Französische Mitte
Im Osterberger servieren zwei charmante Gastgeber unkomplizierte Brasserie-Küche. Und Mitte hat einen neuen Place to be
Es gibt Locations, auf denen ein Fluch zu liegen scheint. Es ist die berühmte verfluchte Ecke. Ein Restaurant-Konzept nach dem anderen kommt und geht, aus irgendeinem Grund klappt es nicht. Die Chronik der Versuche in der Elisabethkirchstraße 2: Alois Oberbacher, Schwein, Slate. Dennoch gibt es immer wieder einen neuen Versuch. Zum Glück, denn der unaufhaltsame Strom an Neueröffnungen – auch in Corona-Zeiten – ist das, was wir an Berlin lieben.
Nun hat an besagter Stelle das Restaurant Osterberger eröffnet. Seine Lage ist nahezu perfekt: zentral und dennoch ruhig. Wenige Autos fahren die kleine Straße entlang, man blickt auf die Elisabethkirche und den kleinen Park davor. Entspanntes Urlaubsfeeling in Berlin. Auf den Tischen draußen liegen weiße Tischdecken – das gibt es ja fast nicht mehr und ist gerade deswegen eine willkommene Abwechslung.
Das Interieur ist sehr gelungen: Wände und Decken aus Sichtbeton, dunkles Parkett, die große Bar und einzelne Wandabschnitte sind mit hellem Holz verkleidet. An den Wänden lange Sitzbänke, mit apricot-farbenem Stoff bezogen, im Raum runde Tische aus dunkelgrünem Marmor. Cool und dennoch gemütlich. Das hat Stil.
Kein Wunder bei den beiden Machern des Restaurants: Thorsten Osterberger und Stefan Gruber-Osterberger. Letzter ist gelernter Restaurantfachmann und Koch, Gastronomieberater und bekannt durch Arbeitsstätten und Projekte wie das Clärchens Ballhaus, die Ganymed Brasserie und die Strandbar Mitte. Sein Ehemann Thorsten steuert dank seiner Tätigkeit als Stylist und Mode- und Beautyredakteur seinen Sinn für Ästhetik bei – und gemeinsam sind sie das charmanteste Gastgeber-Gespann in ganz Mitte (mindestens).
Ihr Küchenkonzept: klassische Brasserie-Küche mit besten frischen Zutaten, die sich auf wenige Gerichte fokussiert und dennoch für jeden Geschmack etwas bereit hält. Das Steak Tatar mit Rotweinschalotten ist kräftig abgeschmeckt, das Fleisch hat tadellose Qualität. Lachstatar wird begleitet von luftigem Gurkenmousse, grünem Apfel, Senfkörnern und Senfcreme. Fischfans haben die Wahl zwischen einem Loup de Mer mit Selleriepüree, Kartoffel-Pilztortilla und Chorizoschaum und einem gebratenem Seeteufel-Filet mit Pfifferlingen und Weißweinschaum als Tagesgericht. Der Fisch ist auf den Punkt, die Pfifferlinge sind schön klein und aromatisch und die Konzentration auf die wenigen Komponenten genau richtig. Für Carnivoren steht krosser Schweinebauch mit Karottenpüree, Fingermöhren, Edamame und Kümmeljus auf der Karte sowie der Klassiker Entrecôte mit Beilagen wie Sauce Bernaise, Pommes oder Gemüse zur Wahl. Überraschend und spannend kombiniert ist der vegetarische Misotofu mit Urkarottenpüree, geröstetem Brokkoli, süß-saurem Blumenkohl, Zuckerschoten und weißer Mandelsauce. Zum Nachtisch gibt es Mousse au Chocolat und hausgemachtes Sorbet. Die Preise sind nicht nur für Mitte-Verhältnisse angenehm entspannt. Das gilt neben französischen Positionen auch für Naturweine, die bei 24 Euro pro Flasche losgehen.
Das Osterberger ist ein Restaurant für jeden Tag im besten Sinne und schließt eine Lücke im Kiez mit seiner hochwertigen und zugleich relaxten Küche. Der nonchalante Stil der Gastgeber und des Ortes tut sein übriges – und lockt schon jetzt ein illustres Publikum an. Hat Mitte hier seinen neuen Lieblingsort gefunden? In jedem Fall stehen die Chancen sehr hoch, dass der Fluch der Elisabethkirchstraße 2 endlich gebrochen ist.
Osterberger
Elisabethkirchstraße 2, Mitte,