Fotos: Selina Schrader Boris Frank
Boris Frank

„Da sind wir anders!“

Bio ist im Mainstream angekommen. Was unterscheidet Bio Company von anderen Supermärkten, die auch Biowaren im Angebot haben? Boris Frank ist Marketing-Chef und erklärt, wie eine klare Positionierung aussieht

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Herr Frank, wie lange sind Sie schon Marketingleiter bei der Bio Company?
Boris Frank: Ich bin seit Februar 2018 dabei. Vorher war ich Geschäftsführer bei Bringmeister. Das ist ein Lebensmittel-Lieferservice in Berlin und München. Das Geschäft entwickelt sich nicht so stark, wie man sich das erhofft hat. In England ist das anders. Die Deutschen kaufen noch gerne im Laden ein. Die Deutschen lieben ihre Bedientheken.

Ein spannendes Thema, aber zurück zur Bio Company. Sie sind derjenige, der die neue Kampagne ins Leben gerufen hat. Fing es mit „Was ist es dir wert?“ an?
Das war nur ein Puzzlestück der Kampagne. Die Idee war, auf das Thema Umgang mit Ressourcen aufmerksam zu machen und auf Lebensmittelverschwendung. Daraus ist die Idee geboren worden: „Kauf Weniger!“ Das passt nicht nur zu Lebensmitteln, das passt grundsätzlich auch in die heutige Zeit, in der die Konsumgesellschaft sich Gedanken macht, wie sie mit wertvollen Ressourcen umgeht.

Unternehmerisch gedacht bringt Ihnen die Aktion „Kauf Weniger“ aber nichts.
Der Slogan „Kauf weniger: Weniger Fleisch schmeckt nicht weniger lecker“ ist intern intensiv diskutiert worden. Der Fleischfachbereich hat gesagt. „Warum sollen wir jetzt weniger Fleisch verkaufen?“ Aber es zeigt, wie wir als Firma denken und was uns wichtig ist. Wir hatten nicht vor, damit Systemkritik zu üben. Wir sagen ja nicht: „Kaufe nichts!“

Sie wollten also einen Anstoß geben, um über die Lebensmittelverschwendung nachzudenken. Hat die politische Jugendbewegung mit Fridays for Future auch bei Ihnen in der Bio Company etwas ausgelöst?
Wir versuchen schon seit vielen Jahren, bei diesen Themen gesellschaftlich etwas zu bewegen. 2012 waren wir damals Gründungshelfer von Foodsharing. Dass wir also Lebensmittel, die wir übrig haben, Organisationen ...

... wie die Berliner Tafel zum Beispiel ...
Ja, auch an die Berliner Tafel. Aber Foodsharing ist ein System, da kann sich jeder anmelden und wird dann informiert, wenn in den Supermärkten oder anderen Geschäften Lebensmittel übrig sind und wo man sie abholen kann. In unseren Märkten versuchen wir, die Waren so sorgfältig wie möglich einzukaufen, um gar nicht erst einen zu hohen Bestand zu haben. Das ist immer eine Herausforderung, wir wollen ja auch eine Vielfalt präsentieren. Wenn wir feststellen, dass eine Ware sich nicht verkauft, setzen wir sie um 20 bis 50 Prozent herunter und was dann nicht weggeht, bieten wir den Mitarbeitern an. Das machen sehr wenige oder fast keine anderen Supermärkte oder Lebensmittelhändler. Weil sie verhindern wollen, dass Mitarbeiter das zu manipulativen Zwecken benutzen.

Es herrscht also ein allgemeines Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern in konventionellen Supermärkten?
Das ist oft so im Lebensmitteleinzelhandel. Wir machen da eine Ausnahme. Die Waren, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben und die wir nicht mehr verkaufen können, bieten wir den Mitarbeitern an. Und wenn davon etwas übrig bleibt, geben wir es den Lebensmittelrettern, Foodsharing oder den Tafeln.

Es ist auffällig, dass Sie ausgerechnet jetzt offensiv nach außen gehen.
Alle Welt wirbt heute mit Bio. Aldi sagt von sich, wir sind der größte Bio-Händler. Rewe und Edeka haben anscheinend den regionalen Bezug erfunden und tun so, als ob der größte Teil ihrer Ware aus der Region kommt. Das ist deren Image-Werbung. Wir haben nicht diesen Millionen-Etat an Werbegeldern wie die Konzerne, wir sind ein kleines mittelständisches Unternehmen. Wir glauben, dass wir viele Dinge anders machen, nachhaltiger und besser. Und vor diesem Hintergrund war es uns schon wichtig, den Kunden mitzuteilen, was uns unterscheidet.

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Sie wollen das Profil klarer zeichnen?
Wir haben Kunden, die uns seit 20 Jahren treu sind und mit uns aufgewachsen und groß geworden sind. Es sind aber auch viele junge Menschen da draußen, die auf einmal von Rewe, Lidl und Co. gesagt bekommen, sie wären der größte Bio-Händler. Und so gesehen ist uns auch ein Anliegen, in diesen Zeiten mehr Profil zu zeigen und uns klar zu positionieren, damit auch diese Generation weiß, was uns von den anderen unterscheidet.

Das Problem oder das ausschlaggebende Argument ist wie bei allem der Geldbeutel. Bei Rewe oder Aldi bekomme ich Bioware, bei der der Preis nicht wehtut.
Wir versuchen so viel wie möglich aus der Region einzukaufen. Das hat damit zu tun, dass man auf der einen Seite einen geringeren CO2-Ausstoß hat, weil die Fahrer einfach einen kürzeren Weg haben. Auf der anderen Seite stärkt man damit die Wirtschaft in der Region. Es mag in der Tat so sein, dass zum Beispiel ein Ei von einem Demeterhof aus Brandenburg teurer ist als ein EU-Bio-Ei aus einem Großbetrieb in Dänemark, der auch Bio sein kann, aber durch seine Größe andere Kostenstrukturen hat. Aber man kann bei uns mit der Bio-Company-Eigenmarke Bio zum Einstiegspreis kaufen. Das ist natürlich etwas teurer, weil wir eben nicht die Größe haben wie ein Discounter. Aber vielen Kunden ist es das eben auch wert, weil sie damit viele kleinere Betriebe und lokale Bauern unterstützen und keine Großbetriebe. Und oft liegt ja das Problem auch gerade in unkontrollierbaren großen Betrieben.

Die EU-Bio-Verordnung ist so weit gefasst, dass es durchaus auch Massentierhaltung mit dem EU-Bio-Siegel geben kann. Ist die Bio Company ein Garant für Tierwohl?
Beispiel Legehennen: Die EU-Bio-Verordnung schreibt vor, dass nur eine gewisse Anzahl an Hennen in einem Stall sein darf. Von manchen Betrieben wird das umgangen, indem sie einfach irgendwo eine Grenze ziehen und sagen, hier hört der Stall auf. Und dann bauen sie fünf Zentimeter nebenan den nächsten Stall. Damit haben sie auf einmal die doppelte Menge, aber per Definition kann ihnen keiner etwas vorwerfen. Das ist bei uns nicht so. Wir setzen auf Partner, die alle Vorschriften ernst nehmen. Wir besuchen unsere Betriebe und es gibt offizielle Kontrollen. Unsere Eier-Lieferanten kennen wir alle.

Vor Kurzem waren ja die Bauern mit ihren Traktoren in Berlin. Waren da auch welche von euch dabei?
(Lacht) Wenn ich es richtig mitbekommen habe, haben sich die Bauern vor allem aufgeregt, weil ihnen von der Politik zu viele Regeln auferlegt wurden. Stichwort Gülle und Nitrat. Und sie sehen sich als Opfer. Ich vermute, dass da wenige Bio-Bauern dabei gewesen sein können. Die erfüllen seit geraumer Zeit den Großteil der Bedingungen und die wollen genau die Wende, die jetzt kommt.

Bei der nächsten Aktion von Ihnen geht es ums Mindesthaltbarkeitsdatum.
Wir haben uns schon länger darüber Gedanken gemacht, wie wir dem Kunden erklären können, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht gleichzusetzen ist mit dem Wegwerfdatum. Wir hatten überlegt, ob wir mit Akteuren aus der Branche ein weiteres Haltbarkeitsdatum einführen, das über eine gewisse weitere Zeit garantiert, dass das Lebensmittel noch genießbar ist. Das hat sich als extrem schwierig dargestellt, weil viele rechtliche Themen wie die Haftbarkeit eine Rolle spielen.

Wenn Sie also noch ein paar Tage die Genießbarkeit garantieren und das Produkt ist ungenießbar geworden ...
... dann hat man ein Haftbarkeitsproblem. Man müsste bei allen Lebensmitteln noch einmal neue chemische Analysen durchführen, um genau zu berechnen, bis wann das haltbar ist. Wir haben das mit mehreren Herstellern unserer Eigenmarke probiert und haben gemerkt, es besteht Interesse, aber es ist sehr schwer umzusetzen. Vor kurzer Zeit kam die Initiative „Too Good to Go“ auf uns zu. Sie haben eine App entwickelt, die zeigt, wo noch Lebensmittel übrig sind, haben aber auch eine Mindesthaltbarkeitsinitiative gegründet. Die beinhaltet, dass man einfach auf die Lebensmittel drucken sollte: „Oft länger gut“ und „Schauen, Riechen, Schmecken“. Und das fanden wir eine super Idee. Das macht die Kunden auf einfache Weise darauf aufmerksam, dass sie mit ihren Sinnen nochmal überprüfen sollen, ob das Lebensmittel gut oder eben nicht gut ist. Und das ist für uns auch umsetzbar. Wir werden das jetzt bei allen Produkten unserer Eigenmarke neben das Mindesthaltbarkeitsdatum setzen.

Vermutlich trauen sich manche gar nicht zu einzuschätzen, ob das noch verzehrbar ist oder nicht.
Das mag sein. Wir sind der Meinung, es ist immer noch besser, zu sagen „benutz deine Sinne“ als gar nichts zu tun. Es ist doch nicht so, dass von einem Tag auf den anderen um Mitternacht das Lebensmittel verfällt und nicht mehr genießbar ist.

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Wenn die von Ihnen regional bezogenen Produkte, wie zum Beispiel zu den Festtagen die Gänse, alle ausverkauft sind, was dann?
Wir haben nur das, was wir haben. Wir versuchen natürlich, mit den Bauern den regionalen Bedarf abzustimmen. So ist das bei Gänsen eben auch. Wenn wir keine regionale Ware mehr haben, dann ist auch mal etwas ausverkauft. Das passiert bei uns selten, aber womöglich eher mal als im konventionellen Handel. Und die größte Herausforderung ist es, unseren Kunden zu erklären, warum manche Dinge anders sind. Weil sie es nicht gewohnt sind, weil im konventionellen Handel immer alles zu haben ist.

Um diese Dinge den Kunden zu erklären brauchen Sie geschultes Personal. Alle klagen über Personalmangel. Ist das bei Ihnen auch ein Thema?
Wir haben dieselben Herausforderungen wie momentan andere Händler oder andere Branchen auch. Es hat sich die Mentalität gewandelt. Früher waren es eher Leute, die aus dieser Bio-Welt kamen und mit der größten Leidenschaft bei uns eingestiegen sind. Heute kommen die Mitarbeiter auch schon mal aus dem konventionellen Bereich, die das gut finden, was wir machen. Keiner von ihnen ist von Tag eins an Bio-Spezialist. Dafür haben wir interne Schulungen. Manches Wissen kommt mit der Arbeit und mit der Zeit, sie lernen von den Kollegen.

Was kann man zukünftig von Ihnen im Marketingbereich erwarten?
Das Thema artgerechte Tierhaltung liegt uns sehr am Herzen. Daher werden wir in den nächsten Wochen auf die Fleisch- und Wurst-Produkte unserer Biomanufaktur Havelland in Velten bei Berlin hinweisen, gerade vor dem Hintergrund der ganzen Fleisch-Skandale, die wir in der letzten Zeit erlebt haben. Da wollen wir uns noch einmal abgrenzen und sagen: Da sind wir anders!

Bio Company
www.biocompany.de