Die Liebe zu Paccheri, Pizza und Tomaten
Diese Stadt macht süchtig und gleichzeitig demütig. Neapel ist laut, die Unterschiede extrem, die Kultur vielschichtig, die Armut offensichtlich, das Leben anstrengend. Aber das alles verliert an Schwere bei ausgezeichnetem Essen und temperamentvoller Gastlichkeit
Das Wichtigste ist in der Hauptstadt Kampaniens eine gute Hoteladresse, und die sollte im Zentrum des Geschehens sein. Das Domus Deorum zum Beispiel ist eine der typischen anspruchsvolleren Adressen inmitten des historischen Zentrums Neapels. Von außen ist es eher unscheinbar. Man tritt durch ein Holztor, einen Gang durch zum Hof, eine Treppe hoch und ist positiv überrascht vom angenehmen Empfang. Die Zimmer sind zweckmäßig mit italienischem Schick eingerichtet, mal mit großer oder kleinerer Terrasse.
Und ein weiterer Vorteil: Am ersten Abend ist der Weg nicht weit zu Gaetano Adamo, einem berühmten Pizzaiolo und dessen gleichnamigem Restaurant. Hier erfährt der Gast alles über die Pizza, die in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit eingetragen ist. Gaetano hat sich der Rapido verschrieben, einer Pizza mit luftigem Boden. Den Teig setzt der gerade mal 26-Jährige täglich an, er muss mindestens 23 Stunden ruhen. Später kommt die Rapido gerade mal für rund eine Minute in den 400 Grad heißen Ofen. Oben drauf kommen nur beste Zutaten. Bester Mozzarella aus der Region Agerola, Artischocken aus Paestum, Pistazien aus Bronte und beste Tomaten wie z.B. „San Marzano“-Tomaten aus Sarnese-Nocerino.
Es gibt tausende Tomatensorten. Auf großflächigen Feldern kultiviert man die „Roma“-Tomate – sie gedeiht bodennah – in Reihen, mit größerem Abstand, so dass man sie maschinell ernten kann. Die „San Marzano“-Tomate wird per Hand sorgfältig gepflückt. Als eine der besten Tomaten wird sie anschließend in Dosen abgefüllt, in der Firma Palo zum Beispiel, die 1935 in einer der fruchtbarsten Gegenden der Region Kampanien gegründet wurde. Gewaschen und geschält kommen sie in die Dose, nachdem zwei Arbeiterinnen ein Basilikumblatt reingelegt haben. Auch in Deutschland bekommt man sie, wichtig ist die Bezeichnung DOP. Denn auch Fälschungen sind im Umlauf. Die „San Marzano“-Tomate ist in den Küchen Neapels nicht mehr wegzudenken. Wobei man sicher sein kann, dass auch alle anderen Sorten von Tomaten weitaus aromatischer schmecken als hierzulande.
In der Baccalaria hat man sich dem Kabeljau verschrieben, im Speziellen dem Stockfisch. Der krönt in Form einer Creme die Vorspeise „Lo Scarpariello del Doge“, das sind Paccheri – italienisch bissfest – in einer Tomaten-Pecorino-Sauce, die in kürzester Zeit bei einem schnellen Kochkurs mit Journalistinnen zubereitet wurden.
Keinen Finger muss man – um es offen zu sagen, kann man auch nicht mehr – nach einem Stadtbummel rühren. In fast jeder engen Gasse finden sich unzählige Gotteshäuser. Drumherum hat sich im Laufe der Geschichte die Stadt entwickelt, die Gebäude dicht an dicht, kleine Geschäfte bieten alles, was das Touristenherz an Andenken wünscht, überall bieten Restaurants Streetfood an. Motorräder und großräumige Autos bahnen sich unerbittlich einen Weg durch die Fußgängerströme. Moderne Zeiten!
Eine der ältesten und besten Adressen, um nach dem hautnahen Stadtleben runterzukommen, ist das Gran Caffè La Caffettiera. Auf der Terrasse lässt sich einer der besten Caffès genießen – in Neapel heißt der Espresso Caffè. So zeigt Guglielmo Campajola persönlich die uralte Methode der Kaffeezubereitung. Mit der Napoletana wird der Kaffee nicht wie bei der Bialetti mit Dampf, sondern durch die Schwerkraft gefiltert. Man pflegt hier die Tradition, zuckt aber auch mit keiner Wimper, wenn man einen Espresso Tonic bestellt. Zu Pranzo, dem Mittagessen, ist als Vorspeise Pasta obligatorisch und Paccheri angesagt. Und sie schmeckt hervorragend – mit „San Marzano“-Tomaten, grob geriebenem Parmesan und Mozzarella. Und Guglielmo Campajola lässt es sich nicht nehmen, einen hervorragenden Digestif auszuschenken.
Es gibt mehr als Paccheri. Zum Beispiel die Eliche, das sind große Fusilli. Die gehen fast unter im A-Ma-Re Capri. Denn alles an dieser Osteria ist atemberaubend. Erst mal die Lage: mitten in einem Felsen in der Nähe der Blauen Grotte von Capri. Der Blick: über ein blaues Meer bis zum Horizont. Das Essen: ein überwältigendes Arrangement aus verschiedensten Tomaten mit bestem Mozzarella. Dann, wie schon erwähnt, Eliche mit Muscheln und Tomaten, es kommt eine unvergessliche Pizza mit Limonenzesten, buttrigem Käse, Muscheln und gelben Tomaten auf den Tisch, der Geschmack bleibt lange in Erinnerung. Zum Abschluss ein Dessert, Mille-feuille mit Creme und Walderdbeeren – ein Traum. Wie auch ein kurzes Bad im Meer, dazu einfach die Treppen hinabsteigen.
Die muss man auch im Sternerestaurant Palazzo Petrucci steigen, einem puristischen, dreistöckigen Gebäude. Am Meer gelegen, direkt am Strand, ist der Blick nicht ganz so spektakulär wie auf Capri, dafür gab es an diesem Abend ein Feuerwerk, Anlass war der Geburtstag eines Gastes. In der gläsernen Küche kocht Lino Scarallo klassisch, modern interpretiert. Das Fünf-Gänge-Menü startet überzeugend mit einer gepökelten, leicht rauchigen Gelbschwanz-Makrele, mit Tomaten und Zwiebeleiscreme. Der Baby-Tintenfisch auf „Datterino“-Tomaten, Parmesan-Schaum und kandierter Zitrone, bestätigte die Handschrift des Küchenchefs, nämlich immer eine frische Konnotation zu setzen.
Viviane Marrocoli setzt bei ihrer Küche in der Taverna La Riggiola auf alte Sorten. Sie verarbeitet z.B. eine weiße Limabohne und einen speziellen Krauskohl, die direkt von Landwirt Pietro Micillo bezogen werden. Und wie soll es anders sein, sind es wieder Paccheri, die auf den Tisch kommen. Wieder al dente, wieder mit einem speziellen Käse, wieder mit einer besonders subtil gewürzten Tomatensauce – man kann davon nicht genug bekommen!
Domus Deorum
P.za Principe Umberto, 4, 80139 Napoli NA,
Ristorante Pizzeria Gaetano Adamo Napoli
Corso Giuseppe Garibaldi, 353, 80142 Napoli NA,
Palo
Baccalaria
Piazzetta di Porto, 4, 80134 Neapel,
Gran Caffè La Caffettiera
Piazza dei Martiri 26, 80121 Neapel,
a-Ma-Re Capri
Via Gradola, 2, 80071 Isola di Capri NA,
Palazzo Petrucci
Via Posillipo 16/c, 80123 Neapel,
Taverna La Riggiola
Vico Satriano, 11, 80121 Neapel,
Dank an
Manuela Barzani und Red Gold Europe