Machikos Lyrik
Endlich eine Adresse, die nicht die Berliner Illusion von japanischer Esskultur bedient. Im Machiko bekommt man das, was auch in Japan serviert wird
Sie fällt auf, mit ihren blauen Haaren und ihrer zurückhaltenden freundlichen Art. Blau ist ihre Lieblingsfarbe. Machiko Akazawa ist Köchin und betreibt das Neuköllner Mittagsrestaurant Machiko’s Kitchen schon seit geraumer Zeit. Seit ein paar Wochen nun reist die gebürtige Japanerin abends nach Prenzlauer Berg und öffnet die Tür ihrer gleichnamigen Weinbar mit einem völlig anderen Konzept.
Beim ersten Besuch nicht irritieren lassen. Es ist eher die dunkle Ecke in der Kollwitzstraße, die Hauswand ist mit schrillen, auffälligen Graffiti überzogen und auf der Markise prangt noch der Name des Vorgängers namens „Lyrik“.
Drinnen überrascht die puristische, fast karge Einrichtung. Im Laufe des Abends fallen immer mehr Details auf, die jedes für sich eine Geschichte erzählen. Zu Machiko: Sie hat in Kobe, bei Onjiki, in einem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Kaiseki-Restaurant gelernt. Kaiseki bedeutet Haute Cuisine und mehrgängiges Menü. Dort hat sie mit noch einer Auszubildenden zwei Jahre lang gearbeitet und alles vorbereitet für den Chefkoch, dessen Namen sie nicht kennt, der wiederum am Tresen, in der Show-Küche alles zum Finish bereitete. Der Chefkoch ohne Namen – in Japan spielen Hierarchien und entsprechende Titel eine große Rolle – ist bekannt für seine ausländischen kulinarischen Techniken, die er einsetzt, um japanische Zutaten zu veredeln.
Machiko plante schon immer ins Ausland zu gehen und selbstständig zu werden. Sie lernte die deutsche Sprache bereits in Japan und 2016 war Berlin durchaus noch eine Stadt, in der das mit dem Start ihrer Vorhaben leicht fiel. Erst ein Pop-up, dann eben Bowls, Udon-Nudeln und Sake Don zu Mittag und jetzt ein zweiter Standort unter dem Motto „Sake, Wine, Bites“.
In der kleinen Küche – die Rückwand in Blau – bereitet sie die Bites, die Kleinigkeiten, zu. Alles in Spitzenqualität, wie Machiko erklärt. „Dazu sehr gute Getränke.“ Bei einem Besuch zu zweit sind sieben verschiedene Gerichte durchaus angemessen. Sie kommen auf kleinen Keramiktellern auf den Tisch. Diese sind von Satoki Onishi aus Shigaraki in der Präfektur Shiga und wurden für Machiko exklusiv hergestellt.
Ganz wunderbar passen darauf: die eingelegten Oliven, Tsukemono & Nukazuke – das sind in Reiskleie eingelegtes Gemüse und Obst wie Ananas, Brokkoli mit Zitrone abgeschmeckt und mit Parmegiano bedeckt, Sardinen in Tomaten-Koji und Thymian, Leber-Paté mit Sansho-Pfeffer, Barbarie-Entenbrust mit Pflaumen und Schwarzer-Knoblauch-Sauce. Am überraschendsten ist der Koshihikari-Reis mit einem frischen, knisternden Nori-Blatt, profan, aber eine geschmackliche Neuentdeckung. Japanische Küche italienisch inspiriert, das sei durchaus zeitgemäß. „Die dortige Esskultur hat sich von anderen Esskulturen inspirieren lassen. Wichtig ist, was dem Gast schmeckt.“ Dazu passt eine Flasche Rotwein, ein Barbera D’Alba von Vietti aus dem Jahr 2021. Offen hat Machiko unter anderem einen Barbera aus dem Jahr 2022.
Der Blick schweift über die Utensilien hinter der Theke. Da steht ein unscheinbares Kännchen, das zur Erwärmung von Sake dient. Es ist in Maßeinheiten unterteilt. Dabei dreht es sich um das sogenannte Go, das sind 180 ml. Auf einem Bord sitzt ein dickes steinernes Männchen mit überproportionalen großen Händen. Den hat Machiko auf dem Flohmarkt gefunden, den daneben liegenden Stein irgendwo aufgehoben. Um ihre Liebe zur Farbe Blau zu unterstreichen, holt sie noch blaue Stoff-Vierecke als Untersetzer hervor. Jedes anders gemustert und in einem anderen Blauton. Der mit Indigo gefärbte Baumwollstoff ist eine Spezialität aus ihrer Heimat Fukuyama. Wie schon erwähnt, jedes Detail erzählt eine Geschichte.
Machiko
Kollwitzstraße 97, Prenzlauer Berg,