Fotos: Mine Restaurant Aufmacher Mikhail Mnatsakanov
Mikhail Mnatsakanov

„Ich bin kein Zauberer, also muss ich mit guten Produkten arbeiten“

Ist ein Armenier der bessere Italiener? Vor geraumer Zeit eröffneten Vater und Sohn Mnatsakanov das Restaurant Mine. Das führt Sohn Mikhail und überrascht mit einem Mix aus frischer hochwertiger italienischer Küche und einem Touch Neu­interpretation

Interview: Eva-Maria Hilker

Wie kommt es, dass Sie gerade auf italienische Küche setzen?
Mikhail Mnatsakanov: Wie Sie wissen, sind wir keine Italiener, wir sind gebürtige Armenier. Mein Vater hat in St. Petersburg auch die ersten Restaurants eröffnet. Er hat einen sehr starken Bezug zu Italien und hat Mitte der 90er Jahre angefangen, europäische Weine nach Russland zu importieren. Dabei reiste er durch ganz Europa, und Italien hat es ihm angetan: die Gastfreundschaft, die Konzentration auf regionale Produkte.

Aber es ist eben nicht die puristische italienische Küche, die im Mine serviert wird?
Die Idee ist, die Wurzeln der italienischen Küche mit guten Produkten und einer familiären Atmosphäre samt entspannender Gastfreundschaft zu etablieren. Ich empfange die Gäste meist persönlich. Es soll sich wie zuhause anfühlen, familiär, nicht formal und steif. Und Ich bin kein Zauberer, also muss ich mit guten Produkten arbeiten.

Gibt es überhaupt Parallelen zur russischen Küche? Vielleicht die gefüllten Teigtaschen?
Ich liebe Teigtaschen aller Art. Aber die italienischen sind vielfältiger und aromatischer. Die russischen sind etwas rustikaler.

Sie servieren einen speziellen Prosecco.
Wir schenken den Prosecco Decordi Арама Мнацаканова aus. Der wird speziell für uns in Magnum-Flaschen abgefüllt. Mein Vater und ich legen großen Wert auf Exklusivität. Es ist uns wichtig, dass wir etwas Besonderes zu bieten haben.

Sie sprechen hervorragend Deutsch. Wie lange sind Sie schon in Berlin?
Erst mal war Deutschland unser Ziel. Wir waren anfangs auf der Suche. Eine sehr gute Freundin unserer Familie lebt hier in Berlin. Und sie war es auch, die uns den Einstieg erleichtert hat. Wir haben schnell eine Wohnung in Mitte gefunden und meine Schwester und ich sind dann zur Schule gegangen. Ich war 15 Jahre alt, meine Schwester 13 Jahre. Wir hatten zwar in St. Petersburg zwei Jahre Deutsch als Fremdsprache, aber ehrlich gesagt hatten wir kaum einen ernstzunehmenden Wortschatz, vielleicht gerade mal zehn Worte griffbereit (lacht).
Doch wir haben schnell gelernt. In der Schule wurde kein Wort russisch gesprochen, in unserem Alltag haben wir kein russisch gesprochen und täglich ging es zusätzlich in die Sprachenschule am Nollendorfplatz. Nach einem Jahr konnte ich allem folgen.

Mikhail Mnatsakanov 1

Russen und Berliner hatten und haben nicht immer eine innige Beziehung. Ist jetzt eine andere Generation in Berlin angekommen?
Ich weiß, was Sie meinen. Wenn ich Urlaub in der Türkei gemacht und russische Touristen gesehen habe, war ich froh, dass ich nicht aussehe wie ein Russe. Sodass sie mich nicht angesprochen haben. Aber es ist immer eine Frage der Kultur, der Herkunft, welche Bildung man hat. Es gibt immer und bei jeder Nationalität Leute, die in einer Zeit stehen geblieben sind. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diejenigen, die 1995 hierher gekommen sind, gedanklich immer noch in dieser Zeit leben.

Wie ist das Understatement der jüngeren Generation?
Sie versteht sich als multikulturell, sie ist zweisprachig aufgewachsen. Sie sprechen sowohl sehr gutes Russisch als auch Deutsch und die jüngere Generation weiß die Internationalität dieser Stadt zu schätzen.

Wie würden sie ihre Gäste beschreiben?
Ein Teil sind russische Gäste, aber sonst ist das Publikum sehr gemischt. Sie dürfen nicht an dem Klischee festhalten, dass alle, die Russisch sprechen, auch Russen sind. Es gibt Gäste aus Israel, aus der Ukraine, aus Kasachstan oder aus Aserbaidschan, sie sprechen zwar russisch, aber es sind alles unterschiedliche Nationalitäten. Gestern hatten wir eine kleine Veranstaltung am Chef ’s Table. Drei Frauen aus München und Berlin und zwei Frauen aus St. Petersburg haben sich dort zum ersten Mal getroffen. Sie haben danach ihre Telefonnummern ausgetauscht und wollen sich demnächst treffen. Zum Kochen und zum Schnitzel essen.

Sie arbeiten täglich im Restaurant?
In der Gastronomie musst du immer dabei bleiben. Das ist nicht nur wichtig für die Mitarbeiter, auch für die Gäste. Denn ich als Chef kann auf die jeweilige Situation anders reagieren als einer der Kellner. Ich habe mehr Möglichkeiten. So kann ich Fehler mit Großzügigkeit ausmerzen, mit einer Flasche Wein zum Beispiel. Dann erfahre ich auch direkt das Feedback der Gäste. Da ist niemand dazwischen und erklärt aus seiner Sicht das Geschehen. Die Frage, wie den Gästen das Essen gefällt, wird direkt beantwortet. Und ich kann entscheiden, was verbessert werden muss.

War es schon immer Ihr Wunsch in der Gastronomie zu arbeiten?
Ich bin da reingewachsen. Mein Vater hat mir angeboten ihm zu helfen. Da war ich gerade mal 15 Jahre alt. Da weiß man noch nicht, was man mal werden will. Es hat mir Spaß gemacht mein erstes Geld, das erste Trinkgeld zu verdienen. Dann sind wir nach Berlin gezogen. Nach einem Jahr habe ich in Berlin als Spüler und Kellner im Gorki Park zwei, drei Tage in der Woche gearbeitet.
Im Alter von 19 Jahren ging ich zurück nach St. Petersburg und habe mit meiner Schwester eine Bar aufgemacht – eine Cocktailbar, die gibt es bis heute. Wir waren die Ersten, die frische Zutaten benutzten wie Beeren, Kräuter, Früchte. Unsere Barkeeper waren auch Rapper. Wie waren zu viert. Wir hatten zwischendurch unglaublichen Spaß. Aber diese Nachtarbeit ist psychisch und physisch wirklich sehr anstrengend. Wir haben die Bar dann an die Keeper übergeben.
Daraufhin habe ich meinem Vater im Einkauf geholfen. Wir hatten schon mehrere Restaurants und die mussten strukturiert und zentralisiert werden. Sodass nicht jedes Restaurant seine Einkäufe nach Gutdünken tätigt. Ich hatte die Kontinuität und Verbesserung der Qualität der Produkte im Blick und die Preise – das hat vier Jahre gedauert bis das so war, wie wir uns das vorgestellt haben.

Das Arbeiten mit Zahlen hat Ihnen aber auf Dauer keinen Spaß gemacht?
Ich wollte gerne kreativ sein. Ich bin nach Paris und habe kochen gelernt. Sechs Monate war ich auf der École Grégoire-Ferrandi. Das war wie bei der Armee. Während meines anschließenden Praktikums im l’Atelier de Joël Robuchon kam der Anruf meiner Frau, dass wir unser erstes Kind bekommen. Ich habe meine Ausbildung in Berlin, im Hotel de Rome beendet.

Und dann war klar, dass Sie in Berlin bleiben?
Meine Frau, das Kind und ich sind nach St. Petersburg geflogen, um zu entscheiden wo wir leben wollen. Für meine Frau war schnell klar, Berlin soll es sein. Wir wollen für das Kind die besten Voraussetzungen. Und wir wollen uns was Eigenes aufbauen. Die Lebensqualität und die Stadt Berlin sind uns sehr ans Herz gewachsen.

Mine
Meinekestraße 10, Charlottenburg, Tel. 030 88 92 63 63, www.minerestaurant.de