Graz ist eine Stadt zum Anbeißen. Die Hauptstadt der Steiermark, einen Direktflug von Berlin entfernt, verknüpft südliche Gemütlichkeit mit höchster Professionalität. Abgelegen von Touristenströmen, hat sich die Region zu einem Kultur- und Genussland entwickelt. Das Eigenständige wurde hier immer schon gepflegt, die Qualität der Produkte kultiviert, der Genuss gelebt. Lotta Herrgesell, eine Grazerin in Berlin, hat für uns ein paar Tipps zusammengestellt
Genuss zwischendurch
Die besten belegten Brötchen der Stadt und des Landes gibt es im Herzen der Grazer City. Das Geschäft, 1932 von Herbert Frankowitsch gegründet, ist eine Institution. Ich kenne es seit meiner Schulzeit, als es allerdings noch ein Mini-Imbiss war. 1989 übernahm die Familie Heissenberger das damals noch sehr kleine Geschäft. Den alten Namen behielt sie aus Respekt, den Laden baute sie konsequent um und aus, jetzt schon in zweiter Generation. Die Brüder Stefan und Christof Heissenberger bieten derzeit 42 Sorten Brötchen an, mit Fleisch oder Fisch, vegetarisch oder vegan. Lieblingsbrötchen sind die mit Schinken und Kren (Meerrettich) und „das Serbische“, mit einem deftigen Aufstrich aus Wurst, Zwiebeln, Sauerrahm und Paprika. Dazu passt am besten frisch gepresster Orangensaft, der traditionelle „Pfiff“ vom Bier oder ein regionaler Wein. Natürlich gibt es auch Kaffee und seit einigen Jahren auch eine eigene Patisserie, die mittlerweile fast so populär ist wie die Brötchentheke. Dank der zentralen Lage trifft sich hier die Grazer Gesellschaft, um vom Bummeln zu verschnaufen, zu tratschen oder einfach nur, um zu genießen.
Delikatessen Frankowitsch
Stempfergasse 2-4, 8010 Graz,
Liebe, Leidenschaft und Lychee
Cho heißt Schmetterling auf Chinesisch und wie ein solcher flatterte Daniel Marg von Berlin nach Graz zu seiner Miss. Der junge Hamburger ist zu seiner Liebe nach Graz gezogen und verwöhnt nun als Küchenchef seit Mai 2018 alle Grazerinnen und Grazer, die den Weg in die Kellergewölbe unter dem bürgerlichen Restaurant Landhauskeller finden. Während das Traditionslokal nur „Keller“ heißt, sitzt man im Miss Cho tatsächlich in einem, umrahmt von imposanten Renaissance-Säulen. Tiefrote Farben, ein Baum und Wandmalereien vermitteln Club-Atmosphäre.
So unsteirisch wie die Einrichtung ist auch die Küche. Zuletzt arbeitete Daniel Marg mit Tim Raue, der hier auch seine Spuren mit „Wasabi Garnele Kanton Style“ hinterlässt, davor lernte er bei Deutschlands einzigem Sterne-Japaner Nagoya. Marg kocht panasiatisch, vor allem die Vielfalt der Sichuan-Küche, der japanische Purismus und die chinesische Schärfe haben es ihm angetan. Süße, Säure und Schärfe finden sich in jedem Gericht. Überzeugend war alles, was wir probiert haben, die Artischocke mit Purple Curry, der Spinatsalat mit Sesamdressing, Kabeljau, Beef und Lachs. Die Weinkarte ist spannend, aber noch ausbaufähig. Leidenschaft gibt es auch bei den Cocktails, wie dem Lychee Bellini, der „Asia Love“ mit Kardamom und Vanille und dem Wasabi Mule. Das Restaurant, das zur Grazer Aiola-Gruppe gehört, bietet Ambiente, Angebot und Ausführung auf Metropolen-Niveau, das man hier so nicht erwarten kann. Ein Glücksfall für Graz.
Miss Cho
Schmiedgasse 9, 8010 Graz,
G’spritzter Blick
Die Stadt Graz ist um den Schlossberg herum gruppiert. 123 Meter ist er hoch und diente seit dem 12. Jahrhundert als Festung – mal weniger erfolgreich (Napoleon), mal mehr (Türken). Der Schlossberg ist also historisch wie topologisch unübersehbar. Nirgends aber kann man ihn so entspannt betrachten wie von der Terrasse des Traditionskaufhauses Kastner & Öhler. Das hiesige Äquivalent zum KaDeWe hat in der 6. Etage das Tagescafé „Freiblick“ eingerichtet, mit Panoramablick auf den Berg und den darauf befindlichen Uhrturm, dem Wahrzeichen der Stadt.
Das Frühstück, von vegetarisch bis traditionell, ist nach Modemachern benannt, von Coco Chanel bis Karl Lagerfeld. Für den großen Hunger gibt es Burger, Sandwich und Filetspitzen. Viele aber sind mit Kaffee und Kuchen zufrieden oder löschen den Durst mit einem G’spritzten – leichter, säurebetonter Wein mit Mineralwasser gemischt.
Freiblick
Sackstraße 7-13, 8010 Graz,
Feines Wirtshaus
Im März 2018 hat ein junges Trio das seit 1923 existierende Wirtshaus übernommen. Die wunderschönen alten Räume sind liebevoll renoviert. Traditionelles Parkett, Holzvertäfelung und Thonet-Möbel schaffen edle Gemütlichkeit. Dynamisch dagegen sind die neuen Pächter, zwei Jungwinzer und ein Gastronomieprofi. Die Weinkarte erfreut mit ambitionierten regionalen Angeboten, darunter viele hervorragende Naturweine. Zu essen gibt es Klassiker, von der Frittatensuppe über Bachforelle, Wiener Schnitzel und Gulasch, aber auch Gelbe und Rote Rüben mit Heidensterz oder Kürbisravioli, bis zum Kaiserschmarrn. Jeden Samstag gibt es einen Restl-Brunch. Unter Grazern, die nicht immer sofort auf alles Neue anspringen, heißt es derzeit „Der neue Laufke soll sehr gut sein“. Ja, ist er.
Laufke
Elisabethstraße 6, 8010 Graz,
Traditionell steirisch
„Stört dich beim Arbeiten der Wein, dann lass das Arbeiten sein“. Dieser Spruch hängt zentral im Restaurant. Weitere Sprüche laden zum Schmunzeln ein, das zwanglose Ambiente und die Vielfalt der Speisekarte zum Genießen. Das gut besuchte Restaurant bietet Mittagsmenü und Abendtisch, die in Graz üblichen Klassiker vom Faschierten Laibchen über Schweinsbraten bis zum Backhendl, genauso wie steirische Tapas – dazu zählt auch eine Leberkässemmel. Wenn sie genau schauen, finden auch Vegetarier etwas zu essen, etwa ein Käferbohnen-Chili oder Rotkrautknödl mit Arzberger Stollenkäse. Das Angebot richtet sich nach der Saison, die Zutaten sind regional. Wem nicht nach Essen ist, schlürft an der Bar einen Kaffee oder shoppt Wein im angeschlossenen Laden.
Der Steirer
Belgiergasse 1, 8020 Graz,
Paradiesisch-Frisches von der Bäuerin
Dank 800 Stadtbauern gibt es in Graz europaweit die höchste Dichte an Markttagen. Hier bieten noch Agrarwirte selbst ihre aktuellen, frisch geernteten Produkte an. Meistens sind es übrigens Bäuerinnen. Der Kaiser-Josef-Markt an der Grazer Oper ist der herausragende Markt der Stadt. Schon die Auswahl an Äpfeln herrlich, von der Schafnase bis Kronprinz Rudolf. Salate, Bohnen und Rüben gibt es hier, aber auch frische Fische, Käse, Speck und Schinken sowie frisch gepresstes Kürbiskernöl, Tüten mit bereits gehobeltem Kürbis, Blumen, Brot und Mehlspeisen. Wer die knallroten kleinen Tomaten sieht, versteht, wieso man sie hier auch unter dem Namen „Paradeiser“ bestellen kann. Regionaler und saisonaler geht nicht.
Bauernmarkt Kaiser-Josef-Platz
Kaiser-Josef-Platz, direkt gegenüber der Grazer Oper,
Ein paar Ausflüge wert sind ...
Wer ein paar Tage mehr übrig hat, sollte die Umgebung erkunden. Ausflüge wert sind das beste Gasthaus der Welt, das
In Sankt Andrä im Sausal bietet der Pfarrhof exzellente Küche und Zimmer.
In Ehrenhausen steht das feine Restaurant
In Köflach kann man die Lippizaner besuchen, bevor sie in Wien die Touristen verzaubern.
In Heimschuh verkauft der Kürbiskernbauer
Im Angesicht der Riegersburg hat der oft kopierte und nie erreichte Schokoladen-Großmeister Zotter ein Museum errichtet, ein paar Kilometer weiter empfängt der edle Schnapsbrenner Gölles.
Wein gibt es im Überfluss, zum Beispiel in Gamlitz den zuletzt höchst-prämierten Sabathi, an der Weinstraße den international angesehenen Tement und noch viele andere großartige Weißweinbauern.