„Ich sehe zu, dass ich das Schlimmste abwende“
Unwürdige Arbeitsbedingungen und ein Lohn unterhalb des Existenzminimums. Laut der jüngsten Studie von Oxfam bilden deutsche Supermarktketten, was Menschenrechte betrifft, das Schlusslicht. Ole Plogstedt, bekannter TV-Koch, Caterer und Oxfam-Botschafter, erklärt im Gespräch die Ursachen des Problems
Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Oxfam
Kann man Sie als Testimonial für Oxfam bezeichnen?
Ole Plogstedt: Ein Testimonial verdient mit Werbung Geld, das mache ich nicht. Ich bin Oxfam-Botschafter. Ich sehe es als meine Aufgabe an, als Botschafter die Ergebnisse und das Anliegen von Oxfam an die Frau und den Mann zu bringen.
Was hat Sie als Koch dazu veranlasst, bei einer internationalen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation dabei zu sein?
Ich war mit Oxfam zwei Mal in Ecuador. Es ist zwar nicht so, dass ich nicht vorher wusste, dass der Handel oft mit Ausbeutung einhergeht, man muss dafür nicht extra nach Ecuador fahren, trotzdem ist es natürlich krass, das mit eigenen Augen zu sehen. Kurz zum Hintergrund: Ecuador ist der größte Bananenlieferant weltweit. Und dass die Kinder von den Bananenarbeitern, die seit Jahren mit Pestiziden konfrontiert werden, größtenteils behindert zur Welt kommen, das ist kaum im Bewusstsein der Konsumenten. Ich habe in einer der Schulen gestanden und habe es mit eigenen Augen gesehen. Das bleibt eindrücklich in Erinnerung. Und diesen unmenschlichen Sachverhalt versuche ich als Botschafter zu vermitteln.
Oxfam hat in seiner gerade erschienenen Studie 16 der größten und am schnellsten wachsenden Supermärkte der Welt unter die Lupe genommen. Dabei ging es um darum, ob die Supermärkte genug dafür tun, dass bei der Herstellung ihrer Lebensmittel die Menschenrechte eingehalten werden. Und die deutschen Ketten Aldi, Lidl, Rewe und Edeka sind Schlusslichter.
Wie hat es Thilo Bode von Foodwatch mal so treffend ausgedrückt? Er sagte: In dem Moment, in dem wir einen Supermarkt betreten, muss uns bewusst sein, dass wir ab jetzt beschissen werden. Und er hat ja recht. Das betrifft zum einen Dinge wie Mengenangaben von Zucker auf den Cornflakes-Packungen, die so zurückgerechnet werden, dass es nach wenig aussieht. Und alle wehren sich gegen die Ampel (die Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen soll z.B. Fette, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz angeben. Anm. der Red.). Genauso unübersichtlich sieht es leider mit den Produktionsbedingungen der Lebensmittel aus. In vielen Produkten, die wir kaufen, sind Leid und Ausbeutung unsichtbare Zutaten.
Man kann doch nicht von mir als Verbraucher erwarten, dass ich mit einem Computer in den Supermarkt gehe, mir viel Zeit nehme und mit einer Lupe alles durchlese, alles recherchiere, um mit Glück herauszufinden, was wirklich hinter dem Produkt steckt. Das ist ein systematischer Fehler. Es sind letztendlich Gesetzesänderungen notwendig. Der Staat müsste mit seinen Mitteln eingreifen. Der Staat müsste dafür sorgen, so dass Fairtrade und Bio nicht teurer angeboten werden als konventionelle Produkte. In diesem Moment würde die Wirtschaft umlenken. Sie funktioniert profitorientiert. Da wundert es kaum jemand, dass die deutschen Firmen das Schlusslicht bilden. Aber wenn man sich die Supermärkte in anderen Ländern mal anguckt, so viel besser stehen die auch nicht da. Da gibt es kaum jemand, der eine eigene Verantwortung hat, oder wenn er sie hätte, dann würde er auch Umsatzeinbußen haben.
Der Verbraucher kann es doch letztendlich nicht alleine verantworten, wie die Lebensmittelbranche funktioniert.
Es ist ein Fehler im System. Eine Mutter mit zwei Kindern, die noch drei Minijobs hat, um überhaupt über die Runden zu kommen, die kann es sich nicht leisten, nur im Bioladen einzukaufen. Grundsätzlich haben wir uns damit abgefunden, dass Ausbeutung und Nicht-Bio normal ist. Was aktuell zertifiziert wird, was ein Label kriegt, sind Fairtrade-Sachen, in denen keine Ausbeutung drinsteckt, das ist immer noch ein Nischenprodukt, genauso wie die Bio-Ware. Normalerweise müssten doch Sachen deklariert werden, wo Gifte oder Zusatzstoffe drin sind. Ich erwarte, dass in den Produkten, die ich kaufe, keine Ausbeutung drinsteckt, das ist kein nice-to-have, sondern eine Grundvoraussetzung.
Können Sie sich noch an den Aprilscherz dieses Jahres erinnern, wo es die Meldung gab, dass der Entwicklungsminister den Fairtrade-gehandelten Kaffee nicht mehr besteuern will?
Das wäre zum Beispiel schon mal ein Schritt. Aber es werden einem immer nur Brocken hingeworfen. Da werden Projekte, wie z.B. die Fairtrade-Stadt Hamburg, vom Staat finanziell unterstützt und der feiert sich dafür, während er der Ausbeutung und Profitgier im Handel Tür und Tor geöffnet hält. Das ist Augenwischerei. Ich finde, immer wenn das Wort Fairtrade fällt, müsste das mit einer Empörung einhergehen, dass es so etwas überhaupt geben muss. Es geht hier um Menschenrechte und die sind nicht verhandelbar! Wir können doch nicht, damit wir die schönste Banane haben, die keinen schwarzen Fleck auf der Schale hat, in Kauf nehmen, dass Kinder behindert zur Welt kommen, dass Leute ausgebeutet werden, dass sie keine Arbeitsverträge kriegen oder gleich Blankozettel unterschreiben müssen. Die Latte ist ja lang an Aufregern. Da wird überhaupt nichts gemacht.
Dass es geht, sieht man ja zum Beispiel an den Nichtraucherschutzgesetzen. Ich finde das ja super, dass in Restaurants nicht mehr geraucht werden darf. Aber nehmen wir eine Kneipe, wo seit Jahren die Leute hingehen und rauchen und auch der Barmann Kette raucht. Und um den zu schützen, darf jetzt auch in solchen Läden nicht mehr geraucht werden, das ist per Gesetz so eingeführt worden. Es ist aber offensichtlich den Gesetzgebern scheißegal, ob an der Elfenbeinküste Kinder versklavt (!) werden, um den Kakao zu ernten. Da wird kein Riegel vorgeschoben, das darf man weiter importieren. Das ist absolut inkonsequent.
Und wenn wir uns mal das Grundgesetz ansehen, da steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich meine, selbst unsere Würde wird ja teilweise angegrabscht, aber die Würde von denen, die nicht in Deutschland wohnen, die unsere Bananen undsoweiter produzieren, die wird ja regelrecht mit Füßen getreten.
Aktuell beschäftigt uns die Diskussion der Migration und Völkerwanderung. Ist sich Europa der Verantwortung bewusst, dass das auch die Folge unseres Konsumverhaltens ist?
Zum einen produzieren wir Waffen ohne Ende – und zwar mehr denn je – und machen nichts, was wirklich die Ursachen bekämpft. Wir entziehen den armen Ländern seit der Kolonialisierung die Möglichkeit, sich gleichberechtigt an der Weltwirtschaft zu beteiligen. Das geht so weit, dass sie sich nichts mehr zu essen kaufen können. Und dann werden sie hier abfällig als Wirtschaftsflüchtlinge betrachtet. Alle haben Angst, dass ihnen etwas weggenommen wird, aber dass wir fast schon seit Jahrhunderten den armen Ländern etwas wegnehmen, das sieht keiner.
Nehmen wir doch nur das Verhalten der Konzerne, um Steuern zu sparen. Zahlreiche Konzerne besitzen irgendwo Briefkastenfirmen, um Steuern ohne Ende zu vermeiden. Das sind Milliardenbeträge. Und letzten Endes werden wir bzw. sind es alle anderen, die ausgebeutet werden. Selbst der Mittelstand wird ja von dieser Milliardenindustrie ausgebeutet. Aber trotzdem hauen wir, obwohl wir von denselben Mächten ausgebeutet werden wie die Flüchtlinge, auf die Flüchtlinge ein. Anstatt dass sich alle zusammentun und der Industrie das Geld wegnehmen.
Wenn man sich mal überlegt, wie viel eine Million und wie viel eine Milliarde ist. Eine Million kann man durchaus mit ehrlicher Arbeit verdienen. Bei einer Milliarde glaube ich nicht, dass das geht, ohne andere auszubeuten. Es hört sich aber trotzdem fast gleich an: Mehrfacher Millionär und mehrfacher Milliardär. Aber wenn man diese Zahlen mal in Sekunden umrechnet, dann hat eine Million 11,57 Tage. Und wenn man eine Milliarde umrechnet in Sekunden, dann kommt man auf knapp 32 Jahre. Das ist die Diskrepanz zwischen Million und Milliarde. Da frage ich mich, warum muss es Milliardäre geben? Warum nicht mal eine Obergrenze für Reichtum einführen? Zum Beispiel 100 Prozent Steuern irgendwann ab einer halben Milliarde Einkommen.
Und solange es auf der Welt Leute gibt, die hungern – und das ist ein Siebtel der Weltbevölkerung –, und andererseits Leute, die Milliarden haben, dann ist das eine Frage von Macht. Man wird ja nicht wirklich reicher, wenn man noch eine Milliarde mehr hat. Das ist nur eine Machtfrage. Das finde ich unerträglich.
Wir sind in Deutschland nicht bereit, etwas auszuprobieren, was unserer Gesellschaft neue Perspektiven aufzeigen würde, wie z.B. das bedingungslose Grundeinkommen.
Einmal das und vor allem könnte dann eine alleinerziehende Mutter wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Die Industrie weiß sehr wohl, dass die Automatisierung der Produktion und der Einsatz von Robotern Arbeitsplätze reduziert. Irgendwann gibt es nicht mehr genug Arbeit für die wachsende Weltbevölkerung. Das heißt in der Konsequenz, der Industrie gehen letzten Endes diejenigen flöten, die das Geld ausgeben können. Von daher ist das fast schon eine logische Grundkonsequenz. Damit beim bedingungslosen Grundeinkommen nicht alles exorbitant teurer wird, müsste staatlicherseits natürlich reguliert werden. Vielleicht wäre ja auch eine bedingungslose Grundrente ganz sinnvoll.
Dann müsste sich keiner Sorgen machen, unabhängig ob er viel Geld verdient und viel in die Rentenkasse bezahlt hat oder kaum was zurücklegen konnte.
Ich finde es auch in Ordnung, nichts zu machen. Es ist doch toll, wenn man kein schlechtes Gewissen haben muss und sich nicht an den Rand der Gesellschaft gedrückt fühlt. Ich glaube, bei einem bedingungslosen Grundeinkommen würden sich viele Leute karitativ engagieren können, die könnten Künstler werden, die könnten Bilder malen ... Ich glaube, das würde die Welt ein bisschen friedlicher machen, gerade wenn so dieser Druck raus ist.
Leistung und Wachstum – das sind die Grundprinzipien der Wirtschaft.
Wozu brauchen wir denn Wachstum? In manchen Bereichen bestimmt. Aber man kann doch auch Autos bauen, die einfach lange halten, oder Fahrräder oder Geräte, die nicht nach zwei Jahren kaputt gehen. Da sind wir wieder an dem Punkt angekommen, dass die Industrie nur auf Profit, auf Geld aus ist.
Kommen wir zurück zum Lebensmittelmarkt …
Und vielleicht würde sich dann auch etwas an der Ausbeutung und den Menschenrechten ändern, wenn diese Wahnvorstellung, wir müssen Wachstum haben und wir müssen uns steigern und mehr Profite machen, mal zu Ende geht. Und man sieht ja jeden Tag im Supermarkt, dass die Bananen halb so teuer sind wie die Äpfel, die von hier kommen, obwohl sie weitaus aufwendiger geerntet werden und dann auch noch um die halbe Welt geschifft werden müssen. Und trotzdem steigen die Profite bei den Bananen.
Die Oxfam-Studie zeigt, dass die Gewinnmarge wächst und das Einkommen der Produzenten vor Ort stagniert oder sogar zurückgeht.
Ganz genau. Ich erwarte eigentlich von jedem, der es sich leisten kann und auch ein bisschen nachdenkt, dass er aufpasst, was er einkauft. Aber grundsätzlich ist die Welt dadurch nicht gerettet. Klar, wenn jetzt alle Bio kaufen würden, wäre das besser, aber ich glaube nicht, dass sich das Problem damit gelöst hätte. Die Verteilung der Gewinnmargen löst es zum Beispiel nicht. Ich glaube, das muss in erster Linie politisch angegangen werden.
Auch bei der Lebensmittelproduktion müsste man umdenken. Man kann nicht wie am Fließband Lebensmittel produzieren.
Wir gehen Freitagabend kurz vor Geschäftsschluss in den Supermarkt und die Fleischtheke ist voll mit allem, was das Herz begehrt. Das ist auch der Grund, wieso 25 Prozent der Fleischauslage weggeschmissen wird. Und früher war es so, da wurden Lämmer geschlachtet und dann gab es halt Lamm. Zu diesem Selbstverständnis müssen wir wieder hinkommen. Ich finde ja sowieso, dass Lebensmittel – gerade auch in Deutschland – viel zu billig sind. Argumentiert wird mit dem Verbraucher, der das so will. Ja klar, jeder guckt, dass er spart, jede Industrie guckt, dass sie Geld verdient. Das ist ja logisch, man muss ja irgendwie haushalten. Aber deswegen können wir ja nicht vom Verbraucher erwarten, dass er selbstlos ohne sein Budget zu betrachten nur noch Bio einkauft und da die Verantwortung übernimmt und die Industrie danach handelt. Das muss doch eigentlich umgekehrt sein. Das ist ja auch die Forderung in der Studie von Oxfam, dass die Supermärkte endlich eine Verantwortung übernehmen.
Wenn ich als Verbraucher bestimmte Produkte nicht mehr kaufe, bringt das letztendlich irgendetwas?
Wenn jetzt keiner mehr Bananen oder Trauben aus Südafrika kaufen würde, dann wären auf einmal ganz viele Familien komplett mittellos. Dann hätten diese Menschen gar nichts mehr, das ist auch nicht der Weg. Man muss deren Arbeitsbedingungen verändern und nicht Arbeitsplätze vernichten, indem man bestimmte Waren boykottiert.
Wie gehen Sie als Caterer damit um? Können Sie immer ihren Ansprüchen gerecht werden und Bioware verwenden?
Mir fällt das tatsächlich sehr schwer, da komplett konsequent zu sein. Ich sehe zu, dass ich das Schlimmste abwende. Ich kaufe keine Nestlé-Produkte und Coca-Cola hab ich rausgeschmissen. Dann sehe ich zu, dass ich keine Tiere aus einer offensichtlichen Massentierhaltung hole, wie diese Hühner für ein paar Cent oder Schweinefleisch, das dir hinterhergeworfen wird. Das ist ja günstiger als Paprika oder anderes Gemüse. Unfassbar, das ist so was von entwürdigend. In den Mengen, wie ich es brauche und auch überall kriege, ist es dann so was wie das Duroc-Schwein. Das ist viel teurer und seltener und da hoffe ich einfach, dass die besser gehalten werden.
Oder auch beim Aufschnitt, da weiß ich gar nicht was ich machen soll, da kriege ich die Mengen gar nicht. Das ist wie in der Industrie auch, ich muss wettbewerbsfähig bleiben. In dem Moment, wo eine Gesetzesänderung käme und wirklich alle die gleichen Grundvoraussetzungen hätten, dann würde ich entsprechend den Preis anpassen. Aber das wäre nicht schlimm, weil ja alle teurer werden würden. Wenn ich aber alleine die Preise anhebe, dann hätte ich vielleicht noch ein paar wenige Kunden, die das einsehen und sagen, das ist es mir wert, das unterstütze ich. Aber damit wäre ich nicht überlebensfähig.
Stichwort Nachhaltigkeit. Wie sehen Sie die Küchen, die Reste verwenden oder nur regionale Produkte. Ist das ein Nischenphänomen oder wird sich das mehr und mehr durchsetzen?
Manchmal kommt es mir ein bisschen wie so ein Trend vor. Wenn man genauer hinsieht, muss man erst mal gucken, ob die Tischwäsche auch Fairtrade produziert worden ist. Aber grundsätzlich finde ich es schon gut, es zeigt, dass das Bewusstsein wächst. Und durch Regionalität verhindert man, dass zu viel Kerosin verbraucht oder Schweröl auf Containerschiffen verheizt wird. Grundsätzlich ist das eine tolle Entwicklung. Aber man sollte sich nicht nur auf die Schulter klopfen, wenn man das macht, und dann ist der Fall für einen erledigt. Es muss viel tiefer greifen. Wir müssen demonstrieren, wir müssen uns dagegen aufstellen, wir müssen viel mehr machen. Wir lassen uns derartig verarschen, insofern ist das eigentlich immer nur so eine Schlechte-Gewissens-Bekämpfung, so kommt es mir jedenfalls manchmal vor.
Sie denken, es ist eine Art Trostpflästerchen unter dem Motto: Es läuft doch ganz gut.
Nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich finde es gut, dass der Trend dahin geht. Aber nochmal zu meinem Schlüssel-Erlebnis in Ecuador, wo ich die ganzen behinderten Kinder gesehen habe und die Schlussfolgerung war: Damit wir die perfekte, gleich aussehende, makellose Banane haben, kommen da Kinder behindert zur Welt oder sterben Leute oder werden krank.
Verhalten sich die Köche der Haute Cuisine anders?
Das ist ein schwieriges Thema. Wenn man den Michelin-Stern hat oder andere Bewertungen bekommt, wird grundsätzlich das bewertet, was auf dem Teller liegt. Das heißt, da wird nicht geguckt, was passiert mit den Abschnitten, da wird nur das allerbeste High-end-Produkt verwendet, ohne zu hinterfragen, was passiert denn mit dem Rest? Eigentlich müssten auch solche Restaurants bewertet werden, die ganzheitlich mit den Lebensmitteln umgehen, die auch mal ein Lebensmittel nehmen, das nicht ganz so perfekt ist, aber trotzdem das Beste rausholen. Das geht immer noch größtenteils unter. Ich will jetzt nicht alle über einen Kamm scheren. Ich kenne Sterneköche, von denen ich weiß, dass die gut damit umgehen, aber es sind lange nicht alle, die so verantwortungsbewusst arbeiten.
Eine kurze Nachfrage: Mit dem Fernsehen haben Sie jetzt abgeschlossen?
Nö, was heißt abgeschlossen? Von RTL2 bin ich weggegangen. Ich glaube, daran war auch so ein bisschen die Reise nach Ecuador schuld. Bei mir hat sich da auch einiges verlagert, da konnte ich dann nicht mehr so richtig dahinterstehen. Und zum anderen habe ich festgestellt, dass die Gastronomie, zumindest kleinere Restaurants, die was Tolles machen wollen, zum Scheitern verurteilt sind. Viele müssen den Staat bescheißen und ihre Leute mehr oder weniger ausbeuten um plus/minus null zu fahren. Das waren alles so Gründe, weshalb ich da aufgehört habe, aber das heißt ja nicht, dass ich nie wieder Fernsehen machen werde. Mir macht das ja Spaß.
Wenn ich wieder etwas mache, dann gerne tatsächlich etwas zum Thema Nachhaltigkeit, wo Aufklärung passiert. Ich möchte nicht mit dem erhobenen Zeigefinger herumlaufen, aber ich finde es schon spannend, den Leuten zu erzählen, wie es ist, und dann kann sich jeder sein eigenes Bild machen und seine eigene Konsequenz daraus ziehen. Ob er das Produkt noch kauft oder nicht oder ob er sich engagiert, wie auch immer. Jedes einzelne Lebensmittel hat ja eine Geschichte, da haben Leute mit zu tun, manchmal steckt da ganz viel Herzblut dahinter, manchmal sind da ganz viel geschichtliche Sachen dahinter und manchmal ist da aber auch ganz viel Skrupellosigkeit und Ausbeutung dahinter und Gier. So etwas könnte ich mir vorstellen, mal darzustellen. Dafür müsste es natürlich einen Sender geben, der bereit ist, das zu senden. (Lacht) Ich bin auch tatsächlich schon in Gesprächen, aber mal abwarten, wie es weitergeht.
Na, dann drücke ich mal die Daumen.
Aber ich hätte jetzt keine Lust, nur um im Fernsehen zu sein, irgendetwas zu machen. Aber abgeschlossen mit dem Fernsehen kann man jetzt auch nicht sagen.
Bei den älteren Formaten wie zum Beispiel auf Kabel eins ...
Da hat man gemeinsam gegen einen Lieferservice gekocht. Das war ein nettes Format, da konnte man auch so ein paar Sachen transportieren. Bei den Kochprofis ist es mir auch manchmal gelungen, z.B. kurz etwas über die Froschschenkelproduktion zu sagen, und das wurde dann auch reingeschnitten. Das war ganz spannend, dass man da auch mal was platzieren konnte. Ich hab immer gesagt, solange ich mich nicht verbiege und ich dahinterstehe und das gut finde, mache ich das und das konnte ich irgendwann nicht mehr.
In Berlin ist es so – ich weiß nicht, ob es in Hamburg auch so ist –, dass es z.B. durch den Mindestlohn und Fachkräftemangel für den kleinen Gastronomen ziemlich schwer ist über die Runden zu kommen.
Jetzt wird der Mindestlohn schon dafür verantwortlich gemacht, dass die Läden nicht mehr funktionieren? Das finde ich echt ein Unding. Verantwortlich dafür ist ja, dass generell ausgebeutet wird in der Gastronomie. Auch der ganze Fachkräftemangel, mal ganz im Ernst: Wenn die Gastronomen sagen, wir brauchen eine bessere Ausbildung. Nein, wir brauchen bessere Perspektiven für die Leute, die man ausbildet. Wir können doch nicht Fachkräfte ausbilden, um sie später mit einem Gabelstaplerfahrerlohn als Küchenchef abzuspeisen. Das geht doch nicht, da muss doch was passieren. Klar, da muss das Essen teurer werden und da muss mehr Bewusstsein her. In Frankreich, da fährt man mit einer alten klapprigen Ente – wenn auch nicht so oft – in ein tolles Restaurant und lässt es sich gut gehen und das ist es einem dann auch wert. Und in Deutschland fährt man mit einem dicken fetten Daimler vor die Currywurstbude und isst im Regen aus der Pappschale mit einem Plastikpieker seine Currywurst mit Pommes.
Also ehrlich gesagt, glaube ich ja auch, dass das ein bisschen damit zu tun hat, dass es auf Deutschlands Autobahnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich glaube, das hängt schon zusammen. Der deutschen Wirtschaft ist das Auto so wichtig, dass sie auch ganz viel dafür tut, dass es auch den Deutschen wichtig ist. Deswegen kann man sein Auto ja auch ausfahren auf der Autobahn und alles wird dafür getan, dass er sein Geld ins Auto steckt. Für einen Liter Motorenöl gibt der Deutsche mehr Geld aus als für einen Liter Olivenöl.
Ich glaube, was die Welt kaputt macht, ist auf der einen Seite die Gier und auf der anderen Seite die Dummheit – oder das Nichtwissen, sagen wir mal so.