Ruhe, bitte!
Privat soll Gordon Ramsay übrigens sehr nett sein, erzählte Angela Hartnett beim Kulinarischen Kino 2019. Sie war Sous-Chefin in einem seiner Londoner Restaurants und sie habe sehr viel von ihm gelernt. Davon abgesehen gibt es auch TV-Formate mit ihm, wo er nicht den Küchenrabauken raushängen lässt. Man kann ihn auch einfach als schauspielernden Koch sehen
„Ich mache nie Abstriche, wenn es um den Geschmack geht – aber ich liebe Tricks, um beim Kochen Zeit zu sparen.“ Gordon Ramsay
Der Koch und Gastro-Unternehmer Gordon Ramsay (56) wurde als TV-Star berühmt, weil er austeilen kann. In der Rolle als Küchen-Schurke. In den Shows Kitchen Nightmares, Hell’s Kitchen, The F Word flucht er in einer Tour, schreit Mitarbeiter an, demütigt auf verschiedenste Art. Seine verbale Berserkerei und Aggressivität beschäftigt mittlerweile Soziologen und Psychologen. Sie fragen sich, ob die in den Medien gezeigte Gewalt in Restaurantküchen das Verhalten echter Köche – und solche, die es werden wollen – beeinflusst. Gibt es dadurch eine beiläufige Glorifizierung des Machtmissbrauchs in der Küche? Ein immer weiter so? Immerhin hat es Gordon Ramsay sehr weit gebracht und der Erfolg könnte ihm Recht geben. Er ist einer der erfolgreichsten Sterneköche weltweit, betreibt dutzende Restaurants, darunter das 3-Sterne-Restaurant Gordon Ramsay in London. Aber auch Küchenchefs, die Wert auf eine leise und friedliche Arbeitsatmosphäre legen, sind erfolgreich. Diese hält die amerikanische Soziologin Dr. Meiser für zukunftsweisend.
Gordon Ramsay schickt die Leser mit seinem 22sten Kochbuch Quick and Good mit 100 Rezepten auf kulinarische Weltreise: die Destinationen sind Frankreich, Europa, Asien, Nordafrika. In einem Vorwort verrät er kurz und bündig Tricks und Tipps, wie man das Tempo in der Küche erhöht. Natürlich durch perfekte Vorbereitungen: Einkauf, Werkzeug, Gewürze, ständiges Aufräumen und Ruhe, kein Handy!
Die Rezepte sind allesamt Klassiker: wie Ceasar Salad, Rote-Bete-Salat oder Sellerie-Apfel-Suppe aus dem 1. Kapitel Suppen und Salate. Die Food-Fotos von Louise Hagger und Foodstylistin Nicole Herft sind schnörkellos inszeniert, gerade so wie das Essen auf den Tisch kommt. Im Kapitel Fisch & Schalentiere spricht den umweltbewussten Konsumenten das Rezept Gegrillte Makrele mit Orangen-Gremolata an. Makrele ist preiswert, gesund, lecker und nicht überfischt. Aber auch die Miesmuscheln für Moules marinière werden vom WWF als nachhaltig gepriesen, weil sie unter anderem kein Futter benötigen. Vorweihnachtszeit ist Entenzeit. Deshalb muss es aus dem Kapitel Geflügel die Scharf angebratene Entenbrust mit Pak Choi und Orangensauce sein. Eine gute Alternative wäre auch der Entenbrustsalat.
Superspicy liest sich auch der Laotische Hackfleisch-Salat aus dem Fleisch-Kapitel. Das scharf gewürzte Fleisch wird in ein Salatblatt gewickelt und schon hat man ein nettes Fingerfood.
Dazu schmecken hervorragend die Sichuan-Sesamnudeln mit knackigen Zuckererbsenschoten aus dem Kapitel Vegetarische Hauptgerichte. Der Linsen-Burger macht richtig Spaß, kommt würzig-scharf daher. Allerdings überschreitet die Zubereitungszeit locker eine halbe Stunde. Schnell auf dem Tisch steht hingegen das mollig-warme Kürbis-Kichererbsen-Curry und vertreibt mit Farbe und Duft einen möglichen Winterblues. Ein ganzes Kapitel widmet Gordon Ramsay Pasta, Reis und mehr. Natürlich darf da Cacio e pepe nicht fehlen, Steinpilztagliatelle oder Chorizo-Reis.
Im vorletzten Kapitel geht’s um die Beilagen-Klassiker wie Tapenaden, Guacamole, Pürees und Pommes aus Zucchinis geschnitzt. Das Kapitel Desserts mit 14 süßen Abbindern verführt unter anderem zu Dunkle Schoko-Kaffee-Mousse, Tiramisu, Feigentarte und zum berühmten Bananensplit mit Salzkaramell-Schokosauce.
Gordon Ramsays Quick and Good ist ein Kochbuch wie aus der Zeit gefallen. Er kommt mit nur zwei Tofu-Rezepten aus und ohne zu moralisieren, zu spalten oder zu belehren. Es dreht sich alles um die Herstellung guten Geschmacks durch gute Produkte und die (nicht neue) Erkenntnis, dass selbst zu kochen zu gesünderer Ernährung führt. Alleine schon deshalb, weil man weiß, was drin ist. Außerdem spart man Zeit und Verpackungsmüll.
Good bedeutet für jeden kochinteressierten und Esser etwas anderes. Aber für den europäisch geschmackssozialisierten Gaumen sollten die Rezepte allesamt kompatibel und leicht nachzukochen sein. Ob der Verzehr einiger Fisch- und Fleischprodukte noch zeitgemäß und vernünftig ist, muss jede*r für sich entscheiden, oder auf die Erkenntnisse von WWF, Foodwatch, ASC usw. vertrauen.
In meiner Küche steht ein Exemplar des „Lexikon der Internationalen Küche“, zerfleddert, bekleckert, 30 Jahre alt. Immer wieder nehme ich es bei akuter Ideenlosigkeit zur Hand. So sollte man Quick and Good sehen: Als Lexikon der internationalen Küche für Kochanfänger*innen oder als Erinnerungsauffrischung für kulinarisch Sentimentale.
Quick and Good
100 köstliche 30-Minuten-Rezepte
von Gordon Ramsay,
Südwest Verlag,
erschienen am 9.11.2021,
256 Seiten, 26 €
Ceasar Salad mit Grünkohl und Knoblauchcroûtons
»Grünkohl gilt heute als Superfood. Er taucht in Rührei, Smoothies, Pastasaucen, auf Pizzen, selbst in Kuchen und Brownies auf – ganz
enorm für eine vormals so uncoole Kohlsorte!
Zutaten für 4 Portionen
1 große Knoblauchzehe, abgezogen und zerdrückt
3 EL Olivenöl
2 EL glatte Petersilie, fein gehackt
Meersalz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
150 g Sauerteigbrot
1 EL Pflanzenöl (sortenrein)
200 g geräucherte Speckstreifen
100 g gemischter Grünkohl (Kale) (grün und violett, falls erhältlich)
4 kleine Salatherzen
100 g kleine braune Champignons, in dünne Scheiben geschnitten
1/2 rote Zwiebel, abgezogen und fein gewürfelt
8 Sardellenfilets in Olivenöl
40 g Parmesankäse
Für das Dressing
100 g hochwertige Mayonnaise
1 große Knoblauchzehe, abgezogen und zerdrückt
20 g Parmesankäse, fein gerieben
1 TL Dijon-Senf
Saft von 1/2 Zitrone
8 Sardellenfilets in Olivenöl (nach Belieben)
1–2 EL Wasser
Zubereitung
1 Den Ofen auf 200 °C (Ober- und Unterhitze) / 200 °C (Umluft) vorheizen. Backblech mit Backpapier auslegen.
2 Den Knoblauch, das Olivenöl und die Petersilie in eine Schüssel geben, mit Salz und Pfeffer würzen und gut vermengen.
3 Das Sauerteigbrot in kleine Stücke brechen und in die Schüssel mit dem Knoblauchöl geben. Im Öl wenden, bis das Brot rundum mit Öl überzogen ist, dann auf dem vorbereiteten Backblech auslegen. In den Ofen schieben und 8–10 Minuten backen, bis das Brot goldbraun ist.
4 Eine große beschichtete Pfanne auf mittlerer Stufe erhitzen. Wenn sie heiß ist, erst das Pflanzenöl und dann die Speckstreifen hineingeben. 5–8 Minuten braten, bis sie knusprig sind.
5 In der Zwischenzeit das Dressing zubereiten: Mayonnaise, Knoblauch, Parmesan, Senf und Zitronensaft in eine Schüssel geben. Die Sardellenfilets hacken, in die Schüssel geben, und alles gut verrühren. Das Wasser hinzugeben, damit das Dressing flüssiger wird.
6 Den Grünkohl in mundgerechte Stücke zerpflücken. Den Kopfsalat putzen und die Blätter trennen. Die größeren Blätter in der Mitte mit einem Messer teilen und die kleineren Blätter ganz lassen. Alle Salatblätter mit den Champignonscheiben und der roten Zwiebel in eine Salatschüssel geben.
7 Das Dressing über den Salat geben und gut unterheben. Die Croûtons und Speckstreifen über den Salat streuen, dann die restlichen Sardellenfilets der Länge nach halbieren und nach Wunsch darauf anrichten. Zum Schluss mit einem Käsehobel oder einem Gemüseschäler den Parmesan über den Salat hobeln.
Dieser reichhaltige Salat lässt sich gut vorbereiten. Nach einer halben Stunde haben sich die Aromen erst richtig miteinander angefreundet und die anfangs krachend lauten Croûtons, werden etwas milder gestimmt. Der Grünkohl verliert seine Ledrigkeit. Das cremige Dressing haftet gut an den Zutaten. Der Ceasar Salad ist eine kluge Resteverwertung und so ist er auch entstanden. Mit gekochten Eiern kann man ihn zu einer vollwertigen Mahlzeit pimpen. Das Rezept funktioniert einwandfrei.
Moules Marinière mit Bärlauchtoast
»Miesmuscheln gehören zu meinen Lieblingsschalentieren. Sie sind günstig, gesund und köstlich, erfordern wenig Vorbereitung und sind im Handumdrehen fertig. Für diese Version des französischen Klassikers werden die zarten Bärlauchblätter verwendet, die von März bis Mai im Wald oder auf dem Markt zu finden sind. Wer keinen Bärlauch bekommt, kann auch die doppelte Menge eingelegten Knoblauch verwenden und für den Toast eine zerdrückte frische Zehe zur Butter hinzufügen.«
Zutaten für 2 Portionen
1 kg Miesmuscheln
2 EL Olivenöl
2 Bananenschalotten, abgezogen und fein gewürfelt
1 große Knoblauchzehe, abgezogen und fein gehackt
125 ml trockener Weißwein, z. B. Muscadet
150 ml Schlagsahne
1 große Handvoll Bärlauchblätter, fein gehackt
30 g Butter
Für den Bärlauchtoast
150 g weiche Butter
1 Handvoll Bärlauch, grob gehackt
Meersalz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
4–6 Scheiben Baguette, diagonal geschnitten
20 g Parmesankäse
Tipp vom Küchenmeister
Wenn Sie Bärlauch übrig haben, bereiten Sie die doppelte Menge an Bärlauchbutter zu, formen Sie eine Rolle und frieren Sie diese ein.
Sie schmeckt köstlich, wenn sie auf einem Steak schmilzt oder unter ein Risotto gehoben wird, und kann auch für die Putenschnitzel mit Bärlauch nach Kiewer Art verwendet werden.
Zubereitung
1 Den Grill auf mittlerer bis hoher Stufe vorheizen.
2 Die Miesmuscheln waschen und Bärte mit den Fingern abziehen, dann im Küchensieb abtropfen lassen.
3 Eine große Kasserolle mit dicht schließendem Deckel auf mittlerer Stufe erhitzen und das Öl hinzufügen. Die Schalotten in das heiße Öl geben und 2–3 Minuten dünsten, bis sie weich sind. Den Knoblauch unterrühren und 1 Minute dünsten, dann den Wein hinzufügen. Köcheln, bis der Wein zur Hälfte eingekocht ist.
4 In der Zwischenzeit die Bärlauchbutter für die Toasts zubereiten. Dazu 150 Gramm Butter mit dem grob gehackten Bärlauch und etwas Salz und Pfeffer in einen Mixer geben und mixen, bis eine homogene Masse entstanden ist. Die Bärlauchbutter beiseitestellen.
5 Die Sahne und den fein gehackten Bärlauch zum Weinsud geben, stark erhitzen und auf die halbe Menge einkochen lassen.
6 In der Zwischenzeit die Baguettescheiben auf ein Backblech legen und für 2 Minuten unter den Grill schieben, bis das Brot auf einer Seite goldfarben getoastet ist. Aus dem Grill nehmen, jede Scheibe wenden, dann dick mit der Bärlauchbutter bestreichen. Mit einer feinen Reibe den Parmesan direkt auf jede Baguettescheibe reiben, bis alle gleichmäßig bedeckt sind, dann 2 Minuten überbacken, bis der Käse goldbraun ist.
7 Die Miesmuscheln in den Weinsud geben und gut umrühren. Den Deckel auflegen und 4–5 Minuten garen, bis sich alle Muscheln geöffnet haben. Die noch geschlossenen Muscheln wegwerfen, dann 30 Gramm Butter in die Sauce rühren und sofort mit dem Bärlauchtoast servieren.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, Muscheln seien die Giftfilter der Meere. Weit gefehlt. Sie werden erst im Herbst und Winter, in den „R-Monaten“ geerntet, weil dann, anders als im Sommer, nur sehr wenige Algengifte im Wasser sind. Und die verträgt der Mensch nicht. Wöchentlich werden sie auf Schadstoffe geprüft. EU-Norm! Seit ein paar Jahren gibt es die erste bio-zertifizierte Muschelzucht in der Ostsee.
Statt des Bärlauchs püriere ich Knoblauch, Petersilie, Basilikum und etwas Rucola mit der Butter. Das Brot röste ich in der Pfanne. Kräuterbutter drauf, Käse drauf, Deckel drauf, Käse schmelzen – fertig.
Der Muschelsud schmeckt sahnig-fein und leicht süßlich nach Meer und Muschel. Der würzige Kräuterbutter-Toast bildet dazu einen kräftigen Kontrast. Ein geselliges praktisches Fingerfood, denn die Muschel bringt ihr eigenes Werkzeug mit. Zum Fingerlecken und schlürfen. Herrlich.
Scharf angebratene Entenbrust mit Pak Choi und Orangensauce
»Ente mit Orange ist natürlich eine bewährte Kombination, aber durch Sojasauce, Honig und Ingwer bekommt das Ganze einen asiatischen Touch, der den französischen Klassiker aufpeppt. Achten Sie darauf, dass der Pak Choi gut Farbe annimmt, bevor Sie die Saucenzutaten hinzugeben. Der bittere Geschmack der fast angebrannten Ränder gleicht die Süße wunderbar aus.«
Zutaten für 4 Portionen
4 Entenbrüste
Meersalz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
4 Pak Choi, halbiert
250 ml Orangensaft
50 ml Sojasauce
1 Stück frische Ingwerwurzel (2 cm), geschält und in Juliennestreifen geschnitten
50 g Butter
50 g flüssiger Honig
1 EL schwarzer und heller Sesam
Reis als Beilage
Tipp vom Küchenmeister
Vor dem Abmessen von Honig den Messlöffel oder die Schale mit einer dünnen Schicht geschmacksneutralem Öl überziehen. So gleitet der Honig direkt in den Topf oder in die Rührschüssel, ohne dass er kleben bleibt. Und genauer ist diese Methode auch.
Zubereitung
1 Den Ofen auf 200 °C (Ober- und Unterhitze) / 180 °C (Umluft) vorheizen und ein Backblech im Ofen vorwärmen.
2 Mit einem sehr scharfen Messer die Haut der Entenbrüste diagonal einschneiden, erst in eine Richtung, dann in die andere, sodass ein Rautenmuster entsteht. Kräftig mit Salz und Pfeffer würzen.
3 Die Entenbrüste mit der Hautseite nach unten in eine beschichtete ofenfeste Pfanne legen. Diese auf mittlerer bis hoher Stufe erhitzen und das Fleisch 7 Minuten braten, bis das Fett ausgetreten und die Haut knusprig und goldfarben ist.
4 Die Entenbrüste wenden und die Pfanne 3–4 Minuten in den Ofen stellen. Die Ente auf eine vorgewärmte Platte legen und 2–3 Minuten ruhen lassen.
5 In der Zwischenzeit die Pfanne wieder auf das Kochfeld stellen und die halbierten Pak Choi hineingeben. 2 Minuten braten, bis der Kohl Farbe annimmt, dann den Orangensaft, den Ingwer, die Sojasauce und die Butter hinzufugen und köcheln lassen. Den Honig unterziehen und zu einer dicken Sauce einkochen.
6 Zum Servieren die Ente schräg in Scheiben schneiden und mit dem Pak Choi und etwas gekochtem Reis anrichten. Die Sauce darüber geben und vor dem Servieren mit Sesamsaat bestreuen.
Naja. Es gibt Rezepte, die mit ähnlichem Aufwand ein besseres Ergebnis erzielen. Pak Choi macht noch kein asiatisches Gericht. In der angegebenen Garzeit wird der Kohl nicht richtig weich. Die Sauce schmeckt irgendwie süß-sauer und wenig orangig. Eine gute Sauce entsteht eben nicht in 7 Minuten, sondern durch langsames Einreduzieren. Mit „cleveren Abkürzungen“ wie Ramsay sie nennt, kommt man nicht immer ans Ziel. Die Entenbrust ist schön kross und sättigend, den Reis bräuchte man nicht.