Philipp Stierand, Dinah Hoffmann und Patrick Wodni, Fotos: Selina Schrader Kantine Zukunft Aufmacher
Kantine Zukunft

„Der große Hebel der Kantine Zukunft ist der Bioanteil“

Sie sind angetreten, um unser Essen besser zu machen. Die Kantinen der Stadt Berlin bekommen von ihnen die Unterstützung, die sie brauchen, um wieder Spaß am Kochen und zufriedene Gäste zu haben. Philipp Stierand, Dinah Hoffmann und Patrick Wodni im Gespräch

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Philipp, du bist neu in Berlin, oder?
Philipp Stierand: Ich bin Dortmunder und Speiseräume waren immer der Titel meiner freiberuflichen Tätigkeit, meines Blogs, den es seit zehn Jahren gibt. Ich habe im Zuge dieses Projektes eine GmbH gegründet und die sitzt jetzt, so wie ich auch, in Berlin.

Bisher ist es mit der neuen Ernährungsstrategie zähflüssig gelaufen. Ende des Jahres ging es dann überraschend schnell. Jetzt fehlt scheinbar nur noch die Schulungsküche?
Patrick Wodni: Wir haben zwar im Oktober starten können, aber der ursprüngliche Start war ja schon drei Monate vorher geplant. Beim Vergabeverfahren gab es Komplikationen. Das Tempo können wir jetzt trotzdem halten, zumindest was die Modellprojekte anbelangt. In der Zusammenarbeit mit den Modellprojekten brauchen wir nicht zwingend eine eigene Küche. Wir arbeiten bis zum Sommer mit fünf verschiedenen Küchen zusammen. In diesen Küchen wollen wir die Zielvorgaben, zum Beispiel den Bioanteil von 60 Prozent, verwirklichen. Wir suchen weiterhin nach einer geeigneten Raumlösung für uns, mit einer Schulungsküche.

Welche fünf Küchen sind das?
Patrick: Wir werden mit zwei landeseigenen Betrieben, einer Kita, einem Seniorenheim und einer Behördenkantine zusammenarbeiten.

Sind Schulkantinen oder die Versorgung von Gefängnisinsassen dabei?
Patrick: Noch nicht, aber wir wollen ab diesem Sommer alles machen. Für die Modellprojekte war das Ziel, diverse Personengruppen zu erreichen. Das heißt, von Kindergarten bis zum Seniorenheim wollten wir alle Altersgruppen abdecken und damit in den Modellkantinen eine größtmögliche Diversität in den Einrichtungen haben.


„Wir wollen kleine, mittlere, große Unternehmen beraten, wir wollen mit Betriebskantinen, Kindergärten, Seniorenheimen arbeiten.“

Was heißt größtmögliche Diversität?
Patrick: Wir wollten nicht nur mit Betriebskantinen arbeiten. Wir wollen kleine, mittlere, große Unternehmen beraten, wir wollen mit Betriebskantinen, Kindergärten, Seniorenheimen arbeiten. Damit wir in dieser Modellprojektphase mit den Kantinen und Küchen, in denen wir sind, verschiedene Ergebnisse erarbeiten können. Damit wir dann später auch Übertragungsmöglichkeiten haben.

War es schwer, Betriebe zu finden?
Philipp: Meine große Angst im Vorfeld bei der Beantragung dieses Projektes war, dass die Kantinen nicht kommen. Anders als in Kopenhagen, wo auch ein politischer Druck dahinter stand, dass die Kantinen mit einer klaren Zielvorgabe mitmachen sollten, gibt es diesen Ansporn in Berlin nicht. Die fünf Modellprojekte zu finden war jedoch kein Problem.

Patrick: Wir haben die, die wir interessant fanden angeschrieben, haben uns mit denen zusammengesetzt, geschildert was wir machen und wir haben von keiner einzigen Küche ein Nein bekommen. Wir haben jetzt schlussendlich auch mehr Zusagen und Interessenten, als wir bearbeiten können. Mit der Präsenz der Kantine der Zukunft kommen auch immer mehr Anfragen auf uns zu. Das sind nicht nur Betriebe, oft sind es die Eltern der Kindern, die in der Kita oder in der Schule sind.

Wie lange ist das Projekt Kantine Zukunft gesichert?
Philipp: Es läuft schon seit Oktober. Also drei Monate im letzten Jahr. Im aktuellen Haushalt sind für beide Jahre jeweils knapp 1,2 Millionen eingeplant und es heißt laut Verpflichtungsermächtigung für den nächsten Haushalt, dass das Projekt in gleicher Größenordnung weitergeführt wird. Ich schätze, für die nächsten vier Jahre ist die Finanzierung relativ sicher. Drei Jahre im Politischen vorauszudenken ist immer etwas schwierig. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, im Sommer dieses Jahres den Regelbetrieb einzuführen.

Regelbetrieb und Modell? Was ist da der Unterschied?
Philipp: Wir haben uns bis dahin Zeit genommen, die Konzepte zu erarbeiten, beziehungsweise das, was die in Kopenhagen gemacht haben, nach Berlin zu übertragen. Dazu arbeiten wir ganz praktisch. Also Patrick und sein Team, das wir gerade zusammenstellen. Auf der anderen Seite erarbeiten wir selbst und mit externen Experten die Konzepte drum herum. Also wie sehen Curriculum, Schulungen, Beratungen aus. Das soll bis Mitte dieses Jahres stehen. Wir hatten bereits den ersten Workshop mit Kantinenköchen um zu erfragen, was sie eigentlich brauchen, was sie sich von der Kantine der Zukunft erwarten. Kopenhagen–Berlin lässt sich nicht eins zu eins genau übertragen. Es existieren weltweit andere, gute Erfahrungen mit Gemeinschaftsverpflegung. Auch in Deutschland gibt es langjährige Erfahrungen. Das alles versuchen wir zusammenzufassen, um dann mit einer größeren Anzahl von Kantinen einen Prozess, bei dem wir auf Konzeptbausteine zurückgreifen können, durchlaufen zu können.

Also im Grunde heißt das Modell auch Pilot? Was ihr ganz konkret mit den Köchen und Umständen arbeitet, dass ihr theoretisch wisst, worum es geht und euch praktisch dann feinjustiert.
Patrick: Tatsächlich ist es so, dass wir in jedem Fall Standortlösungen erarbeiten. Wir haben nicht vor eine Methode zu entwickeln, die wir dann in jeder Küche anwenden wollen, sondern das werden Bausteine werden, die man dann schlussendlich vielseitig anwenden kann. Und in der Modellprojektphase mit den Küchen, die wir jetzt haben, arbeiten wir an standortspezifischen Lösungen, weil überall der Schuh woanders drückt.


Kantine Zukunft

Von der Kita bis zum Seniorenheim, von der Firma bis zur Freizeiteinrichtung, von der JVA bis zum Krankenhaus – überall speisen Berliner*innen in der Kantine. Die Kantine Zukunft möchte das Essen dort, gemeinsam mit den Küchen-Teams, weiterentwickeln.
Im Mittelpunkt der Kantine Zukunft steht ein Beratungs- und Schulungsprogramm, das die Küchenteams unterstützt, Prozesse und Kompetenzen an die neuen Notwendigkeiten anzupassen. Die Kantine Zukunft wird die Küchenteams dabei sehr intensiv, sehr individuell und sehr praktisch bis an Kippbratpfanne und Schälmaschine begleiten.
Der Anteil der eingesetzten Bio-Lebensmittel in den Kantinen wird auf mindestens 60 % gesteigert. Saison und Region gewinnen an Bedeutung. Das Gemüse wird zum Star. Die Kantine Zukunft setzt also auf den Einkauf besserer, aber weniger verarbeiteter Lebensmittel und investiert in das Wissen und Können der Küchenteams, um eine hohe Qualität der Gemeinschaftsgastronomie – ohne Kostensteigerungen – zu sichern. Die Arbeit der Kantine Zukunft ist für die Kantinen kostenfrei.
www.kantine-zukunft.de


Die Dritte im Bunde ist Dinah.
Dinah Hoffmann: Ich komme ursprünglich aus Berlin und war für mein Bachelor- und Masterstudium im Ausland. Ich habe drei Jahre an der Universität für Gastronomiewissenschaften in Italien studiert, habe da meinen Bachelor gemacht und war dann ein Jahr in Berlin und habe z. B. für Goldhahn und Sampson gearbeitet und für ein Online-Stadtmagazin über die Restaurant- und Gastroszene in Berlin geschrieben. Dann bin ich nach Wageningen in Holland und habe meinen Master in Gesundheit, Kommunikation und Lebenswissenschaften gemacht, mit dem Fokus auf die urbane Ernährungspolitik.

Und was ist jetzt deine Aufgabe in eurem Trio?
Dinah: Gerade in der Anfangsphase teilen wir uns alle Aufgaben. Mein Titel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ich recherchiere auf europäischer Ebene, was sich in den letzten Jahren was Gemeinschaftsverpflegung betrifft entwickelt hat und wie das Wissen, das es schon gibt, mit einfließen kann. Zudem werde ich bzw. das Team im „Backoffice“ die Daten, die wir aus den Küchen bekommen, mit auswerten und daraus dann Materialien entwickeln.

Du sammelst alles und verwertest es, um die Theorie in die Praxis zu führen, offener und für die Küchen zugänglich zu gestalten.
Dinah: Genau! Für die jeweiligen Zielgruppen die richtige Sprache zu finden.

Philipp: Im Backoffice werden Daten ausgewählt, die Trainer zu unterstützen in ihren Beratungen und bei der Konzepterstellung, und es wird ein Teil der Schulung übernommen.

Bist du diejenige, die das dann wissenschaftlich auswertet und eventuell zu dem Schluss kommt, dass bürokratisch entschlackt werden muss?
Dinah: Solche Erkenntnisse werden eingeplant. Hindernisse sind z. B. wenn jede neue Zutat ausgeschrieben werden muss und das zwei Monate dauert, bis die überhaupt genehmigt wird. Da hat derjenige oder diejenige, der die Speiseplanung macht, auch irgendwann keine Lust mehr, was Neues in den Plan einzubringen, wenn das mit einem derartigen Aufwand verbunden ist. Dann bleibt der Speiseplan halt gleich.

Patrick: Ich sehe unsere Aufgabe nicht nur darin, handwerklich Unterstützung zu liefern und eine helfende Hand im Operativen zu sein, sondern auch in der ganzen Entwicklung, in der ich als Küchenleiter kaum bis gar keine Zeit habe, mich darum zu kümmern. In meiner Zeit als Küchenleiter musste ich mir diese Zeit immer irgendwo hernehmen, in der ich dann Entwicklungsarbeit leisten konnte. Wenn wir nun die Möglichkeiten bieten, das mit den Küchen zu entwickeln und sie dabei zu entlasten, dann ist die Chance, dass man sowas gut entwickeln kann, relativ hoch. Jede Veränderung ist dann dauerhaft.

Wenn du es einmal geswitcht hast, dann ist es dauerhaft. Dann musst du es nicht regelmäßig wiederholen, sondern dann hast du Kanäle und Wege, wie es weiter funktioniert.
Patrick: Genau, wenn ich neue Beschaffungsstrukturen einführe, dann sind die da, können genutzt werden. Oder wenn ich erstmal die Qualität der Speisen angehoben habe, mache ich es nicht wieder rückgängig.

Neben einem Team aus wissenschaftlichen Mitarbeitern wird es auch eines aus mehreren Köchen geben?
Patrick: Wir bezeichnen sie als Trainer, weil die primäre Aufgabe nicht das Kochen, sondern das Vermitteln von Wissen ist und da suchen wir. Wir sind überzeugt, Menschen gefunden zu haben, die handwerklich topfit sind, die eine hohe Vermittlungskompetenz haben, gute Methodenkompetenz mitbringen und im Idealfall viel über die Lebensmittel vor und nach dem Teller wissen.

Patrick, du hast damals Aufsehen erregt mit deiner neuen Idee der Krankenhausverpflegung. Du hast Regionalität und Bio-Produkte real zum Einsatz gebracht. Dann warst du an anderer Stelle tätig.
Patrick: Ich pendle seit Oktober hierher. Wir haben 2018 mit einer Gruppe eine Mehrgenerationen-Lebensgemeinschaft gegründet und als Genossenschaft gemeinsam ein Stück Land erworben und ein Gebäude, das wir gerade aufbauen. Aber ich werde mit meiner Familie ab März wieder ganz in Berlin leben.

Und du Philipp, bist Head of?
Philipp: Im Moment sind wir alle Head of und alle Verwaltungsfachfrau oder -mann. Im Moment machen wir alle alles. Aber letztendlich bin ich derjenige, der gegenüber der Senatsverwaltung verantwortlich ist, dass wir vom Finanzplan des Projektantrags kaum abweichen, dass wir alle Mittel nach öffentlichen Richtlinien ausgeben. Mein Job ist es, die Fäden zusammenhalten, das Gesamtkonzept weiterzuentwickeln.

Es geht demnächst mit den Modellprojekten los.
Patrick: Wir fangen Ende Januar mit den ersten fünf Küchen an.

Ihr hattet mit den Kantinen bereits einige Treffen. Was ist für die Kantinenmitarbeiter die größte Herausforderung?
Patrick: Generell sind es immer die gleichen Sachen, die zuerst angesprochen werden. Das ist ein zu hoher Arbeitsaufwand bei zu niedrigen Stellenschlüsseln. Dann ist generell der Wareneinsatz immer zu niedrig bemessen, für das, was verlangt wird.

Der Wareneinsatz ist zu niedrig bemessen?
Patrick: Nehmen wir mal an ich hätte als Koch 1,80 Euro zur Verfügung, für die ich ein Essen herstellen muss, was die Leute kaufen und letztendlich gerne essen wollen. Wenn ich das in einer besseren, höheren Qualität zubereiten möchte, da stoße ich ganz schnell an Grenzen.

Also ich habe reguläres Ratatouille für 1,80 Euro, Bio-Ratatouille für 2,50 Euro.
Patrick: Ja, so ungefähr. Jetzt geht es aber darum, wie kann ich das so umsetzen, dass ich quasi ein Gericht schaffe, was trotzdem bei den 1,80 Euro bleibt, aber die Qualitätskriterien trotzdem erfüllt. Wenn ich zum Beispiel das Ratatouille im Winter für 2,50 Euro anbieten muss, weil alles was ich da reinpacke jetzt gerade keine Saison hat, dann muss ich ein anderes Gericht kochen.

Also bist du bei Kohl, Linsen, Erbsen, Hülsenfrüchten.
Patrick: Unter anderem. Es gibt auch viel Getreide, das momentan immer in der Gemeinschaftsverpflegung einen ziemlich unkreativen Einsatz hat. Ich finde Weizen jetzt auch nicht verkehrt. Man kann mit Weizen auch eine ganze Menge machen.

Philipp: Was uns in Dänemark in allen Küchen über den Weg gelaufen ist, sind Rote Bete.


„Wir haben in Kopenhagen nach unserem Treffen das Krankenhaus­gebäck noch eingepackt und mit­genommen, weil das so lecker war.“

Patrick, du hast in Kopenhagen bei einer Weiterbildung mit Köchen wieder im Krankenhaus gearbeitet.
Patrick: Was heißt wieder im Krankenhaus? Ich mochte die Arbeit gerne, auch wenn sie kompliziert ist. Ich war letzte Woche im Krankenhaus, weil meine Tochter dort versorgt wurde. Sie hatte Reis und Salat zum Mittagessen und ich habe extra noch einmal nachgehakt, ob sie das bestellt hat. Das war das offizielle Essen. Solange ich als kranke, schwache Person Reis und Salat bekomme, muss etwas verbessert werden. Da geh ich dann auch gerne rein und stelle mich den komplizierten Dingen. Uns geht es um ein handwerklich hergestelltes, hochwertiges Grundprodukt in der Krankenhausküche und nicht um hehre Kochkunst.

Philipp: Wir haben in Kopenhagen nach unserem Treffen das Krankenhausgebäck noch eingepackt und mitgenommen, weil das so lecker war. Das waren die besten Zimtschnecken, die wir gegessen haben. Das war die gängige Patientenverpflegung.

Patrick: Es gibt eine Bäckerei und Metzgerei vor Ort. Die schlachten nicht, aber die zerlegen und die backen von Kleingebäck über Quiche bis zu Brot, Brötchen und Pizza alles selber.

Es ist mir ein Rätsel, warum in den Kantinen ein ausgebildetes Team in der Küche ausschließlich aufwärmt. Diese Tütenaufschneiderei habe ich nie verstanden.
Patrick: Für viele Köchinnen und Köche ist das auch ein Grund, warum sie mit ihrer Arbeit relativ unzufrieden sind. Wenn ich fürs Kochen bezahlt werde und das eigentlich nicht machen kann, ist das frustrierend. Aber die Fehler immer bei denen zu suchen, die da stehen und ihr Bestes geben, ist auch verkehrt. Manchmal liegt der Hase ganz wo anders im Pfeffer und das ist unsere Aufgabe: Standortbedingt herauszufinden, woran es hapert. Generell finde ich es ein Unding, dass man ein Handwerk lernt und das dann nicht mehr ausüben kann.

Viele Jungköche behaupten auch, man lernt es gar nicht mehr richtig.
Patrick: Das wird wahrscheinlich auch der ein oder andere Berufsschullehrer bestätigen können.

Habt ihr schon Adressen, wo ihr sagt, da kann man hingehen, wo ihr den Eindruck habt, da funktioniert eine Kantine gut?
Patrick: Wenn wir mit dem Modellprojekt im Sommer fertig sind, können wir bestimmt mal eine Empfehlung geben.

Dinah: Die Kantine der nordischen Botschaften hat gute Ansätze.

Philipp: Aber das hat nichts mit unserer Arbeit zu tun.

Dinah: Genau, aber die gibt es jetzt schon in Berlin und da kann man sagen, da läuft einiges schon richtig und auf jeden Fall besser als in vielen landeseigenen Kantinen.

Patrick: Mein Lieblingsbeispiel ist einfach immer noch die Kantine vom Studio des Künstlers Ólafur Elíasson. Die ist nicht öffentlich, aber da wird nicht auf irgendeine fancy Kochkunst großen Wert gelegt, sondern auf gute Produkte, die einfach so zubereitet werden, dass sie von wenigen Leuten für viele Leute gemacht werden. Da kommt vieles zusammen, was ich als wertvoll erachte.


„Wir sehen es als Aufgabe, die Sehnsucht nach Regionalität zu steigern und auch eine stärkere Nachfrage auszulösen.“

Thema Beschaffung, ihr habt hier Bioprodukte, die bestenfalls aus Brandenburg kommen. Aber die Realität heißt ja, dass wir gar nicht so viel Bio aus Brandenburg bekommen können, oder?
Patrick: Ja, aber auch da ist es vielschichtig. Um nur einen Aspekt anzureißen: Bisher spielen regionale Bioprodukte in der Gemeinschaftsverpflegung kaum eine Rolle. Wenn die ganzen ernährungstechnischen Projekte, die gerade in der Stadt stattfinden, auf einmal den Bedarf an Hunderten Tonnen von Bio-Produkten schaffen, dann muss der Handel ja reagieren. Und nachdem der Handel reagiert hat, muss auch die Landwirtschaft reagieren. Dann kann man darüber nachdenken, wie Subventionen verteilt werden sollen. Das ist ein sehr langer Weg, aber solange ich keine Anreize für Landwirte schaffe, das anzubauen, was wir haben wollen, werden sie es nicht machen. Und solange die Küchen für den Handel keinen Anreiz schaffen, so eine Produktpalette zu schaffen, wird er es nicht aufnehmen, weil er es nicht verkaufen kann.

Philipp: Der große Hebel der Kantine der Zukunft ist der Bioanteil und der ist auch der Indikator, an dem wir unseren Erfolg messen werden. Wir sehen es als Aufgabe, die Sehnsucht nach Regionalität zu steigern und auch eine stärkere Nachfrage auszulösen. Wir werden das im doppelten Sinne nicht als Engpass sehen. Zum einen werden wir nicht akzeptieren, dass es im Moment nur so wenig gibt und versuchen da aus der Kantine heraus mehr Bedarf zu schaffen. Wir werden es aber auch nicht akzeptieren, wie das in den Verbraucherdiskussionen oft ist, wo gesagt wird, okay, jetzt bekomme ich keine regionalen Bio-Erdbeeren im Winter, dann nehme ich halt tiefgefrorene aus China. Also, Bio-regional ist gut, Bio-Deutschland und Bio-Europa ist auch okay.

Patrick Wodni, Philipp Stierand und Dinah Hoffmann Kantine Zukunft 1

Wünscht ihr euch mehr politische Unterstützung?
Philipp: Was die Kantine Zukunft anbelangt, können wir nicht klagen. Die politische Unterstützung ist da, die Unterstützung aus der Senatsverwaltung ist da. Bedarf bei den Kantinen ist vorhanden, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden war kein Problem. Es scheint die richtige Zeit für dieses Projekt zu sein. Was ich anfänglich schon am Beispiel Kopenhagen angedeutet habe: Mutige politische Ziele wären hilfreich.

Zielsetzung ist doch ein Bio-Anteil von 60 Prozent?
Philipp: Was die Kantine der Zukunft angeht, ist es erst einmal nur auf die Kantinen bezogen, mit denen wir zusammenarbeiten.

Dinah: Für die Schulverpflegung ist es jetzt neu festgeschrieben, dass die Caterer mindestens 50 Prozent Bio im Speiseangebot haben sollen.

Patrick: Es ist eine stufenweise Anhebung: 2020 sind es 30 Prozent, 2021 40 Prozent und in 2022 50 Prozent.

Dinah: Man kann den Caterern ja nicht von einem Moment auf den anderen sagen, jetzt müsst ihr das sofort verändern.

Und alle die mit euch zusammenarbeiten haben bis zu 60 Prozent?
Philipp: Das ist das Ziel, diese 60 Prozent zu erreichen. Aber darüber hinaus gibt es keine Zielsetzung. Die Politik hat beschlossen, dass die GV der Stadt innerhalb einer bestimmtem Periode auf durchschnittlich 90 Prozent gesteigert werden soll. In Berlin ist es so, dass Kantinen erkennen müssen, dass da eine Veränderung stattfinden sollte, sie einen Bedarf bei ihren Gästen sehen und dann zu uns kommen und wir ihnen helfen können.

Also das, was hier jetzt steht, mit 60 Prozent Bio-Anteil gilt idealerweise, ist aber keine Vorgabe?
Patrick: Es ist unsere Zielvorgabe an dem Modellprojekt und auch im Regelbetrieb, also an alle Küchen, mit denen wir zusammenarbeiten.

Philipp: Und das heißt dann wiederum, dass wir nur durch Überzeugungsarbeit Kantinen dazu bringen können, mit uns zu arbeiten. Sie müssen aber nicht.

Habe ich es richtig verstanden, wir müssten jetzt vom Senator für Verbraucherschutz, der dafür verantwortlich ist, eine Zielvorgabe haben, bis 2030 sind alle auf 80 Prozent Bio in der Gemeinschaftsverpflegung.
Patrick: In Kopenhagen sind die meisten Küchen, die eine Kantine haben oder für eine öffentliche Institution kochen, staatliche beziehungsweise landeseigene Betriebe. Hier sind diese an Unternehmen vergeben.

Philipp: Es ist weniger die Aufgabe des Senators, als die der Abgeordneten. Es ist eine politische Frage. Und dann müssten die entsprechenden Ausschreibungen neu geschrieben werden.

Dinah: Wenn man sich die Ausschreibungsunterlagen außerhalb der Schulverpflegung jetzt anschaut spielt Bio mit festgeschriebenen 15 Prozent eigentlich fast keine Rolle. Und in vielen anderen Ausschreibungen gar keine.

Patrick: Genauso wenig wie Kochen eine Rolle spielt.