Viel mehr geht nicht!
Es ist eine beeindruckende Stadt. In Vilnius, der Hauptstadt von Litauen, kann man viele Baudenkmäler und Kathedralen finden.
In der Altstadt fängt alles an. Es ist von Vorteil, sich dort in eines der zahlreichen Hotels einzumieten. In diesem Fall ist es das Radisson Collection Astorija Hotel. Von dort geht es in die Stiklių Straße. Und plötzlich steht man vor einem Eckgebäude überbordend dekoriert mit Blüten, Keksen, Donuts und Macarons. Es ist das Werk von Mantas Petruškevičius und seiner Flower Couture. Er ist in Vilnius eine bekannte Größe und seine blumigen Arrangements sind in verschiedenen Ecken der Stadt zu bewundern. Nicht immer ganz so üppig, aber instagrammable. Und in der Altstadt hört für viele die Arbeitswoche auf. An den Wochenenden sind die Gassen, die Bars, die Cafés, die Biergärten voller Leben – es wird bis in die Morgenstunden gefeiert “.
Anders im Grand Hotel, da ist zwar auch mit gelber Blütendekoration geschmückt, gefeiert wird hier eher verhalten. Es ist eine der ersten Adressen von Vilnius. Schräg gegenüber befindet sich der Präsidenten Palast, die Kathedrale St. Stanislaus mit einem Glockenturm, bei der jede Etage in einem anderen Architekturstil erbaut wurde, die Universität und das Nationalmuseum. Es gibt zahlreiche Reiseführer*innen, die gegen ein Trinkgeld sachkundig die wechselhafte Geschichte der Stadt präsentieren.
Der Besuch des Luxus-Hotels – Joe Biden soll dort auch schon übernachtet haben – ist eine luxuriöse Auszeit bei einem angenehmen Preis-Leistungs-Verhältnis. Und es wird Kaviar serviert. Dieser gehört scheinbar auf jede Karte eines guten Restaurants in Vilnius, wie später bei weiteren Besuchen klar wird.
Das Ceviche von der Gelbflossenmakrele ist alleine schon einen Besuch wert, das Tatar vom Wagyu ist handgeschnitten und von bester Qualität, die Tagliatelle mit Garnelen sind klassisch und eigentlich für zwei. Dazu ein Pieropan Soave Classico von 2022 – und Vilnius wird immer vertrauter.
Die Zuversicht in die Gastgeberschaft sollte man unbedingt bis in den Abend behalten. Denn die Adresse der Peronas Bar ist etwas spooky und erinnert an das morbide Berliner Nachtleben nach Mauerfall. Direkt neben der Baustelle des Hauptbahnhofes, die provisorisch mit Gittern abgegrenzt ist, sitzt man auf der Terrasse und wundert sich über die wenigen Züge, die in Vilnius vorbeikommen – ein einziger an diesem Abend. Es wird ein langer Abend, an dem man die besten Cocktails seit langem trinkt, z.B. Margaritas, lustige Gespräche führt und sich beim Besuch der Toilette über ein deutliches politisches Statement amüsiert.
Über Politik spricht man in Vilnius selten. Und wenn, baut man auf Europa und die Nato. Zur Erinnerung: Die ehemalige Sowjetrepublik grenzt an Lettland, Belarus, Polen und Russland. Im House of Histories, eine Außenstelle des Nationalmuseums, kuratieren die engagierten Ausstellungsmacherinnen die litauischen Migrationsbewegungen und die Entstehung von Verschwörungstheorien in Sonderausstellungen. In der Dauerausstellung sind archäologische Funde und altes Kunsthandwerk zu besichtigen. Ein außergewöhnliches Haus mit einer ebenso außergewöhnlichen Cafeteria mit Eskedar Coffee.
Und die Gründerin, Eskedar Tilahun, ist zufällig vor Ort. Sie erzählt von äthiopischer Kaffeekultur und deren Zeremonie, darüber, dass immer die jüngste Tochter für die Zubereitung zuständig ist und schon in jungen Jahren den Kaffee probiert. Sie serviert mal schnell einen Espresso, angereichert mit Gewürzbutter, ein ungewöhnlicher Kaffeegenuss. Sie röstet in Litauen die aus Äthiopien importierten Kaffeebohnen. Vier Sorten stehen zum Verkauf. Neben dem Standort im Haus der Geschichten ist der Besuch der Eskedar Coffee Bar in der Altstadt ein Muss. Hier trifft Alt auf Neu, Plüsch auf moderne Kunst. Das ist auch Eskedar Tilahuns Unternehmens-Philosophie. Und auf die Frage, wie sie denn die Mixtur Espresso/Tonic findet, zuckt sie mit den Schultern: „Why not!“
Diese Einstellung könnte beim Besuch des Restaurants Nineteen18 nicht ganz unwichtig sein. Es ist eines der besten Restaurants in Vilnius und hat vor kurzem einen Michelin-Stern erhalten. Zu Recht! Es gibt ein Menü, und jeder der zehn Gänge überrascht durch unkonventionelle, äußerst harmonisch komponierte Kreationen. Die rudimentär definierte Speisekarte: Den Anfang machen Brot und Butter, dann folgt „Hello“, das ist eingelegtes Gemüse, „Tatar“ auf einem kross gebackenen Ring, „Homer“ ist eine geschmacksintensive Mischung aus Donut und Bagel und darf nicht mit Messer und Gabel gegessen werden, sonst muss man einen Grappa vom Küchenchef Andrius Kubilius trinken, der mit vorwurfsvollem Blick an den Tisch gebracht wird.
„Asparagus“ ist das, was es ist, mit einer Beurre blanc und Kräuteröl, die „Dumplings“ schwimmen in würzigem Sud, „Cucumber“ ist etwas unspektakulär, „Beef“ ist das, was es an guter Qualität hergibt. „Ants“ – ja, Sie haben richtig gelesen – ein paar tiefgefrorene Ameisen sind auf dem Dessert, einer aufgeschlagenen Creme. Sie geben der leichten Süße einen ungewöhnlich sauren Unterton. „Porcini“, also Steinpilze, und „Cracklings“ sind simple, feine Snacks. Es herrscht ein entspannter Ton in der offenen Küche und im Service. Doch Vorsicht, manchmal wird man als Gast fast unbemerkt ein wenig hochgenommen.
Das kann im Neringa nicht passieren. Die jungen Service-Mitarbeiterinnen sind sehr gewissenhaft bei ihrer Arbeit. Die Ente ist herrlich zart, die Garnelen werden am Tisch zubereitet mit ernsthafter Mimik. Sie kämpfen mit der Materie, wie dem Korkenzieher, sind zu den Gästen dabei sehr nett. Im anschließenden Saal steht eine Band mit Sängerin auf der Bühne und sie geben ihr Bestes. Die Separees, rechts von der Bühne, sollen angeblich mit Wanzen gespickt gewesen sein, um nichtkonforme Menschen abzuhören. Das Restaurant ist mit seiner Inneneinrichtung ein etwas schwermütiges Zitat aus vergangenen Zeiten, das Interieur lässt den Schick der Sowjetzeit erkennen. Und ist gleichzeitig Ausdruck des Willens, sich den neuen Zeiten zu stellen. Und natürlich gibt es auch hier wieder Kaviar.
Zeitgemäßer Service ist auch für das Team vom Augustin selbstverständlich. Zum Lunch servieren sie immer eine Suppe, ein warmes Gericht wie z.B. hausgemachte Pasta und eine Gemüseoption. Die Suppe ist meist die „Pink Soup“ oder auf Litauisch Šaltibarščiai: eine kalte, cremige Rote-Bete-Variante, die Kult ist. Fast alles Gemüse kommt – wie in Berlin angesagt, so auch hier – von lokalen Landwirten. Die litauischen Weine sind Fruchtweine, von Apfel- und Heidelbeerweinen bis hin zu dunklen Johannisbeer- und Kirschweinen. Es empfiehlt sich deshalb, einen Naturwein zu wählen, die meisten kommen aus Italien. Die Pasta mit Fleischbällchen auf der Terrasse dazu genossen, machen einfach zufrieden.
Mehr als das, einfach nur Glücksgefühle, erzeugt eine Ballonfahrt. Morgens um fünf Uhr geht es los. In der Morgendämmerung werden die Ballons mit heißer Luft gefüllt und dann geht es in die Höhe. Man schwebt über Vilnius, über der Altstadt und dem neuen Zentrum, fährt über Wälder. Und Profi-Pilot Giedrius Leškevičius geht soweit runter, dass man die Baumwipfel berühren kann. Für ihn sind die Lüfte seine wahre Liebe. Er ist ein weltgewandter, humorvoller Mensch, der gern auch mal ein paar Gesangseinlagen gibt. Nach einer Stunde Fahrt wird ein Stück Haar abgeschnitten und verbrannt. Was für ein Champagner nach der Landung auf der grünen Wiese angeboten wird, spielt kaum noch eine Rolle. Es geht mit einem Zertifikat und dem Titel „Duchess from Vilnius“ zurück nach Berlin. Viel mehr geht nicht!
Radisson Collection Astorija Hotel
Didžioji g. 35-2, Vilnius, LT-01128, www.radissonhotels.com/de-de/hotels/radisson-collection-vilnius-astorija
Flower Couture
Grand Hotel Vilnius
Universiteto g. 14, Vilnius, LT-01122, www.hilton.com/de/hotels/vnodeqq-grand-hotel-vilnius
Peronas
Geležinkelio g. 6, Vilnius,
House of Histories
T. Kosciuškos g. 3, Vilnius, LT-01100,
Eskedar Coffee Bar
Pilies g. 26, Vilnius, LT-01123,
Nineteen18
Dominikonų st. 11, Vilnius,
Neringa
Gedimino pr. 23, Vilnius,
Augustin
Didžioji g. 18, Vilnius, LT-01128,
Oreivystės centras | Ballooning
14. Litauische Gastronomiewoche
Vom 4. bis 10. 11. 2024 brachte das Festival die besten Restaurants von Vilnius zusammen
Nicht nur der EssPress hat die zunehmende Innovation der litauischen Küche erkannt, sie hat weltweit Aufmerksamkeit erregt. Food-Enthusiasten und -Profis haben begonnen, die kulinarische Szene in Vilnius zu erforschen. Vom Guide Michelin ausgezeichnete Lokale wie Nineteen18, 14 Horses, Stikliai, Stebuklai, Fabrikėlis sowie viele andere innovative Restaurants nahmen an der diesjährigen Gastronomiewoche teil. Unter dem Motto Litauische Aromen standen Zutaten aus der Region wie Wurzelgemüse, Wildkräuter, Pilze und Beeren im Mittelpunkt, die von visionären Küchenchefs zu kreativen neuen Gerichten verarbeitet wurden. In diesem Jahr hat das Festival nicht nur die litauische Küche in den Mittelpunkt gestellt, sondern auch die kulinarischen Traditionen der Litauer (litauisch-jüdisch) gewürdigt, zu denen auch der legendäre Bagel gehört – ein Beitrag, der die globale Küche geprägt hat. Während der gesamten Woche hat jedes Restaurant frischen, lokalen Produkten den Vorzug gegeben und gleichzeitig Litauens einzigartige Mischung aus Geschichte und Innovation gefeiert. Diese Veranstaltung bot Feinschmeckern eine außergewöhnliche Gelegenheit, das Beste der litauischen Küche zu erleben.
Infos auf www.govilnius.lt/gastronomy-week-2024