„Was möchte der Kunde?“
Es liegt, wie immer bei gutem Wetter, etwas in der Luft. Der Geruch von Röstaromen, von Gegrilltem. Im Garten, auf dem Balkon, auf Grillplätzen wird Fleisch, Geflügel, Fisch, Gemüse über dem Feuer gewendet. Was aber macht Qualität aus? Welches Fleisch ist das Beste? Und ist Bio ein Garant oder nur gerade angesagter Lifestyle. Wir haben die unterschiedlichsten Fachleute befragt. Einen Metzger und Spitzenkoch, einen Bauern vom Geflügelhof, einen Filialleiter vom Supermarkt, eine Pionierin in Sachen Bio-Fleisch und eine Schweinezüchterin der anderen Art
Gabriele Mörixmann
Gabriele Mörixmann traut man nichts Böses zu! Sie lacht gerne und für sie scheint die Welt als Schweinezüchterin heiterer zu sein als bei den meisten anderen. Sie hat in ihrem Familienbetrieb einen sogenannten Aktivstall realisiert. Rund 700 Schweine wachsen in – wie sie sie bezeichnet – „Wohnzimmern“ auf, das sind Höhlen oder Buchten aus Strohballen. Sie tummeln sich in einer sogenannten Beschäftigungswelt, können, wenn sie Lust haben, duschen – deshalb sehen Mörixmanns Schweine auch so rosig aus wie aus dem Bilderbuch. Sie können sich aber auch suhlen. Schweine können nicht schwitzen, deshalb ist das ein Muss für das Wohlbefinden der Tiere.
Mit ihrem Vater hätte sie lange diskutiert, was man für normale Menschen, also bezahlbar, aber trotzdem nachhaltig und qualitativ hochwertig, produzieren kann. Dabei geht es ihr immer um die Frage, was möchte der Kunde? Mörixmann ist entgegen gängiger Vorstellungen der Meinung, dass jegliches Haltungskonzept in Deutschland gut kontrolliert ist, nur die Kommunikation nach außen oft noch verbesserungswürdig sei.
Neben Transparenz und Nachhaltigkeit ist ihr die Zusammenarbeit mit ausgesuchten Partnern wichtig. Sie hat lange gesucht bis sie den richtigen Schlachthof gefunden hat. Wichtiges Kriterium: Die Behandlung der Mitarbeiter. „Das spürst du sofort, wenn du auf dem Hof ankommst. Du wirst begrüßt, sie führen einen gerne herum, zeigen alles und bekommen als Angestellte mehr als den Mindestlohn. So wie du Menschen behandelst, so gehst du auch mit Tieren um.“ (emh)
Aktivstall für Schweine
Dratumer Straße 9, 49326 Melle,
Matthias Paletta
Er führt mit seiner Familie den Bachbauernhof, ein Geflügelhof. Sie haben sich der nachhaltigen Landwirtschaft verschrieben. Durch den schonenden Umgang mit den vorhandenen Ressourcen, den Tieren und der Umwelt setzt der Bachbauernhof eigene Maßstäbe für eine gesunde Bewirtschaftung. Er ist einer der Bauern, mit denen Grutto zusammenarbeitet, eine Plattform, die sich der Mission verschrieben hat, eine nachhaltige und ethische Fleischbranche zu kultivieren.
„Oft geht man davon aus, dass Bio-Fleisch aus der Region stammt bzw. regionaler Herkunft ist. Das ist in den meisten Fällen aber nicht der Fall. Zudem bestehen noch viele Hindernisse bei der Fleischherstellung nach Bio-Vorgaben. Heißt: Regional muss nicht Bio sein. Geschmacklich lässt sich kein Unterschied feststellen. Aber über Geschmack lässt sich natürlich streiten. Grundsätzlich kann man aber nicht sagen, dass Bio-Fleisch per se besser ist.
Durch das Heranwachsen unserer Hühner im Freien wie im weitläufigen Stall merkt man meiner Meinung nach auch die gute Fleischqualität. Tierhaltung und Tierwohl spielen eine große Rolle: Die Tiere müssen ans Tageslicht und natürlich sollte es den Tieren von Tag Eins bis X gut gehen. Frische und gute Luft, offene Ställe, auch frisches und qualitativ hochwertiges Futter sind natürlich die Basics, auf die wir achten. Bei unseren Tieren verwenden wir keine Medikamente, da dies nicht sein muss.“
Der Bachbauernhof
Rainer Straße 28, 86684 Holzheim,
Wolfgang Müller
Er war und ist als Koch eigenwillig. Seine Liebe zum Fleisch bzw. zum Tier zieht sich durch sein ganzes Berufsleben. Er hat Bücher geschrieben mit den für ihn typischen Titeln „Schwein: Von Kopf bis Fuß“ oder „Wurst & Küche“. Im Alter von 15 Jahren begann er eine Metzgerlehre, dann wurde er Koch, arbeitete über 18 Jahre lang in den Küchen der besten Restaurants. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, das Prinzip „From Nose to Tail“ populär zu machen. Bei Fleisch- und Wurstseminaren, bei Kochkursen und bei Fine-Dining-Menüs beweist er sein Können und sein umfassendes Know-how.
„Bei mir kommt je nach Lust eigentlich alles auf den Grill: bestes Fleisch, selbstgemachte Würste, aber auch viel Fisch und Meeresfrüchte. Dazu Gemüse aller Art und was ich besonders liebe sind Salate, kurz angegrillt und lecker angemacht – toll.
Bio-Fleisch ist nicht immer das, was sich der Kunde darunter vorstellt. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn Bio drauf steht, ist das die Entschuldigung für alles, was man sonst bei der Tierhaltung nicht beachtet. Wenn ein Bio-Huhn nur 10 Zentimeter im Quadrat mehr Platz bekommt als ein Huhn in konventioneller Haltung, dann frage ich mich echt, was ist daran Bio? Es ist wichtiger, zu wissen, woher das Fleisch kommt, wie das Tier aufwächst, was bekommt es zu essen – für mich ist nachhaltige Tierzucht wichtiger als das Label Bio.
Es gibt in ganz Deutschland großartige Züchter, die transparent arbeiten, und auch alle Stalltüren aufmachen, wenn man anfragt. Man erhält so einen Eindruck, was gut an deren Arbeit ist. Auf der Homepage von Kalieber findet man gutes Rindfleisch von zuverlässigen Züchtern und Metzgern.“
Meat Chef
Glogauer Straße 9, Kreuzberg,
Ulrike Piecha
Sie war eine der Vorreiterinnen beim Thema Bio-Fleisch. Als Ulrike Piecha 2009 das BioBuffet in der Marheinekehalle eröffnet, war „Bio-Pur“ noch ein avantgardistisches Abenteuer. Auch ihr Marktstand-Konzept, eine Biofleischerei auf der einen Seite und ein Bio-Imbiss auf der anderen, hat seine Zeit gebraucht, bis das Unternehmen rentabel funktionierte. Für sie gibt es keine Alternative zu Bio als Qualitätsmerkmal.
„Bio nur pur – da sind wir stur! Bio war damals teuer, an den Begriff regional als Qualitätsstandard war noch kaum zu denken. Mit unserem Bio-Catering konnten wir uns damals am Markt halten. Selbstausbeutung haben wir lange Zeit als selbstverständlichen Preis stoisch hingenommen. Wir haben natürlich auch darüber nachgedacht, eine konventionelle Schiene aufzunehmen, um endlich von unserer Arbeit leben zu können. Aber wir haben der Versuchung widerstanden.
Heute, 13 Jahre später, sind wir mit unserem „Bio Buffet – Bio PUR“ auf Erfolgskurs. Regionalität, Traceability, das selbst Verarbeiten und Veredeln von eigenen Produkten in kompromissloser Spitzenqualität – das sind die Parameter unserer Arbeit. Wir arbeiten, seit Jahren, mit den gleichen Brandenburger Bio-Bauern zusammen. Sie liefern uns regelmäßig das Bio-Sattelschwein, Demeter-Rind und -Kalb, Bio-Zicklein und Bio-Schafe (Skudden) – immer das ganze Tier. Wir verarbeiten und veredeln alles, was uns geliefert wird. Wir werfen nichts weg. Unser mittlerweile fester Kundenstamm kennt und schätzt unsere Produzenten und kauft gezielt unsere daraus herausgearbeiteten Produkte.
Corona haben wir als Herausforderung angenommen. Wir haben in den letzten zwei Jahren eine Convenience-Schiene aufgebaut. Unser Bio-Fleisch wird zu Gerichten mit verschiedenen Beilagen veredelt. Sie sind hygienisch sicher verpackt, leicht aufzubereiten und für die schnelle Küche zuhause hervorragend geeignet. Alle unsere Convenience-Gerichte finden sich auch auf unseren Tageskarten wieder. Wir halten an dem Motto „Bio-Pur“ fest. Wir haben mit unserer Arbeit dazu beigetragen, dass „Bio für Alle“ bei den Bio- aber auch bei den konventionellen Discountern immer breiteren Zuspruch findet.
Immer mehr Bauern setzen auf zertifizierte Bio–Landwirtschaft. Sie stellen ihre Betriebe um. Für die wachsende Nachfrage nach Bio-Produkten und wegen des gewachsenen ökologischen Bewusstseins unter allen Bürgern ist dieses Umstellen zwingend, aber noch lange nicht ausreichend. Auch Bio-Produkte können und müssen von den landwirtschaftlichen Produzenten in sicherer Qualität für den Massenmarkt hergestellt, zertifiziert gelabelt und dann bei den Discountern gelistet werden. Das war noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar, ist heute mehr und mehr selbstverständlich. Darüber sind wir froh.“
Piechas, BioBuffet Marheinekehalle
Marheinekeplatz 15, Kreuzberg,
Stefan Voelker
Er hat die Supermärkte „Nah und Gut – Delikatessen Discounter“ zu Pilgerstätten von Fleischliebhabern gemacht. Stefan Voelker ist Filialleiter und Experte, was die Qualität von Fleisch bedeutet. Erstklassige Ware zu einem Preis, den sich jede und jeder leisten kann – das ist Voelkers Devise. Die Fleisch-Theke wurde 2018 zur Besten Deutschlands prämiert.
„Die Frage, was besser ist – Bio oder gute konventionelle Ware – das ist nicht so leicht zu beantworten. Grundsätzlich gibt es zwei Kriterien, die entscheidend sind: 1. die Haltung und 2. die Rasse.
Beim Thema Tierwohl kann man immer auf Bio-Ware zurückgreifen, jedoch werden hier nur Mindeststandards eingehalten. Die sind zwar deutlich besser als bei konventioneller Massentierhaltung, aber echten Tierfreunden ist das nicht ausreichend. Da es gerade unter Supermärkten und Discountern einen großen Preiskampf gibt und sich Bio-Fleisch auch dort etabliert hat, werden um Mengen und gute Preise zu garantieren, die gleichen Schweinerassen aufgezogen wie bei der Massentierhaltung. Das heißt konkret: schnelle Aufzucht, wenig Fett und leider oft wässerig, um mehr Gewicht zu generieren. Der Geschmack des Massen-Bio-Fleisches der Discounter und Supermarktketten ist nicht deutlich besser. Das höhere Gewicht durch den Wassergehalt muss der Verbraucher mitbezahlen.
Bei Bio würde ich zu Marken wie z.B Demeter greifen, die sind zwar deutlich teurer, haben aber die höchsten Standards in Aufzucht und Geschmack und der Bauer bekommt eine angemessene Vergütung für sein Fleisch. Als Alternative gibt es viele kleine Genossenschaften und Bauern, auch regional, die mit alten angepassten Rassen hervorragende Qualitäten bei bester Aufzucht garantieren. Eine Bio-Zertifizierung ist für Bauern und Handel sehr kostspielig und kommt oft nur diversen Bio-Verbänden zugute.
Ein paar Beispiele unserer Qualitäten unter dem Motto „Darfs etwas mehr als Bio sein?“:
Das Pata Negra Schwein – halbwild in den Eichenwäldern der Extremadura lebend, ganzjährig freilaufend, ernährt sich vorwiegend von Eicheln und Wildgräser. Das Mangalitza Wollschwein aus Ungarn – in kleinem Familienverbund lebend, für Massenzucht nicht geeignet, fantastische Qualität, bei bestem Tierwohl. Das Uckermärker Duroc Edelschwein – kleine Genossenschaften von kleinen Bauern mit eigenem Futteranbau und bester Aufzucht. Alte Galizische Rinderrassen – z.B. 8 bis 14 Jahre alte Weidekühe, ganzjährig auf der Weide und seit Jahrhunderten an die Region angepasst.“
Nah und Gut – Delikatessen Discounter
Güntzelstraße 40 und Düsseldorfer Straße 74, Wilmersdorf,
Tipps für Newcomer in Sachen Grillen von Stefan Voelker
• Möglichst kein verpacktes Fleisch kaufen.
• Kein mariniertes Fleisch kaufen, hier werden oft schlechte Qualitäten überdeckt oder aufgetaute Ware verwendet.
• Eine volle, gut bestückte Theke zeugt für guten Umschlag, sprich Frische.
• Schweinefleisch, Kalb und Geflügel sollten eine leuchtende Farbe besitzen und keine grauen Stellen aufweisen.
• Steaks dürfen auch mal etwas dunkler erscheinen, darf sich aber nicht leimig/klebrig anfassen.
• Eine gute Fleischtheke sollte kompetentes Personal bieten, das auch mit Fachwissen beraten kann.