Glücksfall Brexit?
Das japanische Restaurant Life bringt Entspannung in die Neuköllner Hippster-Gastroszene
Tagsüber werden dort Blumen verkauft und zwischendurch wird japanisches Essen serviert. So die vage Beschreibung eines guten Bekannten zum Restaurant Life. Und das sei gerade angesagt. Irgendwie ermüdend, oder? In Neukölln ist ja immer alles gleich angesagt. Wenn es weltläufig erscheint, wenn es authentische Küche verheißt. Also nun Life! Und es stimmt. Um 18 Uhr werden die Blumensträuße vor der Tür abgeräumt. Sie sind stilvoll arrangiert. Da kann es drinnen nicht so übel aussehen. Das japanische Restaurant ist in zwei Bereiche geteilt, vorne ist eher der Barraum mit einem großen Tisch und noch ein paar Sitzmöglichkeiten, im anderen ist der Restaurantbereich samt offener Küche.
Der Weg ans Maybachufers lohnt sich. Das hat sich rumgesprochen. Nach kurzer Zeit ist eine Reservierung obligatorisch. Für zwei oder drei Personen ist aber nach einer Wartezeit doch immer etwas möglich. Wie an diesem Abend. Der kleine Tisch im Barraum am Fenster ist frei. Und so steht einem überraschend entspannten Abend nichts mehr im Wege. Sprachlich hapert es zwar noch ein bisschen. Das Service-Team ist japanisch-freundlich und bemüht sich in Englisch oder Deutsch den Wünschen der Gäste gerecht zu werden.
Die Karte ist dermaßen umfangreich, dass die Entscheidung schwer, aber die Wahl auf die beiden Menüvarianten fällt. So kommen für zwei Personen schon mal fünf Vorspeisen auf den Tisch: Edamame, Tofu, Gemüse mit Ponzu, frittiertes Hühnchen, eingelegte dünnzarte Rinderfiletscheiben, dann folgen Lachstatar mit Wasabisauce und vier würzige Yakitori-Spieße – Huhn, Rind, Tofu und Kohlblätter umhüllt mit Schinken. Die Misosuppe kommt zwischendurch und eine sogenannte Beef Bowl zum Schluss. Unverfälschte japanische Küche, die nach einfachen Prinzipien und gekonnt zubereitet wird. Die Köche arbeiten nach dem sogenannten Robatayaki-Stil, es wird viel Mariniertes gegrillt.
Unerwarteterweise tauchen gute Bekannte auf, die leider keinen Platz mehr bekommen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen aus dem Speiseraum, in der die Köche in der offenen Küche unermüdlich produzieren. Stimmengewirr, dicke Luft und gute Laune – es ist einfaches Glück, das die Gäste hier finden.
Das ist wohl auch der Erfahrung von Kato, dem Besitzer, zu verdanken. Er hat das Restaurant nach japanischem Izakaya-Konzept zehn Jahre lang in London geführt. Scheinbar hat der Brexit doch auch positive Nebenwirkungen. So hat der Gastronom und Musiker nach den Erfahrungen in der britischen Hauptstadt ein Konzept für Berlin realisiert, das fernab jeglicher Attitude seinen Gästen einen guten Abend garantiert. Ach, und der gute Bekannte hat, was Restauranttipps betrifft, mein volles Vertrauen. (emh)
Life
Maybachufer 39, Neukölln,
Di–Do 12-15 Uhr und 18–2 Uhr, Speisen von 4,60 bis 20 € (Menü), Getränke ab 2,50 €