Fotos: Zoe Spawton Aufmacher Ora
Ora

Alter Ort, neuer Küchenchef

Das Interieur ist immer noch das Gleiche, die Küche im Ora innovativ und für lange Abende eine gute Adresse, findet Eva-Maria Hilker

Kindillon

Manchmal taucht die Frage nach dem Lieblingsrestaurant auf. Bei Profi-Esser*innen kann das durchaus wöchentlich wechseln. Manchmal ist es das Ora. Und schon erinnern sich ein paar Journalist*innen an diese Adresse, die sie aus den Augen verloren haben. Die Speisekarte ändert sich im Detail fast täglich, doch dafür ist die Inneneinrichtung geblieben. Es ist die ehemalige Oranien-Apotheke mit dem typischen Interieur aus dem 19. Jahrhundert.

Das Ora haben die Michelbergers seit Anfang 2020 übernommen haben. Koch Sam Kindillon (Foto), gebürtiger Ire, ist später dazugestoßen. Wie im Michelberger-Restaurant setzt die Küche auf beste, nachhaltige sowie saisonale Produkte – „unprätentiös und europäisch“, wie Kindillon sie bezeichnet. Das macht er samt seinem Team immer besser und besser, mit undogmatischem Kalkül und angenehmer Selbstverständlichkeit. Es gibt vorne an der Bar Snacks wie z.B. Austern, eingelegtes Gemüse und ein hervorragendes Leberparfait. Das kann zum Menü arrangiert werden. Das Ora-Team serviert ein Drei- oder Vier-Gänge-Menü im Restaurant. Beide zu einem angemessenen Preis. Was in diesen Zeiten schon fast eine Seltenheit ist.

Das Wildparfait und die rohe Zebrabrasse mit Tomate, Pflaume, Tagetes und Piment d’Espelette machen eine guten Anfang. Wobei die Fisch-Portion etwas klein geraten ist, das macht aber das Parfait wett. Kindillon hat in seinem Vorleben in Kopenhagen gearbeitet, was für den entsprechenden und geschätzten Umgang mit Produkten spricht und der Mann entwickelt sich weiter. Das macht bei jedem neuen Besuch einfach Spaß.

Pirrone und Le

Den haben die Gäste auch bei der Wein­karte, zusammengestellt von Sommelière Le und Restaurantleiter Pirrone (Foto), „die reicht von esoterischen Weinen aus weniger bekannten Regionen und Winzern bis hin zu begehrten Qualitätsweinen aus großen Lagen“. Zu Beginn kommt ein Glas Champagner „Éclats“ Édition Speciale Extra Brut NV von Jeaunaux-Robin in die Gläser: Fein perlend, herb und wenig mineralisch.

Zum Hauptgang kommt Wild-Hirsch mit Mais, Holunder, Gemeinem Steinpilz und Schwarzkohl auf den Tisch und ein Fischgang: Seelachs, Choucroute, Kartoffel, Winterrettich und Hähnchensauce. Beide unverkennbar mit Kindillonscher Handschrift, die durch leichtes Spiel mit Textur und Aromen niemanden überfordert.

Dieses Mal wird wieder den Empfehlungen von Sommelière Le vertraut. Und so lernt man einen neuen Orange Wine, den Riesling 2020 von Sybille Kuntz sowie Roterfaden Lemberger 2018 kennen und schätzen.

Zum Abschluss unbedingt die Desserts probieren. Die waren beim letzen Mal nicht so überzeugend. Aber da hat Kindillon zugelegt. Das Maisschalen-Eis, mit Blaubeere, Molke und Malz, bleibt mit seinem speziellen Aroma in Erinnerung und das Farm-Beere-Frangipane mit Eisenkraut-Mandel-Custard passt zum Espresso.

Ora
Oranienplatz 14, Kreuzberg, Tel. 030 509 558 89, www.ora.berlin, Di–Sa ab 17 Uhr,
Drei Gänge 55 €, Vier Gänge 62 €