Fotos: Selina Schrader Aufmacher Elias Heintz
Elias Heintz

„Ich bin mit 16 Jahren irgendwie reingerutscht“

Elias Heintz gehört zu den Jüngsten unter den Berliner Bartendern. Bereits mit 18 Jahren war er Barchef in seiner Heimatstadt Göttingen in der Amavi-Bar. In Berlin, im Bonvivant, hat er mit seinen Kreationen, der Barkarte, sowie den Cocktailbegleitungen zur aromenreichen Gemüseküche von Nikodemus Berger erheblich zum Erfolg des Cocktail-Bistros beigetragen – das Bonvivant ist vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet worden. Elias Heintz will mehr. Sein neues Projekt nennt der 20-Jährige „Kein Wein“

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Wie sieht der Arbeitsalltag eines Barchefs aus?
Elias Heintz: Ich vermute, der sieht nicht viel anders aus als der des klassischen Bartenders in der gehobenen Gastronomie. Und in einer Stadt wie Berlin sind auch andere Anforderungen gefragt. In der Regel stehe ich gegen acht, neun Uhr auf und bin gegen zehn Uhr im Laden. Vielleicht habe ich vorher noch meinen Haushalt geschmissen und was gefrühstückt. Wenn ich dann im Bonvivant bin, beginnen die langweiligen Dinge: Bestellungen, Verträge, Verhandlungen, Organisation, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit. Das sind Aspekte, die entscheidend sind, um eine Positionierung auf dem Berliner Markt zu bekommen. Gegen 15 Uhr beginnt dann die Organisation des Abendgeschäftes. In der Regel sind wir, das gesamte Team, ab 18 Uhr für die Gäste bereit. Ich selbst stehe nicht unbedingt jeden Abend hinter der Bar. Ich begrüße die Gäste, empfehle Aperitifs, erkläre die Begleitung und baue eine Verbindung zum Produkt und zu unseren Gästen auf. In der Regel bin ich dann gegen 23 Uhr auf dem Weg nach Hause.

Ess- und Trinkkultur gehören bei euch unbedingt zusammen. Ist es denn möglich, auch nur Drinks zu ordern?
Selbstverständlich, und unsere Barkarte macht viel Spaß. Aber wir sind hier in Schöneberg und da wird eher selten die Nacht durchgefeiert. Man geht abends ein, zwei Drinks trinken, hat eine nette Zeit, und dann zieht man vielleicht noch weiter nach Mitte.

Wann hast du Zeit, neue Drinks zu kreieren?
Wir arbeiten im Team und undogmatisch. Wenn ein Azubi Bock hat, einen Drink zu entwickeln, dann unterstützen wir ihn so lange, bis der Cocktail unseren Qualitätsansprüchen genügt. Aktuell ist der Großteil auf der Barkarte noch von mir. Was die Getränke-Begleitung angeht, haben wir eine enge Verbindung mit der Küche. Das heißt, Küchenchef Nikodemus Berger macht immer mal wieder Vorschläge, mit verschiedenen Produkten zu arbeiten.


„Ich habe schnell gemerkt, dass das, was ich dort gerade gemacht habe, nicht das Ende der Welt ist und dass es noch viel zu entdecken gibt.“

Es ist gerade mal 15 Uhr und an der Bar arbeiten rund fünf Leute …
Das brauchen wir auch. Gerade wenn wir Produktionstage haben, an denen wir für die Woche vorproduzieren. Es arbeiten immer zwei Mitarbeiter pro Schicht an der Bar. Das heißt auch, dass ein Wechsel stattfinden muss. Keiner kann durchgehend sechs Tage die Woche am Stück arbeiten.

Mit 18 Barchef in Göttingen in der Amavi-Bar – wann hast du das Trinken angefangen? Wann die Liebe zum Cocktail entdeckt?
Ich bin mit 16 Jahren irgendwie reingerutscht. Ich habe in einem Restaurant im Service ausgeholfen und wurde dann hinter die Bar gestellt, weil kein anderer da war. Das war nicht ganz legal. Aber so lief es eben ab. Dabei habe ich gemerkt, dass mir das wirklich viel Spaß macht. Ich habe aber auch schnell gemerkt, dass das, was ich dort gerade gemacht habe, nicht das Ende der Welt ist und dass es noch viel zu entdecken gibt. Mit 18 Jahren bin ich dann ins Amavi gewechselt und dort konnte ich in der Leitungsposition als Barchef mehr an Drinks entwickeln und mich auch ein bisschen ausprobieren. Der Wechsel nach Berlin brachte dann nochmal ganz andere Herausforderungen mit sich.

Man könnte jetzt vermuten, dass du aus einer Gastrofamilie kommst, aber du stammst aus einer Akademiker-Familie?
Meine Eltern sind immer sehr entspannt gewesen. Ich bin mit 16 ausgezogen, weil ich die Selbstständigkeit sehr genossen habe. Und die Devise meiner Eltern war: Du kannst alles machen, wie du es möchtest, solange du es dir selbst finanzierst. Und so habe ich mit 16 meine erste Wohnung finanziert – über Gastronomie.

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Kannst du dich erinnern, was für dich die erste beeindruckende Mixtur war?
Daran kann ich mich tatsächlich noch erinnern. Als ich das erste Mal Negroni getrunken habe, fand ich den zu stark, zu bitter, zu viel von allem. Dann war ich in der European Bartender School Berlin, wo wir in Geschmack und Aromen geschult wurden. Danach habe ich noch mal Negroni getrunken und verstanden, was den Drink eigentlich ausmacht. Ich hatte viel dazugelernt, sowohl was die Sinne als auch den Kopf betrifft.

Was trinkst du heute am liebsten?
Wenn ich unterwegs bin, fange ich immer mit dem Wermut Tonic und einem Port Tonic an. Die Sours sind meine Favoriten. Da existiert eine große Vielfalt und man kann mehrere über einen Abend trinken.

Du hast jetzt ein neues Projekt „Kein Wein“ losgetreten. Und greifst aber nicht auf Weinimitate ohne Alkohol zurück.
Mir ist aufgefallen, dass alkoholfreie Weine am Markt nicht ernstzunehmen sind. Ich habe mich mit der Thematik weiter befasst und habe gemerkt, wenn man mit neuen Kompositionen arbeitet, bekommt man ein komplexes Geschmacksbild. Passing Cloud von Muri, Champagner Bratbirne und Cuvee Nr. 7 von Jörg Geiger, Arensbak weiß und French Style von Gnista – das sind Alternativen. Ich habe eine Best of-Karte gemacht.

Gibt es für dich Grundprinzipien?
Beim Kuratieren habe ich darauf geachtet, dass nicht alles einheitlich daher kommt, sondern auch gegensätzlich gearbeitet wird. Wenn wir z.B. ein schweres Gericht servieren, gehen wir mit einer frischen, säuerlichen, leichten, vielleicht auch prickelnden Alternative dagegen. Oder wir greifen die Aromen aus dem Gericht wieder auf, als eine Form des Spiegelns, und verstärken den Geschmack, den man sowohl auf dem Teller als auch im Glas hat. Es gibt sehr viele verschiedene Formen, wie man das Pairing gestalten kann. Ganz klassisch ist ein kulturelles Pairing.

Kulturelles Pairing? Gib doch bitte mal ein simples Beispiel dafür.
Ganz einfach: Zu einem Taco – zur Würze, zur Limette und leichten Schärfe – passt auf jeden Fall eine ganz klassische Margarita. Gleiche Herkunft, nämlich Mexiko, und mit ähnlichen, einigen gleichen Zutaten – das meint kulturelles Pairing.


„Es werden in der modernen Mixologie immer mehr Küchentechniken gefragt. Und da ist es mehr als ratsam, sich mit der Küche zusammenzusetzen.“

Im Bonvivant fällt das gute Verhältnis untereinander auf. Wie steht’s mit dem von Küche und Bar?
Das ist elementar, das ist untrennbar miteinander verbunden. Wir an der Bar müssen unsere Kreationen mit den neuen Gerichten abstimmen. Wir achten darauf, was sich der Küchenchef Nikodemus Berger wünscht. Das erfordert eine regelmäßige Kommunikation. Wir versuchen im Bereich der Nachhaltigkeit zu arbeiten. Kommt die Küche auf uns zu und hat bei einem neuen Gericht Apfel-Abschnitte übrig, dann tüfteln wir an einem Drink mit Apfelaroma. Aktuell gibt es ein Gericht auf der Karte, das arbeitet mit einer Mousse aus der Johannisbrotbaumfrucht und davon bleiben die Blätter übrig. Und so kommt ein alkoholfreier Drink mit diesen Blättern auf die Karte. Außerdem werden in der modernen Mixologie immer mehr Küchentechniken gefragt. Und da ist es mehr als ratsam, sich mit der Küche zusammenzusetzen. Dabei geht es um Geschmacksprofile und die Frage, mit welcher Technik das funktionieren könnte.

Wie steht es mit dem Verhältnis von Bar zu Service?
Das ist gut. Und Bar und Service lassen sich bei uns schwer trennen. Wir achten darauf, dass unsere Mitarbeiter durchlässig sind, sprich, in der Regel können die meisten Servicekräfte hinter der Bar arbeiten, so wie alle Bartender auch im Service.

Wohin geht der Trend, was wird die Zukunft der Barkultur bringen?
Auf jeden Fall wird der bewusste Umgang mit Alkohol bedeutender werden. Der Gesundheitsaspekt spielt immer mehr eine Rolle. Das ist auch im Bereich der Kulinarik spürbar. In der Konsequenz heißt das, dass man gesunde Zutaten verwendet, mit sogenanntem Superfood arbeitet – das wird einen Trend ausbilden.

Bonvivant Cocktail Bistro
Goltzstraße 32, Schöneberg, Tel. 0176 61 72 26 02, www.bonvivant.berlin,
Brunch Mi-So 10-15 Uhr, Dinner & Drinks Di-Sa ab 18 Uhr