Johannes Paetzold ist in seinen alten Landrover Defender gestiegen, mit einer Finnlines-Fähre von Travemünde in 29 Stunden nach Helsinki übergesetzt und dann einfach Richtung Norden gefahren. Saunas, irre Finnen wie aus Kaurismäki-Filmen, Rentiere, Mitternachtssonne – gibt es alles. Aber vor allem für Foodies ist es eine Reise voller Überraschungen von Blutwurstgerichten bis zu veganen „Pulled Oats“-Produkten. Radiomann Paetzold hat sich in vier Städten umgesehen
First Stop Tampere
Der finnische Sänger Jaakko Laitinen von der psychedelischen Polkaband Väärä Raha führt uns in die historische Markthalle Kauppahalli. Dort wiederum schnurstracks zum Stand mit Tamperes verrücktestem Beitrag zur Regionalküche: Mustamakkara – Blutwurst, traditionell mit Preiselbeerkonfitüre und kalter Milch gereicht, gerne gibt es auch einen Donut dazu. Bestellt und abgeschnitten wird traditionell nach vorgegebener Geldmenge. Erst im Mund gibt diese Waschmaschinenbuntfüllung ihren Sinn, warme, weiche, kräftige Noten, überraschend ergänzt mit der süß-sauren Beeren-Konfitüre, abgelöscht mit Milch. Den Gaumen beruhigen wir nach Mustamakkara mit peruanischem Kaffee aus eigener Rösterei im Mokkamestarit. Hier will man abhängen, Bücher schreiben oder zumindest lesen. Und im Dream Hotel finden wir eine preisgünstige Unterkunft.
Tampereen Kauppahalli
Hämeenkatu 19 / Hallituskatu 10, 33200 Tampere,
Mokkamestarit
Verkatehtaankatu 9, 33100 Tampere,
Dream Hostel & Hotel
Åkerlundinkatu 2, 33100 Tampere,
Die Empfehlung Oulu
Küchenchef Sauli Kemppainen aus dem Savu am Ku’damm hat uns mit auf den Weg mitgegeben, unbedingt in seiner Heimatstadt Oulu auch den Nahkiainen zu probieren. Er gehört zu der Gattung Neunaugen, sieht aus wie ein kleiner Aal, schmeckt ähnlich, ist aber nicht so fett. Auch den finden wir in einer Kauppahalli (Markthalle), die im ganzen Land Treffpunkt von Einheimischen und Touristen, Moderne und Tradition ist.
Am Gourmet-Hot-Dog-Restaurant Jascal TMI vorbei, locken die Stände mit regional gepflückten Beeren. Nur kurze Zeit haben Finnlands Beeren, um ihre Kraft aus dem Boden zu saugen. Je kürzer diese Zeit, je intensiver die Sonne, je weiter wir also nach Norden fahren, umso intensiver wird der Geschmack frischer Blaubeeren.
Das Frühstück am nächsten Morgen gönnen wir uns im Hotel Nallikari, einer Insel, Oulu vorgelagert. Spektakuläres Design-Hotel mit merkwürdig konischer Turmkonstruktion vor dem Eingang, mit einem fantastischen Ausblick. Dazu gibt es zum Brunch Karjalanpiirakka, karelische Piroggen aus Roggenmehl, mit Kartoffeln, Reis und Möhren gefüllt, ein Nationalgericht. Die Produktion von Teer war in Oulu lange die wichtigste Einnahmequelle. Als Relikt zeugt davon heute noch die Eiskrem mit Teer-Geschmack, was man im Nallikari und natürlich ebenfalls in der Markthalle bekommt.
Oulun Kauppahalli
Kauppatori, 90100 Oulu,
Ravintola Nallikari
Nallikarinranta 15, 90510 Oulu,
Rovaniemi, Heimat des Weihnachtsmanns
War der Brunch in Oulu schon traumhaft, setzt das Arctic Light Hotel noch mehrere Sahnehäubchen drauf. Es wurde uns schon wegen des Frühstücks empfohlen. Beerenteigtörtchen, Rührei mit regionalen Kräutern, Säfte, drapiert auf Stufen. Und die Bandbreite finnischen Brotes von Roggen bis Knäcke. Das Arctic Light Hotel wurde von den Besuchern zum besten Hotel Finnlands gewählt, im Design bis fast zum Kitsch. Kein Wunder, Rovaniemi, am arktischen Polarkreis gelegen, ist Heimat von Santa Claus. Schon im Sommer strömen japanische Touristen in sein Dorf vor der Stadt. Wir sitzen hier bis in die frühen Morgenstunden, genießen lokales Bier, es wird nicht dunkel. Rentier gibt es hier in allen Variationen zu essen, als Gulasch, Filet, Suppe. Man muss tierisch (!) aufpassen, dass man nicht selbst zum unfreiwilligen Jäger wird, denn immer wieder laufen diese nicht gerade sehr intelligent wirkenden Tiere überall auf den endlos langen Straßen Lapplands plötzlich aus dem Gebüsch vor das Auto. Lappland im Sommer – von Essen bis Ausblick – ist noch ein unentdecktes Land, und preiswerter als im Weihnachtsrummelwinter.
Arctic Light Hotel
Valtakatu 18, 96200 Rovaniemi,
Hauptstadt Helsinki
In einem mexikanischen Restaurant in Oulu gab es Taco mit Pulled Oats. Wie Pulled Pork, aber hergestellt aus Hafer, erklärt uns Polka-Sänger Jaakko Laitinnen. Der Geschmack ist so revolutionär eigen, dass wir kurz vor Rückreise in Helsinki das Gold&Green besuchen, die Hersteller. Diese Fleischalternative wird tatsächlich hergestellt aus Hafer, Favabohnen und Erbsen. Keine Fermentationen, keine chemischen Zusätze oder Additive. Mitbegründerin Maija Itkonen streckt uns lachend Packungen mit Bolognese-Saucen entgegen. Die schmackhafte Proteinbombe ist in Finnland ein Renner, nächstes Jahr soll es Gold&Green auch bei uns geben.
In Helsinki können sich Foodies an die Hand, sorry, Gabel nehmen lassen, bei der „Fork in Hand“-Tour durch die Stadt. Natürlich führt der Rundgang auch hier durch alle wichtigen Markthallen der Stadt. Die Helsinki Distilling Company steht nicht auf dem Tourplan, bietet aber eigene und ausdrücklich empfohlene Touren an. Finnland ist ein Mekka für Gin-Distillerien. Mit der Helsinki Distilling Company in der Hauptstadt und der vielfach ausgezeichneten Kyrö Distillery im westfinnischen Isokyrö. Wahlspruch: In Rye We Trust!
Gold&Green Foods
Hämeentie 157, 00560 Helsinki,
Skafur Tour „Fork in Hand“
85-95 € p.P. für 4 Stunden, www.skafur-tour.fi/de/gabel-in-der-hand--kostproben-in-helsinki
The Helsinki Distilling Company
Työpajankatu 2a R3, 00580 Helsinki,
Kyrö Distillery Company
Oltermannintie 6, 61500 Isokyrö,