Die Molekularküche von Ferran Adrià unternahm von Katalonien aus ihren Siegeszug. Gleichzeitig steht die Region für eine einfache, aromatische Küche. Als Weinregion ist sie ebenfalls in aller Munde. Dabei sind die Augen immer auf Barcelona gerichtet, als gastronomischem und kulturellem Zentrum. Johannes Paetzold hat sich einer Gruppe von Weinexperten angeschlossen und Neuland entdeckt: Die Region von Montsant, nur anderthalb Stunden von Kataloniens Hauptstadt entfernt
Wiederbelebung
Pilar Just und ihr Mann Xavi Peñas verließen die Region in den 80ern. Wie die meisten in der Region. Es gab keine Arbeit, Barcelona lockte mit Jobs in Wirtschaft und Industrie. Anfang der Nuller-Jahre gaben sie ihre Top-Jobs auf. Und brachten die brach liegenden Weinberge wieder zum Blühen, die ihre Eltern schon bestellt hatten. Im Montsant gedeihen seit knapp 20 Jahren nicht nur die Weinreben wieder. Hier werden auch Oliven angepflanzt, Mandeln und Nüsse. In diesem Jahr wird über einen UNESCO-Antrag der Region entschieden werden, die Montsants Agrikultur als Welterbe aufnehmen soll. Das würde der Region einen weiteren Push geben.
Die Weine verdienen Aufmerksamkeit. Wie in fast der gesamten Region sind es die Garnatxa- und Carinyena-Trauben, die den Weinen ihre Frische verleihen und ihren Charakter. Der speist sich auch aus dem Boden, der von Schiefer, Sandstein, Kalk und Granit auf kleinstem Raum eine unglaubliche Vielfalt in der Region bietet. Ein paar der mitgereisten Weinkenner vergleichen Montsant mit der Nahe-Region, wegen seiner geringen Größe und unterschiedlichen Böden. Über die Hügelkette weht abends der Wind vom Mittelmeer. Just schaut ins Tal hinunter über die Früchte ihrer Arbeit. Auch wegen ihrer drei Kinder ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt. Diese Verbundenheit in Region und Lebensweg zeigt sich auch in den wichtigsten drei Weinen des Ehepaares. Sie sind nach ihren drei Kindern benannt.
Weingut Cellers Sant Rafel
Ctra. La Torre, Km 1,7. E43774 Pradell de la Teixeta,
Der Liebe wegen
Der Engländer Paul Candle führt durch das Gebäude der örtlichen Kooperative. Für die Liebe, dann wegen des Weines, dann wieder wegen der Liebe, ist er in die Region gekommen. Er bewundert die Menschen hier, auch wegen ihrer Eigensinnigkeit. 80 Prozent der rund 15.000 Menschen im Gebiet Priorat und Montsant haben für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt, mehr als irgendeine andere Region des Landes. „Die Sturheit, der Freiheitsdrang spiegelt sich in den Weinen wider“, so Candle. Die Rebstöcke sind schwer zu bearbeiten, teilweise eingekeilt in Berghängen, unzugänglich. Früher konnte man die Ernte nur mit Hilfe von Eseln schaffen, sogar heute noch sind Maschinen kaum einsetzbar. Auch die Weine der Kooperative überraschen mit Vielfalt, durchweg niedrigem Alkohol, ihrer Frische und Tiefe. Das Gebäude, in dem diese Weine lagern, ist die Reise allein schon wert. Eine „Kathedrale des Weines“ aus Stein und Holz, geprägt von den Ideen des großen Architekten Kataloniens, Antoni Gaudí, dessen Schüler Cèsar Martinell das Gebäude der Celler Cooperatiu de Cornudella geplant und gebaut hat.
Celler Cooperatiu de Cornudella
Comte de Rius, 2, 43360 Cornudella de Montsant,
Bon dia
Falset ist ein kleines Städtchen am Fuße der Montsant-Berge. Toni Bru ist Küchenchef eines der renommiertesten Restaurants in der Gegend. El Celler de l’Aspic ist pittoresk im vorderen Teil der örtlichen Weinkooperative platziert. Durch ein großes Fenster schaut man in das Steingebäude hinein. Bru stammt aus der Gegend und wird sie auch nie verlassen. Ein stolzer Katalane, aber noch mehr verwurzelt in dieser Region, die von Nord nach Süd gerade einmal 15 Kilometer vermisst. Wer hier mit einem Buenos días hereinspaziert, wird beäugt, mit einem katalanischen Bon dia öffnen sich die Arme und Herzen leichter.
Toni Bru nimmt die einfachen regionalen Gerichte der Region und gibt ihnen seinen eigenen Twist. Ravioli aus regionalen Wildpilzen mit Salbei und Käse stehen als Starter auf der Karte. Typisch sind die Gerichte, die Land und See miteinander kreuzen, wie Kabeljau mit Wurst und Innereien vom Fisch. Dazu gibt es Weine aus dem Priorat und Montsant. Aber man zeigt sich auch weltoffen, ein Regal ist gefüllt mit anspruchsvollen Riesling-Weinen aus Deutschland. Immer mehr Besucher entdecken die Region und ihre Restaurants, von denen man in Falset allein vier mit hohem Anspruch findet.
El Celler de I’Aspic
Carrer de Miquel Barceló, 31, 43730 Falset, Tarragona,
Klein und fein
El Cairat, übersetzt der Balken, begann vor 35 Jahren als Café vom Ehepaar Juli und Mercè. Die beiden bauten es zum Restaurant mit regionaler katalanischer Küche um. Seit dem Tod ihres Mannes führt Mercè das Cairat mit neuer Köchin. Klein, wenige Tische, versteckt in einer Gasse, vom ersten Schritt über die Schwelle spürt und atmet man, hier wird selbstbewusst und kompromisslos gekocht. Wieder tauchen die Wildpilze auf, diesmal typisch katalanische Butifarra-Fleischbällchen, Schärfe und Aromatik fließen ineinander. Erbsen mit Pulpo und Thymian-Öl bringen wieder Meer und Land zusammen. Das Sirloin-Steak wurde in Olivenöl gewendet, das von Bäumen aus der Siurana-Bergkette stammt, da, wo sich die Kletterer treffen.
Mercè kennt jeden Berg, jedes Tal, hat auch an diesem Abend einige Kräuter selbst gesammelt. Natürlich ist das Brot selbst gebacken. Natürlich werden Weine aus der Region gereicht. Und zum Abschluss eine Süßigkeit, die unserem Armen Ritter ähnelt. Die berühmte Crema Catalana bekommt man hier gar nicht, Mercè hat genug Aufregendes aus der nächsten Umgebung auf der Karte. Der Menüpreis liegt derzeit bei unschlagbaren 33 Euro.
El Cairat
Carrer Nou, 3, 43730 Falset, Tarragona,
Ursprünglich
Wir stehen am Rande eines Weinberges von Albert Jané, Eigentümer und Önologe vom Weingut Acústic Celler, und genießen Schinken und Wurst aus der Region, auf einem Holztisch, mit Blick ins Tal. Jané verreibt Tomaten auf dem Brot, der katalanische Klassiker Pa Amb Tomàquet – Brot mit Tomaten. Er kommt gar nicht aus der Gegend, genießt hier aber die größte Anerkennung. Albert Jané hat dem väterlichen Weingut in Penedés den Rücken gekehrt, um hier in Montsant Weine herzustellen, die er „emotionale“ Weine nennt. Auf 42 Hektar Anbaufläche erzeugt er authentische und pure Weine autochthoner Rebsorten. Albert Jané – mit seinen Kontakten, seinem Verständnis des internationalen Weinmarktes, seinem Charisma – ist lebendiger Beweis, dass diese Region im Aufwind ist. Seine Weine werden auch nach Berlin exportiert, das Potential ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. Der Name für seine Weine – acústic – kommt aus seiner Philosophie. Auch ein akustisches unplugged Konzert ist klar, ehrlich, authentisch, lässt uns zu den Ursprüngen der Musik vordringen. Genau wie seine Weine.
Acústic Celler
Carrer Progrés, s/n, 43775 Marçà, Tarragona,