„Auch für das Auge muss etwas geboten werden“
Danilo Dürler sitzt bereits am Tisch. Er hat im Restaurant Capvin zuvor schon gearbeitet, er hat die Räume, das Innendesign fotografiert. Dürler ist einer der zwei Köpfe der Designagentur, die sich auf Gastronomie spezialisiert hat. Der andere ist Oliver Bischoff, der gerade keine Zeit hat.
Das Designkonzept für das Coda legt den Fokus auf die Gerichte. Das Licht fällt auf den Tisch, auf den Teller, es gibt kaum eine Ablenkung von den Speisen. Die Farben der Inneneinrichtung sind dunkel, beim Mobiliar herrscht eine klare, simple Linie vor, alles wirkt hochwertig, ohne Übertreibung, ohne Schnörkel.
Ganz anders im Capvin, und doch auch wieder typisch für die Handschrift der beiden Designer: Der gelbe Tresen – der ist für jede und jeden von außen sichtbar. „Er hat Signalwirkung. Die Leute bleiben stehen oder halten kurz inne, das ist das, was wir wollen.“ Denn, so erklärt Dürler weiter, die hiesige Gastrolandschaft sei groß. Gerade der Weinbergsweg ist ein Beweis. Hier reiht sich ein Restaurant, ein Imbiss, ein Café an das andere. „Dann muss man ein Zeichen setzen.“ Das haben sie nicht nur mit dem gelben Tresen erreicht. Auch die Pizzakartons dahinter stapeln sich an einer Wand und ergeben ein grafisches Element. Klare Linien, einfache Tische und Stühle aus hochwertigen Materialien sind obligatorisch.
Kann Design den Appetit verderben? Daran lässt der Designer keinen Zweifel. „Wenn das Interieur nicht auf das Produkt abgestimmt ist, kann das die Gäste überfordern. Auch für das Auge muss etwas geboten werden. Zu viel Action, zu viele Reize kann kontraproduktiv sein. Wir spielen gerne, aber dezent mit Effekten, mit Kontrasten.“ Typisch für ihr Interior-Design ist, dass die Gäste immer etwas neues, ein Detail erkennen können, vielleicht nicht gleich beim ersten Mal, aber nach und nach, so dass jeder Besuch wieder eine Überraschung parat hat.
„Wir versuchen bei unseren Vorgesprächen, im Vorfeld etwas Besonderes herauszukitzeln, ein Markenzeichen zu kreieren und ein Statement zu setzen.“ Ob Pizzaschuppen oder Sternerestaurant? Für Dürler und Bischoff ist es immer die gleiche Herangehensweise. Und so haben sie sich mit Jan Hunke, dem deutschen Geschäftspartner von Vincenzo Capuano, dem Pizzaweltmeister aus Neapel und Chef von Capvin unterhalten und so erfahren, was und wohin er mit seinem Unternehmen will. Die beiden haben eine zweite Filiale in Bielefeld eröffnet und weitere sollen folgen. „Systemgastronomie ist mittlerweile unser Schwerpunkt. Früher, also zu Beginn 2006, war es eher Individualgastronomie. Wir haben viele Gastronomen kennengelernt, die selbst als auch ihre Konzepte einzigartig waren. Wir haben viele Ideen kreiert und Erfahrungen gesammelt.“ Oft hatten die Gastronomen den Plan, nach dem ersten Laden einen zweiten zu eröffnen. Die Realität zeigte dann, was alles zu einem Unternehmen dazugehört. Nicht nur die Immobilie, die Einrichtung ist für ein erfolgreiches Unternehmen ausschlaggebend, das Personal, die Finanzierung, die Abläufe – ein komplexes Unterfangen.
Für ett la benn folgte daraus der nächste Schritt. Die beiden Designer arbeiteten mit Gastronomen zusammen, die bereits das Know-how, die Erfahrung besitzen und ihr Vorhaben mit dem nötigen finanziellen Background planen, denen das operative Geschäft geläufig ist. Sie seien aber auch mit Gastronomen gewachsen. Zum Beispiel mit Bao Khanh Bui, dem Chef von der PHO Noodlebar. „Als wir das als singuläres Konzept angefangen haben, ahnten wir schon, dass es weitergehen wird.“ Mittlerweile sind es drei Restaurants und der Bubble-Tea-Laden TUDO. Mit der Zeit merkten sie schnell, ob jemand fokussiert an die Sache ran geht. Auch wenn der zeitliche Rahmen zu eng gesteckt ist, „wenn wir zu spät hinzugezogen werden, zwei Monate vor Eröffnung, machen wir das nicht“.
Doch bei Maximilian Kochen und Andreas Tuffentsammer von Beets & Roots waren sie sich sicher. Gerade wurde die neunte Filiale eröffnet, die von ett la benn gestaltet wurde. Es war der Wunsch der beiden Gründer, die neuen Filialen massentauglich, also multiplizierbar zu gestalten, die ersten vier wurden noch von einem anderen Studio entworfen. Es geht darum, Ausbaugeschwindigkeit zu erhöhen, die Kosten zu reduzieren, die Filialen überall erkennbar zu machen, also ähnlich zu gestalten, mit kleinen Anpassungen. Heute sind ett la benn bei Beets & Roots an dem Punkt angekommen, an dem die Grundaussage gesetzt, die Grundausstattung festgelegt ist, die Gestaltung und Materialien gleich bleiben. Die Grundstruktur wurde angepasst: Wo ist der Counter? Wo ist der Point of Sale? Wo nimmt der Gast sein Essen in Empfang, wo wartet er, wo setzt er sich hin, wo gibt er sein Geschirr zurück? Laufwege müssen stimmen, damit man sich nicht in die Quere kommt. „Ein individuelles Detail ist aber nicht ausgeschlossen.“
„Wir nehmen keine Jobs an, wenn wir das Konzept nicht gut finden, wenn wir uns nicht damit identifizieren können.“
So funktionieren Franchise-Unternehmen: Konzepte und Filialen sind überall, in allen Städten erfolgreich. Auch global gesehen gibt es keine großen Gestaltungsunterschiede. Für die Designer macht es also keinen Unterschied, ob Beets & Roots in Stuttgart oder Hamburg existiert. Ob eatDoori in Düsseldorf, Köln oder Frankfurt existiert oder ob in Japan ein Imbiss, der deutsche Wurst verkauft, aufmachen wird. „Wir legen unser Augenmerk auf die Lage und prüfen welchen Einfluss wir nehmen können, welche Blickachsen wichtig sind.“ Die falsche Straßenseite, eine Ampel kann den Gästefluss beeinflussen, so dass niemand an einem Laden vorbeikommt.
„Wir nehmen keine Jobs an, wenn wir das Konzept nicht gut finden, wenn wir uns nicht damit identifizieren können.“ Und so ist auch die Zusammenarbeit mit Lebenswelten – eine gemeinnützige Organisation, die integrativ mit Menschen mit Behinderung arbeitet – zustande gekommen. Gemeinsam haben sie den Pitch für das Bistro und Berlin Café in der Berlin Ausstellung im Humboldt Forum gewonnen. Wie immer ist die Handschrift klar, fast schon puristisch, das Konzept der beiden Designer erkennbar. Klar ist auch, dass jedes Projekt in der Realität, im alltäglichen Ablauf eine Eigendynamik entwickelt. Es werden Accessoires platziert, Mobiliar verrückt und auch neues Mobiliar etabliert. „Deshalb versuchen wir zeitnah Fotos zu machen, damit man deutlich erkennt, was unser Konzept war.“ (emh)
ett la benn
Coda
Capvin
Lebenswelten im Humboldt Forum Berlin