Fotos: Marvin Pelny Aufmacher Fabian Fischer
Fabian Fischer

Fabian Fischer ist Inhaber des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant Bricole und des dazugehörigen Weinladens Lorem & Ipsum in Prenzlauer Berg. Der passionierte Weinexperte stellt im EssPress regelmäßig seine Lieblingsweine vor


Rosé Réserve 2018:

„Eine Klasse für sich“

Hinter uns allen liegt ein irritierendes Jahr 2022. Da gab es die dunklen und diffusen Momente wie Ukrainekrieg, Inflation und Energiekrise sowie die Ausläufe von Corona, verbunden mit Sorgen und offenen Fragen. Und es gab die Lichtblicke für mich – den Michelin-Stern fürs Bricole (der erste Stern für ein Restaurant in Prenzlauer Berg!), zwei Nominierungen von den Berliner Meisterköchen und erst vor Kurzem den Titel „Berliner Gastgeber des Jahres“. Leid und Glück so dicht beieinander und die Frage: Darf man überhaupt feiern? Ich finde ja, und das nicht nur, weil ich die Zeit um Weihnachten und Silvester so liebe.

Rosé Réserve 2018

Ein eleganter, enorm feinperliger Sekt

Nach Champagner ist mir trotzdem nicht zu Mute, eher nach einer Alternative, die besser in unsere Zeit passt, weil sei ein bisschen zurückhaltender ist. Mein Tipp für die festliche Zeit ist der fantastische Vaux Rosé Réserve 2018. Ein eleganter, enorm feinperliger Sekt aus einer deutschen Sektkellerei, die witzigerweise ihre Ursprünge in Berlin hat, wo sie vor über 150 Jahren gegründet worden ist.

Vaux konzentriert sich auf das, was trinkfreudige Angelsachsen als „Bubbly“ bezeichnen

Der Vaux Rosé Réserve 2018 ist ein rebsortenreiner Spätburgunder, der länger als für Sekt üblich auf der Hefe gelegen hat, nämlich 36 Monate. Er entstammt der renommierten Weinmanufaktur Vaux („Wo“ ausgesprochen) aus der Sektstadt Eltville, einer idyllischen Gemeinde im Rheingau am Ufer des Rheins, die vor allem im Sommer eine Reise wert ist. Vaux ist ein ausschließliches Sekthaus, macht keine Stillweine, sondern konzentriert sich einzig und allein auf das, was trinkfreudige Angelsachsen als „Bubbly“ bezeichnen. Die Sekte werden im Champagnerverfahren hergestellt, reifen im Holzfass und in traditioneller Flaschengärung. Durch seinen hundertprozentigen Pinot-Noir-Anteil ist der Rosé Réserve ein weiniger Sekt. Er schmeckt nach Hefe, frischem Brioche und grünem Apfel. Seine leichte Frische, die von Johannisbeeraromen noch untermalt wird, macht ihn zum perfekten Essens-Begleiter.

Der Vaux passt als Apéritiv, aber auch zum ganzen Menü von A bis Z. Er ist ein Allrounder, brut, der sowohl zum Fisch passt, als auch zum Wild. Seiner Herstellung wird von Experten eine große Handwerkskunst nachgesagt. Er ist ein Getränk für besondere, festliche Momente. Bei mir gibt es ihn auch an Heiligabend. Er hat etwas Feierliches, Beschwingtes, wie alle Sekte und Champagner. Wir haben ihn vom ersten Tag an im Weinladen Lorem & Ipsum. Die Kunden lieben ihn. Zu den Bewunderern gehört offiziell auch der Sektcup der Gourmetwelten, der Schloss Vaux vor wenigen Tagen zur Sektmanufaktur des Jahres wählte. „Die Trauben wachsen auf exzellentem Schaumwein-Terroir, bevor die Sektmacher nicht nur ganze Arbeit, sondern wahres Kunsthandwerk leisten“, liest man als Begründung. Mit einem stilvollen Kärtchen mit goldenem Wappen um den eleganten, rose-goldenen Flaschenhals, spiegelt der Sekt nicht zuletzt auch nach außen wider, was seine inneren Werte bestätigen: ein Klasse für sich.

VAUX – Rosé Réserve 2018
www.schloss-vaux.de



Tres Picos, Garnacha 2019:

„Ein Knaller im Gesamtpaket“

Gute Weine dürfen trocken sein, herb, fruchtig, mit ausgeprägtem Aroma, einem ausgewogenen Verhältnis von Säure und Süße, nachhaltig im Abgang – aber lecker? Auf gar keinen Fall! Ich möchte für das im Sommelier-Sprech verpönte Wort eine Lanze brechen und einen Wein vorstellen, den ich extrem lecker finde. In meinem Kosmos ist lecker das Kriterium der Kriterien, wenn ich privat unterwegs bin oder wie hier unter Gleichgesinnten, die Weine lieben. Mein Tipp ist ein Rotwein der Winzergenossenschaft Borsao aus der Region Aragonien, der nach dem Abschied von den letzten Sommertagen schmeckt und all die Wärme in sich trägt. Laut Wikipedia liegt die Heimat des Tres Picos Garnacha 2019 im Westen der Provinz Saragossa, was per se nach Sonne, bester Lage und unfassbaren Jahrgängen klingt.

Tres Picos

Wie ein vollkommenes Seidenkleid

Mit 15,5 Prozent Alkoholgehalt hat der „Drei Zinnen“ eine selbst für einen Rotwein respektable Umdrehung, was aber absolut zweitrangig ist. In erster Linie ist der 2019er Wein ein Knaller im Gesamtpaket: von seiner Vielseitigkeit, dem fabelhaften Verhältnis zwischen Preis, Qualität und Genussfaktor und seiner Wandlungsfähigkeit. Wie ein schlichtes, aber handwerklich vollkommenes Seidenkleid kann er sich jeder Gelegenheit anpassen. Man kann ihn up- oder downdressen und ihn als Begleiter sowohl für ein edles Essen in kleiner Runde wählen, als auch zur Weihnachtsfeier mit der halben Firma. Er passt so gut wie immer im Herbst und Winter.

Purpurnes Dunkelrot, so wie man es von kraftvollen Roten erwartet

Das hohe Alter der Reben und das Klima machen die Qualität des Tres Picos Garnacha 2019 aus, der im Edelstahltank und französischen Barriquefässern ausreift. Ausgeschenkt ist er von einem tiefen, purpurnen Dunkelrot, so wie man es von kraftvollen Roten erwartet. Sein Geruch ist zimtig, dezent vanillig mit einem Hauch Schokolade, Muskat, Tabak und weißem Pfeffer. Man riecht reife, schwarze Kirschen, Lakritze und Feige. Er ist kräftig ohne sprittig zu sein und besteht zu 100 Prozent aus der alten, spanischen Garnachatraube, was ihn alkoholreich und sanft macht. Der Tres Picos passt perfekt zu dunklem Geflügel wie Ente oder aber auch zu Schmorgerichten. Er ist eine stimmige Melange zwischen Eleganz und Power. Er ist laut genug und komplex genug für Leute, die Kräftiges mögen und weich genug für solche, die Sanftes bevorzugen. Er ist, mit anderen Worten: einfach lecker.

Bodegas Borsao – Tres Picos, Garnacha 2019
www.bodegasborsao.com



Pinot Noir Rosé 2020:

„Kein Barbie-Dreamhouse-Rosé“

Der wilde Kater aus dem Rheingau hat es mir schon länger angetan – genauer gesagt das Johannisthaler Weingut „Chat Sauvage“, das einen meiner absoluten Rosé-Favoriten herausgebracht hat. Sein Name steht für Kater oder Katze (le Chat), vielleicht aber auch für Schloss (le Château), was es Wein-typischer macht. So oder so gehörte eine große Portion Mut dazu, sich im Epizentrum des Rieslings auf die Kultivierung von Spätburgundertrauben einzuschießen und Pinot Noirs zu kreieren, die weit über die Grenzen Deutschlands Begeisterung fanden. Die Idee des Hamburger Geschäftsmannes und Chat Sauvage-Firmengründers Günter Schulz ging zur Jahrtausendwende auf. Sein Betrieb wird heute weitergeführt von Verena Schöttle, die seine Leidenschaft für die „Königin der Rebsorten“ teilt.

Pinot Noir

Ein wunderbarer, voller, erwachsener Wein

Der Pinot Noir Rosé 2020 ist kein eiswürfelglatter, Hau-weg-Vino für den Beachclub und auch kein Barbie-Dreamhouse-Rosé. Er ist ein wunderbarer, voller, erwachsener Wein, der im Sommer eine exzellente Alternative zum Rotwein darstellt. Er gehört nicht an den Strand, sondern auf die Sommertafel. Mit Freunden, beim Grillen, am See, bei brennenden Kerzen, schweren Gläsern und Mücken beim Sonnenuntergang. Die Rebsorte ist reinster Pinot Noir, ausgebaut im Edelstahlfass und von einer charaktervollen, kräftigen Farbe. Er schmeckt nach Rhabarber, dunklen Beeren, Blaubeere, Heidelbeere, süße Johannisbeere, nach Stachel- und Walderdbeere und witzigerweise auch nach Ananas. Ich nehme einen Hauch Tannin wahr, eine Spur von Salbei, Koriander und Pfeffer sowie etwas Erdiges, das mich an Muskat erinnert und verbrannten Toast. Das ist vollmundig, aromenstark und geschmacklich breit.

Rosé = Wein zum Fisch? Nicht dieser!

Nach dem Keltern wird der Spätburgunder Rosé – so wie er in Deutschland heißt – sofort vergoren, was dem Wein die wunderbare rosa Tönung verleiht. Aber noch eins: Nur weil er Rosa ist, passt dieser Wein nicht zu Fisch. Dazu ist er zu kräftig und zu herb, möglicherweise, weil die Trauben auf mineralischen Böden herangewachsen sind an „exponierten Steillagen am Rheinufer mit zahlreichen Sonnenstunden und mildem Klima“ wie der Erzeuger betont. Im Bricole empfehlen wir diesen Wein zu hellem Fleisch wie Juvenilferkel-Bäckchen, auch zu Kalb. Der Chat Sauvage ist ein Fleischbegleiter, auch für sommerliche Schmorgerichte, Kurzgebratenes, Kaninchen und Grillgemüse. Überhaupt passt er perfekt zum Barbecue, weil er die Brücke schlägt zwischen Bodenständigkeit und Eleganz. In Berlin kommt das gut an! Habe ich schon erwähnt, dass er einer meiner absoluten Lieblings-Rosés ist?

Chat Sauvage – Pinot Noir Rosé 2020
www.chat-sauvage.de