Große Nähe
Berlin hat manchmal Glück mit Brandenburg. Kulinarisch bewegt sich dort nämlich einiges. Beim Naturgut Köllnitz zum Beispiel geht es um die unmittelbare Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Rinderzucht, Fischerei und Küche. Das Menü ist ein großartiger Beweis, wie das alles miteinander funktionieren kann
Mit dem Auto geht es verhältnismäßig schnell nach Storkow. Nach knapp einer Stunde ist man da. Bei der Ankunft kommt die Erinnerung. Jahre ist es her, da gab es Fischbrötchen zu essen, nach einem Besuch von Ostmost bzw. deren Streuobstwiesen. Und um Fisch drehte sich damals alles, ob frisch oder geräuchert. Den Naturlehrpfad der Heinz-Sielmann-Stiftung gibt es immer noch. Irgendwann waren Berliner Familien bestimmt schon mal hier.
Heute ist es anders. Es ist ein Experiment – das ist an diesem Abend häufig zu hören. Das Restaurant ist bis auf den letzten Tisch besetzt. Es ist einer der ersten Abende, an dem das für Brandenburg einmalige Konzept vorgestellt wird. Und im Raum herrscht eine Atmosphäre aus leichter Spannung. An fast jedem Tisch sitzt eine oder einer der Protagonisten, die zu den einzelnen Gerichten beigetragen haben. Etwas nervös sind sie. Denn sie werden im Laufe des Abends den Gästen über ihre Arbeit berichten.
Jan-Peter Vogel, Betriebsleitung Landwirtschaft, sitzt an einem Tisch mit dem Geschäftsführer Christian Vierth – der sich fast den ganzen Abend mit Christa Evers, der Ehefrau von Hans-Joachim Evers unterhält – sowie der Autorin und Fotografin.
Ein kurzer Vortrag von Jörg Reuter, zweiter Geschäftsführer, über das Konzept von innovativer Feld-See-Weide-zu-Tisch-Küche und es geht mit einer gebrannten Kartoffelcreme und marinierten Rosenkohlblättern los. Es ist der Einstieg in feine brandenburgische Landküche. Dafür sorgt Küchenchef Stefan Ziegenhagen. Er war früher im Berliner Restaurant Neni tätig, seit 2019 ist er Director Food & Beverages bei der Artprojekt Hospitality GmbH und war für drei Restaurants zuständig. Artprojekt entwickelte mehrere Projekte rund um den Scharmützelsee. Ziegenhagen hat sich für das Naturgut entschieden, und zwar mit allem Drum und Dran.
Jan-Peter Vogel hat in der konventionellen Fleischwirtschaft gearbeitet. Die Massentierhaltung war ihm irgendwann zu viel. Er hat sich mit dem Biohof Busch 1996 selbstständig gemacht, unspektakulär für Berliner Verhältnisse, ohne großes Marketing, ohne großen Hype, ohne Sendungsbewusstsein. Seine Rinder und Büffel bekommen ausschließlich Grassilage und Heu aus eigenem Anbau. Seit zehn Jahren züchtet er zudem Wasserbüffel. Seine Tochter unterstützt ihn mittlerweile dabei. Das Unternehmen hat Zukunft, was nicht immer einfach war. An diesem Abend erklärt er den Gästen, dass Grasfütterung nachhaltig ist und eine hervorragende Qualität bringt. Die geschmorte Beinscheibe von der Färse mit Wurzelgemüse und Röstkartoffeln sind Beweis genug.
Das Ehepaar Evers ist 2006 von Göttingen nach Hartensdorf, einem Ortsteil von Herzberg, gezogen. Sie bewirtschaften das Hartensdorfer Gut samt Wald und Ackerland. Ihm gefiel der Wald, ihr die Möglichkeit, hier Gemüseanbau betreiben zu können. Es sei anstrengende Arbeit und es gäbe wenig Interessenten, die sie unterstützen würden. Ehemann Evers hadert mit den Sozialleistungen, mit dem Bürgergeld. Das würde es schwer machen, für einfache Arbeit jemanden zu finden. Ein Thema, das die gesamte Landwirtschaft beschäftigt, zusätzlich zu den Nachwuchssorgen.
So zum Beispiel die Hühnerzucht auf der Wiese, Paul Schwenzer erklärt einfach, was an ihrer Arbeitsweise besser ist, warum sie z.B. auch mit Zweitnutzungshühnern arbeiten. Und die Gäste genießen das Hühnerei mit geschmortem Lauch und Nussbutter sowie die Roulade vom Bruderhahn.
Andersherum funktioniert das mit dem Naturgut Köllnitz. Nicht der Koch sagt, was in die Töpfe oder bei den Gästen auf den Tisch kommt, sondern das, was die Produzent*innen liefern können, ist hier das ausschlaggebende Kriterium. Patrick Roth erklärt vor dem Gang mit dem geräucherten Saibling, wie sie in jahrelanger Arbeit das Räuchern mit Buche und Erle verfeinert haben.
Und schließlich erläutert Frederik Buhrke, er ist Betriebsleiter der Fischerei, dass Zander nur dann serviert wird, wenn es an der Zeit ist – die Schonzeit dauert bis Juni – und wenn es der Ertrag hergibt.
Naturgut Köllnitz
Groß Schauener Hauptstraße 31, 15859 Storkow (Mark),
Bauer x Fischer x Koch
Infos und Buchung auf