„Als Quereinsteigerin stelle ich mir nie die Frage, was geht oder was geht nicht“
Maria Groß ist auch als TV-Köchin und Jurorin bekannt. Sie hat sich mit ihrem Lebensgefährten Matthias vor über einem Jahr selbstständig gemacht. Nach ihrer Karriere als Sterneköchin genießt sie heute die Freiheit, zu kochen, was sie will und für richtig hält. Bachstelze heißt das Restaurant, das auch Landgasthaus samt Biergarten ist. Wir haben sie in Berlin getroffen
Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Michael Hughes
Berlin ist keine unbekannte Stadt für dich?
Maria Groß: Ich habe hier fünf Jahre studiert, Philosophie und Gender Studies an der Humboldt-Universität. Und dann kam die Ablenkung
(lacht). Eigentlich wollte ich ja meine Masterarbeit schreiben, gedanklich war sie fast schon fertig. Jedenfalls habe ich in einem Privathaushalt im Grunewald gekocht.
Konntest du denn kochen?
Wenn du vom Dorf kommst, dann ist Kochen eine Notwendigkeit. Suppe, Kartoffelgerichte, Braten – das lernst du zuhause. Aber das Ehepaar, bei dem ich drei Jahre arbeitete, hatte so ein paar Spleens, was Ernährung betrifft, wie sie ihr Leben optimieren können. Ich bin ihnen dafür unglaublich dankbar. Denn so habe ich viele Ernährungsphilosophien kennengelernt: Ayurvedische Küche, Blutgruppendiät und das Lola-Prinzip von René Egli. Der hat mir einen Weg geöffnet. Wenn man so um 20 Jahre alt ist, dann fühlt man sich schon mal als Opfer und man ist nicht richtig im Flow. Ich habe gelernt, das Leben mit all seinen unerwarteten Herausforderungen anzunehmen.
Die Bachstelze ist von Anfang an eine sehr spezielle Herausforderung gewesen?
Da war nichts geplant. Das glaubt uns immer keiner. Wir haben Ende 2016 vier Wochen den Laden zugemacht und in Eigenarbeit alles so renoviert, wie wir es konnten, wie es irgendwie ging. Die ganze Familie hat nicht geglaubt, dass wir das schaffen. Aber für mich war klar: Am 1. Dezember machen wir auf und nehmen das Weihnachtsgeschäft mit, Punkt. Dann haben wir alles im Sichtbereich renoviert, Tag und Nacht gearbeitet. Ich bin den Handwerkern noch heute dankbar, dass sie die ganzen vier Wochen durchgehalten haben.
Ihr habt also alles mit eigenem Kapital aufgebaut?
Während dieser Zeit liefen dann auch die Gespräche mit den Banken. Zum Beispiel mit drei Herren der Aufbaubank. Das war wie ein Verhör. Das hat Nerven gekostet. Und irgendwann habe ich aufgegeben. Offen gesagt: Wir in der Gastronomie sind die Nutten der Dienstleistungsbranche. Nur haben wir keine Zuhälter. Diejenigen, die für uns zuständig sind wie die IHK (Industrie- und Handelskammer) und Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband), kümmern sich um ihren Machterhalt, aber nicht um die Belange der kleinen Gastronomen. Welcome in Germany!
Du spielst auf die ständig wachsenden bürokratischen Regularien an?
Das hat ein unermessliches Ausmaß angenommen, diesen ganzen Zettelkram auszufüllen. Wir sind doch Idealisten, die mehr Freiheit brauchen und nicht behandelt werden wollen wie ein weltweit agierender Fast-Food-Konzern. Überall Zettel mit Häkchen, Zahlen, Nummern. Wir müssen selbstbewusster werden – in zehn Jahren werden weitere kleine Restaurants schließen müssen, wenn die Ämter weiterhin so rigoros sind.
Hilft da nicht der Promi-Faktor?
Überhaupt nicht. Ich kann Geschichten erzählen – lassen wir das. Ich nehme die Fernsehauftritte gerne mit. Da bleibt die Bachstelze im Gespräch, solange der Hype um ein neues Gesicht anhält, nehme ich das dankbar an, um den Laden nach vorne zu bringen.
Lässt sich das denn zeitlich vereinbaren, die Fernsehauftritte wie „Kitchen Impossible“ und „Grill den Profi“ mit der Arbeitszeit in der Bachstelze?
Das sind rund drei Wochen Produktionszeit am Stück, dabei sitze ich unter anderem in der Jury von „Grill den Profi“. Tim Mälzer war der Türöffner, sodass die Medienwelt Maria Groß wahrnimmt.
Noch mal, du stehst alleine in der Küche?
Das ist eine Freiheit, die ich mir wieder erarbeitet habe, die Konzentration aufs Kochen, den Blick fürs Wesentliche. Dadurch, dass ich alleine bin, konzentriere ich mich aufs Wesentliche, lasse Punkte weg. Back to base – die Qualität leidet nie darunter, im Gegenteil. Vielleicht die Ästhetik.
Wenn man sich die Preise für das Bachstelzen-Menü ansieht, dann kalkuliert ihr sehr fair.
Wir lassen das ganze Chichi drum herum weg. Es gibt bei uns russischen Service. Das Essen wird auf Platten und in Töpfen serviert. Ökologie fängt bei uns am Tisch an. Als Quereinsteigerin stell ich mir nie die Frage, was geht oder was geht nicht.
Bachstelze
Hamburger Berg 5, 99094 Erfurt,