stände mit Geflügelfüßen in allen erdenklichen Garzuständen, probiert gefüllte Entenhälse und gegrillte Bürzel am Spieß, Wachteleier, Hühnermagensuppe, japanische Zwiebelsuppe, Kimchi nicht nur von Chinakohl, sondern auch von Rotkohl, roter Bete und und und. Fulminant auch die Auswahl an Fisch und Meeresfrüchten, von der edlen Abalone über dutzendfach unterschiedlich zubereitete Tintenfische, unterarmlange, festfleischige Pazifikfische bis hin zu Hummer und Zackenbarsch. Der größte Ozean der Erde dient als Fanggebiet der Fischereiflotte.

Nachtmarkt

Entgegen europäischer Essgewohnheiten beginnt der Tag mit durchaus deftigem Frühstück, dazu gehören olfaktisch schwierig zu genießende Spezialitäten wie Stinke-Tofu, tausendjährige Eier und die schon erwähnten Geflügelfüße, morgens am liebsten gedämpft. Mittags und abends sieht die Speisenfolge in der Regel Nudel- oder Reisgerichte vor. Die asiatische Sättigungsbeilage wächst an den Hängen der Berg- und Küstenregionen Taiwans. Abgeschlossen wird die Speisenfolge zumeist mit einem Fischgericht, zum Schluss gibt es fast immer eine Suppe, von edel mit Meeresfrüchten über deftig mit Fleischeinlage bis vegetarisch mit Pilzen und Kohl oder auch klare Miso wie in Japan.

Zwar gibt es auf der rund 36.000 Quadratkilometer großen Insel, etwa so groß wie Baden-Württemberg, mittlerweile rund 3.500 Hektar Wein, wird jedoch höchst selten Wein getrunken. Wenn, dann abends Bier, zwei große heimische Brauereien teilen sich den Markt. Am beliebtesten ist aber Tee. Die Qualität der fermentierten grünen Blätter aus Taiwan ist in ganz Asien hoch geschätzt, die Bandbreite reicht von blumigem Wintertee über Grüntee bis zum rauchigen Oolong. Einige Restaurants kochen ihre Gerichte sogar in verschiedenen Teesorten. Zweites nicht-alkoholisches Getränk in der Gastronomie sind exotische Limonaden, von Pflaume bis Guave.

Weitere Infos: Taiwan Tourismusbüro
Friedrichstraße 2-6, 60323 Frankfurt, Tel. 069 61 07 43, info@taiwantourismus.de, www.taiwantourismus.de


Nachtmarkt 1

Nachtmärkte

Wer die ganze Fülle der taiwanesischen Küche kennenlernen will, besucht einen der zahlreichen Nachtmärkte der Millionenstadt. Am bekanntesten ist der in Shilin im Shilin-Viertel. An rund 500 Ständen wabern appetitanregende Düfte, es gibt nichts, was es nicht gibt. Innereien von Fisch bis Fleisch, Wachteleier am Spieß, Suppen, getrocknetes Obst, Gemüse, Fleisch und Meeresfrüchte. Sehr beliebt sind Würstchen vom Grill, die meisten Speisen kosten ein bis drei Euro. Aus der Weite des Pazifik kommen Stachelmakrele, Seeaal, Muscheln und dutzende Variationen von Tintenfischen.

Einen zweifelhaften Ruf genießt der Snake-Alley-Markt in der Nähe des Longshan-Tempels im Wanhua-Viertel. Hier finden sich neben Essenständen, Geschäften mit Haushaltswaren und Souvenir-Kitsch auch Lokale, in denen Schlangen verzehrt werden können. Männer schwören auf die potenzsteigernde Wirkung der verspeisten Kriechtiere. Bewiesen ist natürlich nichts und der Fremdenführer versichert, nicht mehr als fünf Prozent der Taiwanesen äßen Schlangen. Für Besucher erkennbar sind die Restaurants mit einer Python oder ähnlich großen Schlange in einer Vitrine am Eingang. Die Preise sind für taiwanesische Verhältnisse hoch, rund 20 Euro kostet ein Gericht. Von den Lokalen Fotos zu machen ist übrigens strikt verboten. Wer nicht nachts über die Märkte streifen will, wird in der Dihua-Straße fündig. Dort gibt es einen Tagesmarkt.

Shilin-Markt
No. 101, Jihe Road, Shilin District

Snake-Alley-Markt
Huaxi Street, Wanhua District, Taipei City, Taiwan 108

Dihua-Markt
Sec. 1, Dihua Street, Datun District


Palais de Chine

Frühstück

Im Frühstücksrestaurant des Fünf-Sterne-Hotels „Palais de Chine“ im Datong-Viertel von Taipeh können Gäste ein außergewöhnliches Spektrum an Speisen genießen. Eine Seite des überbordenden Büffets ist mit Europäern gut bekannten Zutaten des ersten Tagesmahls bestückt: kleine Croissants, Butterteigstückchen mit Apfelmus oder Schokolade gefüllt, Baguette, Vollkornbrot, Aufschnitt, Käse, Butter. An der Querseite dann wird es exotisch: Japanische Zwiebelsuppe mit Rindfleisch dampft neben klarer Misosuppe. Gegenüber gibt es Schnecken in scharfer Tomatensauce, mit Minze und Ingwer eingelegte Melone, Waldpilze mit Seetang, an Blauschimmelkäse erinnernden Stinke-Tofu. Kimchi, Soja-Sprossen, Wassernüsse und dutzende weitere Gemüse stehen bereit. An der Eierstation können Buchweizenpfannkuchen mit einer Füllung aus Schweinefleisch und Thunfisch geordert werden.

Palais de Chine
No. 3, Section 1, Chengde Road, Datong District, Tel. 00886-22181 9999, www.palaisdechinehotel.com, tägl. 7-10 Uhr, 15 €


Din Tai Fung

Zwischendurch

Sehr beliebt sind gedämpfte Teigtaschen, Dumplings genannt. Erfolgreichste Kette ist Din Tai Fung mit über 100 Filialen im Land. Die bekannteste befindet sich im Erdgeschoss des Taipei 101, Taiwans höchstem Wolkenkratzer. 25 Köche produzieren in einer gläsernen Schauküche tausende Dumplings pro Tag, am beliebtesten sind die mit Schweinehack gefüllten. 120 Kellnerinnen und Kellner bringen sie zu den Gästen. Ebenfalls hoch in der Gunst der Kunden stehen Dumplings mit Garnelenfüllung und vegetarische Reismehlteigtaschen mit scharfer Ölsauce. Insgesamt gibt es etwa drei Dutzend Dumplings zu moderaten Preisen. Geschmacklich nur Durchschnitt, aber die Produktion und Servierung ist ein Erlebnis. Und ohne eine Reservierung muss man zwischen einer halben und einer Stunde warten, bis ein Tisch frei ist.

Din Tai Fung
B1, No. 45, Shifu Rd., Taipei City (Taipei 101 Mall), Tel. 0882-28101 7799, www.dintaifung.com.tw/eng, So-Do 11-21.30 Uhr, Fr+Sa 11-22 Uhr


Juan Yao

Runder Tisch

Ein Tipp für vorzügliche Mandarin-Küche ist das „Juan Yao“ im Songshan District. Dekoriert im Fünfzigerjahre-Retro-Stil mit einer kuriosen Mischung unzähliger Bakelit-Kinderspielzeug-Figuren von Baseball-Spielern über Serienhelden bis zu Monsterfightern, ergänzt durch hölzerne Götter-Statuen aus Buddhismus, Taoismus und Daoismus, ist das Lokal bei Einheimischen sehr beliebt. Getrunken wird süße Pflaumenlimonade und gerösteter Tee. Dann kommen in schneller Reihenfolge köstlich gewürzte Gerichte wie frittierte Austern, Hähnchen mit Erdnüssen und Chili, gedünsteter Kohl, Rindfleisch mit Kräuterseitling, Mini-Auberginen mit Waldpilzen und Shrimps, panierte Garnelen, Seebrasse mit Gemüse auf die Tischdrehscheibe. Davon bedient sich jede und jeder nach Gusto. So macht Essengehen einfach nur Spaß. Und natürlich auch satt.

Juan Yao
No 7-1, Section 1, Dunhua South Road, Tel. 0886-22578 9955, www.brick-kiln.com.tw, tägl. 11-14 Uhr und 17-21 Uhr


Fleisch
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Einfach glücklich

Viele neue Lokale buhlen um die Gunst der stets hungrigen Einwohner Taipehs, die allermeisten mit traditionellen Gerichten. Man könnte meinen, das Restaurant „Fleisch“ von Claire Wang setze auf eine besonders fleischhaltige Küche. Dem ist aber nicht so. Vielmehr spielt die Besitzerin mit der lateinischen Schreibweise eines Wortes, das auf Taiwanesisch gesprochen „Glücklich sein“ bedeutet. In dem kleinen Lokal sitzen Gäste auf drei Ebenen. Zum Start gibt es klare Hühnerbrühe mit Pilzen und Gemüse und eine Schale mariniertes Gemüse. Dann wählt man aus einem halben Dutzend Speisen. Nicht alles überzeugte, aber das Pestorisotto mit paniertem Milchfisch und Garnelenrolle überraschte mit wunderbar festem Fleisch und feinen Aromen. Auch interessant: Souvide gegartes Hühnchen mit Oolong-Tee-Sauce und Graupen, Preise um zehn Euro.

Fleisch
1 F No 76, Section 1 Dihua Street, Datun District, Tel. 0882-22556 2526, www.fleisch.com.tw, So-Mi 11-24 Uhr, Do-Sa 11-1 Uhr