Wohlige Schauer
Wie eine Art sakraler Rückzugsort wirkt das Choi Berlin. Sue Choi zeigt, wie koreanische Küche auch sein kann
Beim Eintreten wird’s einem ganz ruhig und andächtig. Der Gastraum ist mit feiner Hand inszeniert. In der beleuchteten Glaszeile, die den quadratischen Esstresen umrahmt, sind kleine Keramikvasen mit Blüten- und Knospenzweige wie in einem Hausaltar aufgebahrt. Hinter dem schwebendem Weinglas-Regal hängt ein transparentes Leinenleibchen als Display der besonderen Art.
Wie eine aufgeklappte Bibel liegt die Menükarte bereit. Die Seiten kleben in einem antikes Lehrbuch – aus handgeschöpftem Papier. Feuertopfvarianten sucht man darin vergeblich. Die Namen der drei Spezialmenüs, nämlich Sinseon, Seonbi und Sura, sprich vegetarisch, Fisch (Edelfisch Dorade) und Fleisch, sind traditionelle Begriffe aus dem alten Korea, die von Gelehrten und Königsküchen sprechen.
Die Weinkarte zeigt eine Vorliebe für leichte, dennoch würzige Tropfen. Der mineralische Rheingauer Charisma und der feine blumige Grand Cru aus dem Elsass stehen da beispielsweise unter der Rubrik Weiß. Der Sliding Hill Pinot Noir aus Neuseeland und der Malbec aus Argentinien bei Rot. Inhaberin Sue Choi hat ihre Liebe zu Wein in langsamen Schritten entdeckt. Für eine Koreanerin unüblich: So klein das Land Südkorea, so vernachlässigt die Weinkultur, die als elitär und überteuert gilt.
Seit über zehn Jahren lebt die Koreanerin in Deutschland, seit drei Monaten ist sie die Botschafterin einer koreanischen Esskultur. In ihrem Choi-Refugium möchte die ehemalige Projektleiterin eines koreanischen Großkonzerns ein ebenso traditionelles wie weltoffenes kulinarisches Gesicht ihrer Heimat zeigen. Nach Rezepten von Mutter Hyangsuk und Oma Pul-im kocht sie alles selbst. Für bestimmte Originalzutaten aus Korea bemüht sie DHL.
Bei Sue Choi zu essen löst kleine wohlige Schauer aus. Es sind die lässigen Überraschungsmomente, die sich synergetisch in das klare Konzept mischen. Wenn Bossa-Nova-Hintergrundmusik auf frittierte Mozzarella-Bergkäsewürfelchen mit Rettich- und Kumquat-Scheibchen und einen Klecks scharfer Gochujang-Sauce (Peperonipaste) treffen, ist das so einer. Ein ebenso unangemeldeter Zwischengang ist auch der mit Birne, Honig und Sesamöl marinierte Handcut-Tartar mit krossem Knoblauchkrönchen auf Sprossenbett und Mangokränzchen. Die korea-typisch, feinerdig schmeckenden Banchangs (Beilagen) variieren. Ein Hauch von Faserigkeit darf sein. So beim Bracken – einem wilden Berg-Farn, der in getrockneter Form erst in Essigwasser, dann in Sesamöl und Soja gedünstet wird. Zartgemüse wie Steinpilz oder Kohlrabi ergänzen das Ganze. Kürbis ist als süße Porridgecreme mit Nabak- Kimchi auf dem Teller. Der säuerlich, frische Sud aus Napa-Kohl, Rettich und Gurke kann wie eine Kaltschale dazugeschlürft werden. Einen festen Platz auf der Karte hat Choi’s Signature Dish Galbi Jjim – eine in halb-süßer Sauce mit Kastanie, Rettich und Karöttchen geschmorte schwäbische Querrippe vom Rind. Die Liebe zum Detail thront als Eierrauten mit Pinienkernen obenauf. Wer eine filigran interpretierte koreanische Traditionsküche kennenlernen möchte, ist im Choi richtig.
Choi Berlin
Fehrbelliner Straße 4, Prenzlauer Berg,