Foto: Selina Schrader Antje Leinemann
Antje Leinemann

„Deshalb passt das Thema House of Food perfekt zu uns“

Der zentrale Treffpunkt der letztjährigen Berlin Food Week war das Bikini Berlin. Was diese Mall besonders macht und welchen Stellenwert Food bei den Besuchern hat, erklärt Bikini-Geschäftsführerin Antje Leinemann bei einem Treffen im Kantini

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Selina Schrader

Wenn man Ihnen zuhört, ist ein nordischer Ton zu erkennen. Sind Sie ursprünglich ein Nordlicht?
Antje Leinemann: Ja, gebürtig bin ich aus Bremen. Aber ich bezeichne mich inzwischen als Berlinerin. Ich bin seit den achtziger Jahren immer mal wieder hier und bin immer mal wieder weg. Berlin ist meine Wahlheimat und wenn es nach mir geht, gehe ich auch nicht mehr weg.

Und was waren Sie in Ihrem vorherigen Leben?
In meinem vorherigen Leben war ich viele, viele Jahre Geschäftsführerin von Karstadt-Filialen in Berlin und in Hamburg. Meine letzte Position war Regionalleiterin für die Karstadt-Filialen in Berlin und Ostdeutschland. Und von da bin ich hierher gewechselt.

Genau zur richtigen Zeit?
Für mich war es das perfekte Timing.

Jetzt sind Sie seit zweieinhalb Jahren Geschäftsführerin von Bikini Berlin. Seit Sie hier sind, hat sich ständig etwas verändert.
Dass viel mit meinem Herzblut und meiner Einstellung versehen ist, das ist klar. Aber ich habe ein fahrendes Schiff übernommen, ich kann dem zwar noch eine Richtung geben, aber das Konzept ist ja unabhängig von mir entstanden. Das wird jetzt feinjustiert und immer wieder den Gegebenheiten angepasst. Das ist in der Tat der Job der Mannschaft, die das jetzt macht.

Für Aufsehen sorgte die Eröffnung von Kantini. War das schon geplant, als Sie kamen?
Nein, die Planung eines Foodmarkets habe ich mit meinem Team und der Bayerischen Hausbau, Eigentümerin von Bikini Berlin, gemeinsam entwickelt.

Sie haben damit auf den Zeitgeist reagiert, auf die Relevanz von Essen und Trinken?
Genau, die wachsende Bedeutung von Gastronomie im Einzelhandel ist überall deutlich zu erkennen. Und für uns hier am Standort haben sich die Bedingungen insoweit verändert, weil wir im Umfeld viele neue Hotels haben und die City-West einer der gefragtesten Büro-Standorte in ganz Berlin ist. Alle Leute, die in den Hotels wohnen oder in den Büros arbeiten, sind ja darauf angewiesen, dass sie etwas zu essen kriegen. Hier gibt es zwar die üblichen Verdächtigen, aber die Leute, die hier jeden Tag sind, die haben eben nicht jeden Tag Lust auf – ich will jetzt keinem zu nahe treten – das klassische Fastfood, auch wenn es noch so lecker ist.

Foto: Selina Schrader Antje Leinemann 1

Sie haben sich also den Standortvorteil zunutze gemacht, denn die Nachfrage nach Abwechslung ist groß.
Es ist auch schwierig, sich in der Mittagspause zum Beispiel zu fünft auf ein Essen zu verständigen. Wir dachten uns, wir haben eigentlich den perfekten Standort, um Streetfood, Szene-Gastronomie, neue Konzepte und eben auch die Verschiedenartigkeit an einem Platz zu zelebrieren. Und gleichzeitig für die, die da sind, ein alternatives, authentisches, neues Konzept, direkt auf diesem Standort City-West und ein bisschen mit der DNA von Bikini Berlin versehen, anzubieten. Und weil wir mit Streetfood dank der Berlin Food Week bei uns schon gute Erfahrungen hatten, haben wir diese ganzen Aspekte zusammengerührt.

Dann wurde also Kantini mit der eindrucksvollen Innenarchitektur realisiert.
Es gab eine Rohbaufläche, die nicht erschlossen war, und wir haben in den Teil diese große Loggia eingebaut – das ist ein 18 mal drei Meter großes Fenster – und das war ein Teil dessen, was diesen Kantini-Reiz ausgemacht hat. Dann sind unsere Vermieter auf die Suche gegangen nach einem Mix aus neuen und etablierten Konzepten. Und die Loggia ist natürlich ein Highlight, wo man gleichzeitig drinnen und draußen sitzen kann – ein ganz spezielles Ambiente mit Verweilqualität.

Sie haben die Berlin Food Week erwähnt ...
Seit vier Jahren arbeiten wir mit der Berlin Food Week zusammen. Letztes Jahr fand hier das House of Food schon an einem Tag statt, und das war so erfolgreich, dass jetzt zwei Tage daraus geworden sind, ein Freitag und ein Samstag. Die Berlin Food Week erstreckt sich zwar immer über verschiedene Locations in Berlin. Wir sind aber das House of Food mit über 50 Ständen, die wir insgesamt haben werden.

Ganz am Anfang hat die Berlin Food Week nur auf den Terrassen stattgefunden.
Auch dieses Mal gibt es 13 Stände auf der Dachterrasse und drei bis vier Stände vor dem Bikini Berlin auf dem Vorplatz. Aber im inneren Bereich der Mall, also gerade im Atrium, werden sich die meisten Stände konzentrieren. Kantini wird auch mitmachen und Sonderangebote oder besondere Specials anbieten, zudem findet bei uns im Spreegold die Berlin Lobster Rumble statt.

Geht das Konzept Shopping-Mall und Eventlocation auf?
Ja, deshalb passt das Thema House of Food perfekt zu uns. Einerseits zeigt es die besondere Bedeutung von Food im Einzelhandel auf. Andererseits ist es Teil des Markenkerns von Bikini Berlin, Eventlocation zu sein. Wir sind ja nicht nur Einzelhandels­standort, sondern haben uns auch mit Fashion, Food, Design auf der Eventschiene einen Namen gemacht. Deshalb passen solche Konzepte wie Berlin Food Week und House of Food perfekt zu uns.

Ist das noch erweiterbar oder sind da Grenzen gesetzt?
Aus heutiger Sicht sind wir an den Grenzen. Wir haben jetzt einen Gastronomieanteil von 28 bis 29 Prozent. Das ist internationaler Standard, in Deutschland geht die Entwicklung erst dahin. Wir sind Vorreiter in Deutschland. Das merken wir daran, wie oft Kollegen nachfragen, wie oft wir auch Führungsanfragen explizit für Kantini haben.

Diese Art von Food-Court gibt es also so nicht noch einmal in Berlin?
Nein, das haben wir uns ausgedacht. Wir haben national und international Inspiration gesucht, zum Beispiel in der Markthalle Neun oder im Time Out Market Lissabon. Und von all diesen Ideen haben wir uns inspirieren lassen und unseren ganz persönlichen Mix entwickelt. Deshalb hat das Ding ja auch einen eigenen Namen gekriegt und heißt nicht Food-Court Bikini Berlin, sondern Kantini.

Sie sagen, es kommen viele Leute aus der Umgebung. Aber ist es nicht auch ein Anreiz für Touristen und Flaneure, hier mal vorbeizugucken?
Das ist das Spannende, dieser Mix aus Leuten, die sich im Kantini schöne Stunden machen. Man sieht hier Leute mit Koffern – das sind Reisekoffer, das sind aber auch Businesskoffer –, man sieht hier Leute im Anzug, man sieht hier Gruppen von Frauen mit Kinderwagen, man sieht hier ältere Herrschaften, die morgens ihren Cappuccino trinken und sagen, so eine Waffel hab ich ja noch nie probiert, das muss ich mal testen. Hier haben wir alles und das ist gerade der besondere Charme.

Sind die Preise auch so bunt und vielfältig wie Ihr Publikum?
Ja, aber in der Gastronomie hat man nicht so eine breite Preisspanne. Wir könnten jetzt nicht eine Currywurst anbieten, die dreimal soviel kostet wie am Bahnhof Zoo nebenan. Es ist ja auch nicht unser Anspruch, entweder billig oder besonders teuer zu verkaufen, sondern wir nehmen die Preise, die für die Qualität, die wir hier anbieten, marktüblich und gerechtfertigt sind.

Foto: Berlin Food Week Bikini Berlin

Dann kommen wir mal vom Mix im Foodbereich zum Mix im ganzen Haus. Es ist sehr viel Bewegung hier, manche würden sagen unstet, andere sagen, das ist Programm.
Es ist ein essenzieller Bestandteil von Bikini Berlin, sich immer wieder neu zu erfinden. Wir sind berühmt für Pop-up-Konzepte. Klar wird das dem einen oder anderen, der verlässlich immer das Gleiche haben will, unruhig vorkommen. Aber es gibt genauso viele, die das als spannend empfinden, dass es sich immer lohnt, hier regelmäßig herzukommen, um zu gucken, was es Neues gibt. Uns geht es darum, zwischen diesen beiden Tendenzen einen ausgewogenen Mix zu finden. Wir haben noch ganz viele Mieter der ersten Stunde, wir sind jetzt im fünften Betriebsjahr, da sind ganz viele von Anfang an dabei. Und wir haben auch schon etliche Mieter, die ihre Option für die nächsten fünf Jahre gezogen haben, die dann also zehn Jahre Mieter bei uns sein werden. Wir haben für schnelleren Wechsel unser Boxes-Konzept, das sich nach wie vor größter Beliebtheit erfreut. Wir haben inzwischen ganz viele ehemalige Box-Mieter, die zu langfristigen Mietern geworden sind.

Im Augenblick sieht es so aus, als ob keine Fläche mehr frei ist.
Ja, das stimmt. Zwar kommt es immer mal wieder vor, dass zwischendurch einer rausgeht oder dass Verträge nicht verlängert werden oder dass wir mal befristete Mietverträge haben. Und weil wir jetzt hier in der ersten Etage die Gastronomie konzen­trieren, haben wir entschieden, dass wir das, was vorher im Erdgeschoss Gastronomiefläche war, in Einzelhandelsflächen umwandeln. Aber wir können unsere Mauern ja nicht verschieben, irgendwann ist Schluss. (Lacht)

In Berlin scheint jedes Jahr mindestens eine neue Mall zu eröffnen. Ist das auf Dauer zukunftsfähig?
Die Berliner sind neugierig und aufgeschlossen. Wenn es etwas Neues gibt, dann stürzen sie sich darauf und fällen dann hinterher ihr Urteil. Und sollte das Urteil negativ ausfallen, dann sieht man sie auch eine ganze Weile nicht mehr. Dann muss man ganz schön strampeln, dass man im Interesse der Berliner wieder nach oben rückt. Wir haben in Berlin, laut dem, was man an Zahlen ablesen kann, schon längst eine Sättigung an Einzelhandelsflächen und trotzdem wird noch weiter gebaut. Dass das langfristig an der einen oder anderen Stelle auf Verdrängung hinausläuft, ist eigentlich logisch. Umso wichtiger ist es für uns, dass wir unsere Einzigartigkeit beibehalten. Wir besetzen eine Nische und sind erfolgreich damit. Wir wollen nicht jeden und nicht jeder will zu uns.

Wenn man weiße Socken kaufen will, dann geht man nicht ins Bikini ...
Aber wenn man etwas Besonderes kaufen will und wenn man ein Event erleben will, dann kommt man zu uns.

Bikini Berlin
Budapester Straße 38-50, Tiergarten, www.bikiniberlin.de