Viele Wege führen zum Tee
„Interkulturelle Kommunikation“ als verpflichtende Fortbildung für alle im Berufsleben stehenden Menschen wäre eine sinnvolle Investition. Treibt man sich auf einer internationalen Messe wie der BioFach in Nürnberg herum, bekommt man eine Lektion gratis. Und entdeckt nebenbei noch interessante Lebensmittel aus aller Welt: Am Stand „Japan Street“ der Japan External Trade Organization (JETRO) erwarten die japanische Teebotschafterin Yumi Tanabe und der JETRO-Direktor Hiroyuki Kosuge die Autorin Susanne Salzgeber. Sie ist begeisterte Sencha-Trinkerin und freute sich auf den Termin
Herkunftsnamen wie Yakushima und Fukamushi sowie über hundert verschiedene Teepflanzen von Benifuuki bis Sofu verwirren selbst die interessiertesten Grünteetrinker*innen. Kein Wunder, dass die Deutschen ihren Puls lieber mit knapp 170 Litern Kaffee pro Kopf und Jahr beschleunigen, als sich an den kompliziert anmutenden Koffein-Lieferanten Tee zu wagen. Der Teekonsum in Deutschland liegt bei unter 30 Litern pro Kopf und Jahr. In Japan hingegen ist Tee aus dem Alltag nicht wegzudenken. Tee entspannt, er gehört zum Essen, man trinkt ihn einfach so und mehrmals täglich. Menschen treffen sich zum Teetrinken, zum Austausch.
Zurück zur „Japan Street“, die im Rahmen von JFOODO (Promotion von japanischen Lebensmitteln) auf der BioFach grünen Tee präsentiert: Nach der freundlichen Begrüßung schenkt man den ersten Grüntee ein. Yumi Tanabe und Hiroyuki Kosuge lächeln aufmunternd. Der Tee ist unerwarteterweise süß. Die beiden erklären, dass sie einen niedrigschwelligen Zugang zu Grüntee bieten wollen. Er soll angenehm unangestrengt schmecken. Der Ahornsirup, mit dem Frau Tanabe gesüßt hat, soll den Tee zugänglicher machen.
Frau Tanabe und Herr Kosuge wollen zeigen, dass Grüntee nicht hoch kompliziert sein muss, sondern ganz einfach in den Alltag integriert werden kann. Vielen Menschen, die Grüntees nicht gewohnt sind, ist purer Matcha einfach zu intensiv, Milch mache ihn milder – so die Erklärung für den angebotenen Matcha Latte zudem könne man Matcha-Pulver auch in Keksen und Kuchen verbacken. Besonders Matcha-Käsekuchen sei hervorragend, aber auch Tiramisu mit Matcha anstatt Kakaopulver und Kaffee. Oder man rührt Matchapulver einfach in Vanilleeis. Natürlich nimmt man zum Kochen kein teures Matchapulver sondern das günstigste. Das hätte außerdem den Vorteil, dass es bitterer ist und in Kombination mit Süße zu einem komplexeren Endprodukt führt. Günstigen Matcha bekommt man schon für 25 Euro pro 100 Gramm. Für hochwertige Matcha beginnt der Preis bei 50 Euro für 20 Gramm. Ein Sencha aus Kyoto – er duftet nach Algen, Heu, zart nach weißen Blüten und ist ein Genuss.
Kann man eigentlich Grüntee in der Thermoskanne warmhalten? Nein, ist die kategorische Antwort. Grüntee gehört immer frisch aufgegossen bei 60 bis 80 Grad Wassertemperatur, damit er die Farbe und die frischen Noten behält. In der Thermoskanne oxidiert er, wird bräunlich und verliert an Aromen. Aber wenn es ein Coldbrew-Grüntee ist, kann man ihn mit Eis in der Thermoskanne mitnehmen, da passiert nichts. Und je heißer das Wasser ist, mit dem man den Tee aufgießt, desto mehr Bitterstoffe lösen sich aus dem Tee. Zwei bis drei Minuten Ziehzeit sind ideal bei grünem Tee.
Doch es gibt mehr als Grünen Tee aus Japan. Die Teebotschafterin Tanabe hat am Abend vorher einen Cold Brew aufgesetzt. Sie hat die Blätter des WaKocha Yame Bennifuuki kalt aufgegossen und im Kühlschrank mit den Blättern ziehen ließ. WaKocha heißt „Schwarztee aus Japan“, Yame ist die Region, das Terroir und Bennifuuki die kultivierte Teepflanze.
Bei Schwarztee denkt man in erster Linie an Darjeeling oder Assam aus Indien aber nicht an Schwarztee aus Japan, der in Ostasien auch als roter Tee bezeichnet wird. Ob grün, weiß, rot, schwarz, der Ursprung ist bei allen Teearten derselbe: die Teepflanze Camellia sinensis. Und davon gibt es in Japan mehr als 100 verschiedene Kulturen. Genauso wie es bei Wein Rebsorten gibt, die in bestimmten Regionen auf speziellen Böden wachsen, so wird auch Tee von Terroir und Erntezeitpunkt bestimmt. Aber nur die Herstellungsart entscheidet, ob es ein Grün- oder Schwarztee wird.
Für Schwarztee werden die Blätter fermentiert, dadurch erhält er seine dunklere Farbe und den nussig kräftigen Geschmack. Während bei japanischem Grüntee die jungen Blätter nur gedämpft werden, um eine frische, zarte, eher an Heu und Algen erinnernde Aromatik zu behalten. Die Herstellung von Schwarztee sei teurer, erklärt die Teebotschafterin, weil sie wegen der Fermentation und Trocknung zwei Tage länger dauere. Der Geschmack und lange Nachhall des Coldbrew-Schwarztees begeistern mich, nussig mit einer natürlichen Süße, die Richtung Maroni geht. Der Vorteil beim Coldbrew: Die Tees zeigen keine Bitterkeit. Diese komme nur von zu heißem Wasser.
Eine weitere Regel: Je gebrochener die Blätter sind, desto bitterer wird der Tee. Aus ganzen Blättern lassen sich weniger Bitterstoffe extrahieren. Frau Tanabe und Herr Kosuge freuen sich über Schwarztee-Begeisterung und schenken gleich eine weitere Sorte ein, einen Okumidori. Das Besondere an diesem Tee ist, dass er geräuchert ist. Der starke Umami-Charakter lässt darauf schließen, dass er ein hervorragender Essensbegleiter zu scharfen und kräftig gewürzten Speisen sein könnte.
Die Teeexpertin Tanabe kommt in Experimentierlaune und vermischt den kalt aufgegossenen Räucher-Schwarztee mit Mineralwasser. Erstaunlich erfrischend zeigt sich dieser Tee in konzentrierter Form und auch gut als Zutat in Cocktails vorstellbar. Weiter geht es mit einem Matcha-Bier. Ein Helles, verquirlt mit zwei Gramm Matchapulver (ein Teelöffel) gefällt überraschend gut. Auch ein Weizenbier mit dem feinen Grüntee ist eine Idee, Pils eignet sich weniger dafür. Es ist zu bitter.
Abschließend offeriert JETRO-Direktor Kosuge eine kulinarisch neue Variante. Am Nachbarstand von Umbrien werden frische Pasta zubereitet wird. Und hier liegen grüne Spaghetti mit Matcha. Der Pastakoch ließ sich überreden, das Matcha-Experiment zu wagen. Dazu passe Olivenöl und Parmigiano oder einfach nur Butter.
JETRO Berlin
Friedrichstadt-Passagen, Quartier 205, Friedrichstraße 70, Mitte,
Japan Street
Online catalog exclusive to buyers invited by JETRO
JFOODO
The Japan Food Product Overseas Promotion Center
„Ich mag sie alle!“
Yumi Tanabe kam 2006 nach Berlin und war als Yogalehrerin und Massage-Therapeutin tätig. Körperliches Wohlbefinden ist ihr Thema, grüner Tee gehört für sie selbstverständlich dazu. Seit 2017 ist sie zertifizierte japanische Tee-Ausbilderin und trägt den von Japan verliehenen Titel „Japan Tea Goodwill Botschafterin in Deutschland“
Wie sind Sie Expertin geworden? Und was bedeutet Goodwill-Botschafterin?
Yumi Tanabe: Ich habe 2014 angefangen, für einen japanischen Teeraum in Berlin zu arbeiten und beschäftige mich seither intensiv mit japanischem Tee. Als sogenannte Botschafterin des guten Willens für japanischen Tee repräsentiere ich japanischen Tee bei verschiedenen Veranstaltungen in der Öffentlichkeit.
Grüner Tee gilt quasi als ein Wundermittel, soll zur Erhaltung der Gesundheit dienen und als Heilmittel für die Medizin erforscht werden. Was sind die fünf wichtigsten Wirkungsbereiche?
Wie Sie wissen, gibt es sehr viele gesundheitliche Wirkungen. Zum Beispiel Senkung des Krebsrisikos, Fettabbau, hoher Gehalt an Antioxidantien, Senkung des Blutdrucks, Anti-Aging, Entspannung ...
Welche drei Teesorten sollte ich immer zu Hause haben?
Ich empfehle Sencha, Matcha, Sannenbancha. Sencha und Matcha sind sehr grüne Tees, die viele der oben genannten gesundheitlichen Wirkungen enthalten. Sannenbancha ist ein gerösteter Grüntee, mild und entspannend mit sehr wenig Koffein, der von allen Familienmitgliedern jederzeit getrunken werden kann. Ein mikrobiotisch ausgewogener Tee, der eine wärmende Wirkung hat. Wichtig ist: Sie müssen auf sich und Ihren Körper hören und den Tee trinken, der für Sie am angenehmsten ist.
Zu welcher Tageszeit wirkt welche der drei Arten von grünem Tee am besten?
Allgemein gilt, dass Matcha und Sencha für die frühen Stunden des Tages geeignet sind. Sannenbancha kann zu jeder Tageszeit getrunken werden. Er ist ein wärmender Tee und auch für kalte Tage geeignet. Wie gesagt hängt auch die Wirkung zu unterschiedlichen Tageszeiten vom individuellen Körpertyp ab.
Was ist ihr persönlicher Lieblingstee?
Sencha, Matcha, Gyokuro, Wakocha (japanischer Schwarztee), Tamaryokucha ... die Wahl fällt mir sehr schwer! Ich mag sie alle. Normalerweise trinke ich morgens am liebsten Sencha und meditiere danach.
Können Sie ein, zwei Teeläden oder einen Teesalon in Berlin empfehlen?
Ich trinke japanischen Tee kaum außerhalb, weil ich den besten Tee zu Hause und bei der Arbeit habe. Seit 2020 gehöre ich als japanische Teespezialistin zum Team von Sunday Natural in Berlin. Hier gibt es mit eine der besten und vielfältigsten Auswahl an japanischen Tees, speziell Bio. Im Oukan Dining legt man großen Wert auf japanische Teekultur. Eine Teesommelière empfiehlt entsprechende Tees zu den Speisen und der japanische Bartender mixt hervorragende Tee-Cockails.
Sunday Natural
Oukan
Ackerstraße 144, Mitte,
Tipp für Liebhaber von japanischem Tee und solche,
die es werden möchten
Alle, die es detaillierter und anspruchsvoller bevorzugen und keine Angst vor aufwendigen Teezeremonien haben, können sich im Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum für einen so genannten Chanoyu – Japanischen Teeweg – anmelden. Die Teilnahme ist kostenlos.
In dem eigens für das Humboldt Forum gestaltete Teehaus Bōki-an gibt der Chadō Urasenke Teeweg-Verein Berlin Einblicke in traditionelle Teezusammenkünfte. Bōki bedeutet übrigens „die alltäglichen Angelegenheiten vergessen“.
Chanoyu. Der Japanische Teeweg
Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum, Schloßplatz, Mitte,
am 26.2., 26.3., 23.4., 28.5., 25.6., 23.7., 27.8., 24.9., 22.10. und 26.11.