Treffpunkt für Apéro-Fan: Eins44 Aufmacher Eins44
Krisenbewältigung

Neue Zeiten, neue Angebote, neue Chancen

Nichts ist so, wie es mal war. Die Restaurants müssen die Teuerung der Waren, die Personalfrage und die gestiegenen Fixkosten bewältigen. Gleichzeitig versuchen die Gäste mit einer ähnlichen Realität klarzukommen und sparen – wie schon alle Analysen zeigen – beim Essen. Deutlich spürbar ist das in gehobenen Restaurants. Die reagieren wiederum mit neuen Ideen. Annika Schönstädt hat mal ein paar gesammelt

Im neu eröffneten Trio in der Linienstraße in Mitte ist derzeit kaum ein Tisch zu bekommen. Wer im Restaurant von Vadim Otto Ursus, Eva Alken und Clemens Roesch essen möchte, muss sich beeilen, sobald im Reservierungssystem neue Daten freigeschaltet werden oder auf Restplätze hoffen. Am Sonntag stehen die Chancen nicht schlecht.

Dabei handelt es sich beim Trio mitnichten um ein jüngst vom Guide Michelin, Gault & Millau oder den 50 Best kategorisiertes Lokal, sondern ganz einfach um ein modernes Wirtshaus. Zwar haben sich die Macher*innen mit dem Otto in der Oderberger in Prenzlauer Berg bereits einen Namen gemacht und ganz sicher hat es auch nicht geschadet, dass die New York Times das Trio als „stylish take on the German pub“ lobte. Dass in der durchgestylten Ecke zwischen Soho House und The Grand ausgerechnet ein Hype um deutsche Hausmannskost entbrannt ist, scheint jedoch gleichzeitig einen Nerv zu treffen, dem Berlins Gastronomie – bis hoch in die Sterneliga – derzeit gerne nachkommt: die Sehnsucht nach Bodenständigkeit.

Das Nobelhart & Schmutzig in Kreuzberg, sonst bekannt für Minimalismus auf dem Teller und als Namensgeber der brutal-lokalen Küche, führte im März den Fettschnitzel-Mittwoch ein. Für 30 Euro pro Portion (statt 175 Euro für das reguläre Menü) gab es ein Stück aus der Keule von einem Schwein vom Erdhof Seewalde. Oder wie es das Team um Wirt Billy Wagner und Küchenchef Micha Schäfer ausdrückte: „Ab sofort kriegt man im Nobelhart auch was auf den Teller, ohne dass man dafür gleich das halbe Erbe von Tante Ulla für eine Speisefolge aus 10 Gängen verpulvern müsste.“ Aktuell werden im Nobelhart am 12. und 19. Juli, am Hühner-Mittwoch, ganze Bresse-Gauloises-Hühner von Odefey & Töchter für 3 bis 4 Personen zum Teilen für 295 Euro angeboten. Pro Huhn wohlgemerkt, nicht pro Person. Beilagen gibt es inklusive satt.

Stulle Kassler Stulle Kassler
Stulle Käse Stulle Käse
Stulle Spargel Stulle Spargel

Dem Thema zugängliche Bodenständigkeit widmet sich Küchenchef Micha Schäfer seit Kurzem auch in Friedrichshain. Gemeinsam mit den Brotbäckern von Keit hat er drei Stullenvariationen mit Kassler vom Potsdamer Sauenhain, Käse von Urstrom und Spargel vom Syringhof kreiert.

André Macionga, preisgekrönter und ehemaliger Sommelier bei Tim Raue, bietet in seinem Ende 2022 eröffneten Restaurant Macionga in Wilmersdorf kein Fine Dining mehr an. Küchenchef Sebastian Leyer reagiert auf die aktuelle Situation mit 21 Gerichten auf der Karte. Unter dem Motto „Urkraft x 21“ können sich die Gäste entweder ein Menü selbst zusammenstellen, mit Freund*innen eine Auswahl auf den Tisch bringen lassen oder einfach nur eine Kleinigkeit bestellen und mit einem Glas Wein genießen, ob nun im Restaurant, an der Bar oder vor der Tür. Bei 8 Euro geht es los mit einem marinierten Römersalatherz mit Harissa-Vinaigrette und 12 Monate altem Bergkäse und bei 24 Euro kommt ein Dry Aged Entrecôte mit einer Beilage auf den Tisch.

Auch die Fahrt nach Neukölln ins Eins44 macht jetzt noch mehr Spaß. Denn der neue Küchenchef samt Team zelebrieren den frühen Abend auf der Terrasse und werden so zu einem Treffpunkt für Apéro-Fans. Julius Nowak hat sich kleine Gerichte einfallen lassen, z.B. Garnelen mit grünem Spargel und Zitrone, Sellerie Carbonara mit Wachtelei, Pulpo mit Gurke und Reischip oder Rindertatar mit Johannisbeerholz für geschmeidige 5 Euro.

Im exklusiven Supperclub le duc salon von The Duc Ngo gibt es neben den hochpreisigen Seafood- und Indochine-Menüs auch die günstigere Ramen-Variante, um das Pop-up kennenzulernen.

Neben aller Freude an der neu entdeckten, relativen Niedrigschwelligkeit und Lust am gut gemachten Klassiker dürfte bei den entsprechenden Angeboten aus den Restaurants der Premiumkategorie auch die zuletzt krisenbedingt gestiegene Preissensibilität der Gäste eine Rolle spielen. In Berlins einzigem Drei-Sterne-Restaurant Rutz werden Tische bis Ende Juli von Dienstag bis Donnerstag derzeit zum reduzierten Menüpreis von 265 statt 300 Euro (7 Gänge) und 285 statt 320 Euro (8 Gänge) vergeben. Im Horváth steht jeden Mittwoch und Donnerstag ein Vier-Gänge-Horváth-Klassiker-Menü inklusive korrespondierender Getränke und Wasser für 195 Euro zur Auswahl.

Im Trio hingegen ist die Bodenständigkeit alleiniges Gesamtkonzept. In schlichter Kantinen-Atmosphäre treffen sich dort junge Hipster und Ur-Berliner zu Senfei, Forelle Müllerin, Matjessalat oder Königsberger Klopse. Alle Gerichte sind frei von Neuinterpretationen oder anderem schmückenden Schnickschnack, sondern schmecken genau so, wie man es aus Omas Küche in Erinnerung hat. Schaut man sich den Andrang an, scheint genau das die Sehnsucht der Stunde zu sein.

Trio
Linienstraße 13, Mitte, www.trioberlin.net, Do-Mo 18-23 Uhr

Nobelhart & Schmutzig
Friedrichstraße 218, Kreuzberg, www.nobelhartundschmutzig.com, Di-Sa ab 18.30 Uhr

Keit – Stullen Bar
Grünberger Straße 75, Friedrichshain, www.keit.berlin, Sa 11-17 Uhr, So 11-16 Uhr

Restaurant Macionga
Xantener Straße 9, Wilmersdorf, www.restaurantmacionga.com, Do-Mo ab 18 Uhr

Eins44
Elbestraße 28/29, Neukölln, www.eins44.com, Aperitif-Menü: Di-Do 18-19.30 Uhr, Menü: Di-Sa 18.30-23 Uhr

le duc salon
Kantstraße 30, Charlottenburg, www.leducberlin.de

Rutz
Chausseestraße 8, Mitte, www.rutz-restaurant.de, Mo-Fr ab 18 Uhr, Di, Mi+Do reduzierter Menüpreis (bis 24.7.)

Horváth
Paul-Lincke-Ufer 44A, Kreuzberg, www.restaurant-horvath.de, Horváth-Klassiker-Menü: Mi+Do ab 18.30 Uhr, Menü: Mi-Sa ab 18.30 Uhr (Betriebsferien: 17.7. bis 3.8.)