Mit ihren 9.508.776 Einwohnern ist sie wahrscheinlich die fressverrückteste Stadt der Welt. Martina Marx hat sich Tokio angeschaut und war von der Perfektion und der Vielfalt der kulinarischen Angebote in der Megacity so fasziniert, dass sie schon die nächste Reise dorthin plant
Im Shabu-Schlaraffenland
Liebe geht durch den Magen, deshalb waren Bill Murray und Scarlett Johansson im Film „Lost in Translation“ im Shabuzen essen. Hätten sie das All-you can-eat-Menü genommen, wären sie wahrscheinlich zusammengekommen und der Film hätte ein Happy End.
Das Restaurant ist der Inbegriff des Schlaraffenlandes, wenn man Fleisch liebt. Sukijaki ist ein japanischer Fleischtopf: Zuerst wird eine Brühe aus Sojasauce, Miso, Sake erhitzt, dann wird diverses Gemüse hinzugetan und schließlich werden dünne Rinderfiletscheiben in dem Sud gegart. Die Qualität des Fleisches unterscheidet sich. Da man aber nicht ständig in Japan ist, haben wir die teure Variante mit Wagyu Beef gewählt, von glücklichen Kühen, die Bier trinken dürfen und mit Bier massiert werden. In diesem Zusammenhang denke ich über meine nächste Reinkarnation nach! Der Topf war ein Traum, alles hatte hervorragende Qualität. Die Atmosphäre war hingegen recht sachlich, aber wir hatten sowieso nur Augen für unser fürstliches Mahl. Anstandslos wurde vom überaus aufmerksamen und freundlichen Service tatsächlich immer wieder nachgereicht, und immer bei wirklich hoher Qualität. Dazu gab es natürlich Bier, schon aus Solidarität mit den Kühen. Dieses Restaurant hat uns rund und glücklich gemacht.
Shabuzen
3-16-33 Roppongi, Minato 106-0032,
Ein Stern für eine Nudelsuppe
Während andere zur Arbeit eilen oder noch schlafen, stehen japanische Foodies bereits morgens um sieben Schlange vor einem unscheinbaren Restaurant in einen unspektakulären Stadtbezirk. Warum? Nur dort werden Ramen Nudeln vom Meister Onishi Yuki serviert, der wohl das einzige Nudelsuppensternerestaurant der Welt betreibt.
Zu früher Stunde werden Wartenummern verteilt, gegen acht Uhr hält man stolz eine solche in den Händen, und kann zur vereinbarten Zeit wiederkommen, aber auch hier gilt es, eine weitere Stunde zu warten, bis ein duftender Topf vor einem steht. Glücklicherweise darf der Gast auch zwei Suppen essen, wenn er vom Anstehen schon geschwächt ist, und das waren wir natürlich. Die Nudeln sind selbstverständlich hausgemacht, dann folgt die Qual der Wahl der Suppen, wir hatten als Signature Dish Shoyu Soba. Die Suppe besteht aus gereifter, zwei Jahre alter Sojasauce, welche nach einem spezielleren Rezept extra für das Restaurant hergestellt wird und einer Brühe aus Hühnchen und Muscheln. Hinzu kommen die warmen Nudeln und Lauch, Bambussprossen, Trüffelpüree, perfekt gegartes Ei und gegrillter Schweinenacken. Die zweite Suppe hatte eine andere Basis, hier waren die Grundlage Meeresfrüchte und Fisch. Dazu wählten wir diesmal kalte Nudeln. Alles schmeckte sehr abgestimmt, harmonisch, umami, ein Wort, was überhaupt auf gute japanische Küche zutrifft. Das zeitige Aufstehen hat sich jedenfalls gelohnt. Der frühe Vogel fängt die Nudel!
Tsuta
1 Chome-14-1 Sugamo, Toshima 170-0002,
Auch Tofu kann schmecken
Das Tofu-Restaurant Tofuya Ukai (eines von rund zehn Ukai-Restaurants) liegt verwunschen in einem Garten mit Pinienbäumen und Fischteichen mit Koi-Karpfen. Die Räume sind sehr traditionell eingerichtet, man sitzt in Separees auf dem Boden. Selbstverständlich werden die Schuhe ausgezogen. Der Gast wird in die Edo-Zeit versetzt und denkt, gleich erscheint der Tenno persönlich, er wohnt schließlich nicht weit.
Kulinarisch gilt: nomen est omen. Im Garten steht eine verglaste Küche, in der wird Tofu hergestellt. Dieser hausgemachte Tofu schmeckt traumhaft vollmundig und leicht süßlich und ist natürlich Hauptbestandteil des Menüs. Es wurde unter anderem frittierter Tofu mit süßer Miso gereicht, welcher unglaublich weich und leicht, aber eben auch knusprig schmeckte. Ein weiterer Höhepunkt war Tofu in warmer Sojamilch, welcher am Tisch von einer traditionell gekleideten Bedienung in einem großen Topf zubereitet wurde. Der seidige Geschmack war sensationell. Es gab noch andere Speisen wie Seeaal, eingewickelt in Bambusblättern, gegrillte Aubergine mit Sesamdressing und Sashimi. Aber der Fokus liegt auf Tofu und dessen beeindruckende Vielfalt. Es ließ sich hier vortrefflich speisen, besonders zum Lunch ist das Restaurant wegen des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses zu empfehlen.
Tofuya Ukai
2-18-10 Owadamachi, Hachioji 192-0045, Präfektur Tokio,
Filmreife Zubereitung
Durch dieses Restaurant wurde die Netflix-Serie „Chef’s Table“ ins Leben gerufen. Der Regisseur David Gelb filmte den alten Sushimeister Jiro Ono bei seiner Arbeit, bei der immer wiederkehrenden Tätigkeit des Reisherstellens, bei seinem Gang zum Tsukiji-Fischmarkt, die Entwicklung der besten Schnitte etc. Wenn man diesen Film gesehen hat und es einen nach Tokio verschlägt, muss man einfach versuchen bei Jiro zu essen. Die Zeit arbeitet gegen einen, denn der Meister ist bereits 92 Jahre alt.
Als der Guide Michelin 2008 zum ersten Mal einen Restaurantführer über Tokio herausbrachte, war die Skepsis der Japaner groß. Konnten Europäer ihre Küche verstehen, den Hang zur Perfektion, zur Reinheit, die permanente Wiederholung derselben Dinge, im Versuch sie zu verbessern? Jiro hat sofort 3 Sterne bekommen. Und das, obwohl das Restaurant in der U-Bahnstation Ginza liegt, 10 Plätze hat und auf den ersten Blick gar nicht prätentiös ist.
Um in die heiligen Hallen zu gelangen bedarf es einiger Mühe. Das Restaurant selbst nimmt keine Reservierungen von Ausländern an. Man muss mindestens einen Monat vorher über den Conciergedienst eines Luxushotels gehen, diesen möglichst anrufen, dort wohnen, etliche Formulare faxen, die Kreditkarte freigeben und viel Glück haben, damit es klappt.
Nach so viel Aufwand betritt man schließlich sehr aufgeregt zur vorgegeben Uhrzeit ganz pünktlich die heiligen Hallen. Gleich eilt der Service herbei und zeigt die englischsprachige Menükarte. Der Meister und sein Sohn erscheinen. Es gibt nur Omakase, was der Chef empfiehlt. 20 kleine Sushihäppchen werden nacheinander serviert, der Reis ist anders, etwas säuerlicher als normal, nicht kalt sondern in Zimmertemperatur, der Fisch perfekt, jeweils mit einer speziellen Sauce bestrichen, nicht etwa Sojasauce. Alles schmeckt sehr ausgewogen, die Zubereitung erscheint wie ein Balletttanz.
Aber man hat als Ausländer wenig Spaß, man wird als Gast zweiter Klasse behandelt, Rassismus mal anders. Mit den Stammgästen wird geplaudert, wir wurden eher ignoriert. Natürlich will man vom Meister persönlich bedient werden, uns bediente jedoch ausschließlich sein Sohn. Nach 45 Minuten ist man fertig und wird auch aufgefordert zu gehen. Nun, man muss wahrscheinlich Japaner und sehr Sushi-erfahren sein, um wirklich den Preis von 300 Euro pro Person wertschätzen zu können, das teuerste Drei-Sterne-Menü der Welt in Minuten gerechnet. Insofern blieb der Aufenthalt zwiespältig. Als Trophäe für Foodies ein absolutes Muss, aber ob es wirklich glücklich macht, muss jeder selbst herausfinden.
Sukiyabashi Jiro
Tsukamoto Sogyo Building, Basement Floor 1, 2-15, Ginza 4-chome,