Glücksfall in Schmargendorf
Manchmal lohnt sich der Blick in die nicht ganz so hippen Gegenden. Hervorragende Weine und gute Küche treffen in Lehmann’s Stuben aufeinander
Schmargendorf die neue Mitte? Der künftige In-Bezirk? Scherz beiseite. Dieser Stadtteil ist für sein geruhsames Miteinander und eher für bürgerliche Lebensfreude bekannt. Der typische Italiener oder Franzose um die Ecke sorgt in dieser Gegend für kulinarische Erlebnisse. Extra nach Schmargendorf zu reisen, um ein Restaurant zu besuchen? Doch ja. Da gibt es eine Adresse, keine Neueröffnung zwar, aber in Lehmann’s Stuben treffen zwei Glücksfälle aufeinander.
Der eine ist Andreas Klitsch, früherer Küchenchef vom Aigner und Zollhaus, loyaler und jahrzehntelanger Mitstreiter des namhaften Gastronomen Herbert Beltle. Corona und die Lockdowns hat Klitsch genutzt, um aus dem ewigen Hamsterrad der Küchenarbeit rauszukommen, Gesundheit und Familie in den Vordergrund zu stellen. Das sieht man ihm an und sein neuer Job macht ihm Spaß. Auf der Wochenkarte lässt er seiner Kreativität freien Lauf. „Unsere“ andalusische Gazpacho ist genau das, eine spielerische Variante des Klassikers, das lauwarme Räucheraalfilet vom Havelfischer Lechler auf geröstetem Vollkornbrot mit Schnittlauchrührei und Schmandgurken geradezu ideal für den sommerlichen Abend auf der Terrasse. Das rosa gebratene Roastbeef vom Jungbullen, kalt aufgeschnitten mit Waldorfsalat, Sommertrüffelcreme und Pfifferlingen, dann noch eine lauwarme Caponata „süß-saurer sizilianischer Auberginensalat“ mit Büffelmilchmozzarella. Einfach herrlich, Andreas Klitsch kann kochen und bedient sich bei den Produkten aus dem näheren und weiteren Umland.
Zum zweiten Glücksfall: Lehmann’s Stuben existieren seit über drei Jahren. Das ehrlich gestanden in journalistischen Kreisen eher unbemerkt. In dieser Zeit hat sich das Konzept insoweit verändert, dass Gäste, egal ob sie in der Weinstube, im Restaurant oder auf der Terrasse speisen, eine Flasche Wein aus 250 Positionen (insgesamt gibt es fast 400) aussuchen können, die dann am Tisch ausgeschenkt wird. In den letzten Jahren hat sich Horst Lehmann mit seinem Spirituosen-Handel kompetent aufgestellt, im Speziellen was das Weinsortiment betrifft. Dafür ist unter anderem Helen Mol mit ihrer ausgewiesenen Fachkompetenz verantwortlich. An diesem Abend hinterließ der Weiße Burgunder „Bis in die Puppen“ von Schumann einen angenehm prägnanten Eindruck. Hintergrund dazu: Die Berlinerin Bettina Schumann hat sich mit ihrer Frau Melanie Panitzke 2015 den Traum von einer eigenen Weinlinie erfüllt.
Lehmann’s Stuben sind also ein ernstzunehmender Anlaufpunkt für gutes Essen und Trinken sowie zugänglichen Service. Doch ein kleiner Hinweis: die Inneneinrichtung erinnert an eine Film-Ausstattung, an großbürgerliche Zigarrenträume. (emh)
Lehmann’s Stuben
Heiligendammer Straße 18, Schmargendorf,