Fotos: Belek Wunderlich Aufmacher Marc Lorenz
Marc Lorenz

„Die Straße und der Kiez sind für mich spannendes Neuland“

Aus Altberlin ist Lulu Guldsmeden geworden. Eine dänische Hotelgruppe hat aus dem Haus mit dem angestaubtem altberliner Flair ein zeitgemäßes Hotel gemacht. General Manager Marc Lorenz und sein Team sorgen für eine weitere, neue Facette der Potsdamer Straße

Interview: Eva-Maria Hilker • Fotos: Belek Wunderlich

Ein klein wenig merkt man an Ihrer Sprache, dass Sie nicht gebürtiger Berliner sind.
Marc Lorenz: Ich bin in der Schweiz geboren und in Stuttgart aufgewachsen. Ich war 22 Jahre nicht in Deutschland. 20 Jahre lang habe ich für die Hotelkette Hyatt gearbeitet und war überall in der Welt in den Hotels als General Manager tätig. Irgendwann reifte die Idee, dass unsere beiden Kinder das Land eines ihrer Elternteile kennenlernen, auch näher an ihren Großeltern sein sollten. Und vor einem Jahr haben wir uns entschlossen nach Berlin zu ziehen. Und jetzt ist die Stadt unsere Wahlheimat.

Wie sondiert man die Lage, wenn man ganz neu in einer Stadt wie Berlin ist?
Angekommen sind wir im August 2016. Wir hatten für die Kinder eine Schule gesucht und gefunden bevor wir hierher gezogen sind. Dann wussten wir, wo wir wohnen wollten. Mir war sehr wichtig, dass zum ersten Mal in meinem Berufsleben die Familie im Mittelpunkt steht. Dass ich mich um die Kinder kümmern kann und dass wir alle gut ankommen. Meine Frau ist Kanadierin, das ist sprachlich auch eine Herausforderung gewesen. Die Kinder sind zwar zweisprachig aufgewachsen. Das hat geholfen, aber das schulische Fachwissen gab es noch nicht. Es hat ein halbes Jahr gedauert bis die Mädels auf Stand waren. Mit dem Timing hätten wir nicht viel länger warten dürfen.

Wie sollte es mit ihrer berufliche Laufbahn weitergehen?
Mein Traum war es, ein eigenes Hotel zu führen. Aber in Angriff genommen habe ich das ohne großen Plan. Ich habe alte Kontakte aufgefrischt. Mit Leuten aus dem 25hours gesprochen, aus dem Soho House, aus dem Rocco Forte. Ich wollte ein Gefühl zu der Stadt und ihrer Hotellerie, zu kleineren Hotelketten bekommen. Immobilien habe ich mir auch angesehen.

Kannten Sie die Potsdamer Straße, das Altberlin schon vorher?
Das Altberlin nur von Bildern. Einmal bin ich vorbei gelaufen – aber habe es kaum wahrgenommen. Ich war auf dem Weg ins Restaurant Panama und ich kenne auch die Victoria Bar. Barchef Stefan Weber war wohl einer der ersten hier in der Straße. Die Straße und der Kiez sind für mich spannendes Neuland. Hier gibt es tolle Nachbarn, die Geschichten erzählen können.

Heute ist im ehemaligen Altberlin kaum etwas wiederzuerkennen. Die Baumaßnahmen wie die Investitionen müssen doch erheblich sein?
Es musste investiert werden. Das Dach wurde komplett ausgebaut. Aber die ziemlich hohen Investitionen sind mit einem langfristigen Pachtvertrag abgedeckt. Wir haben alles rausgeholt, aber prägende Teile belassen, wie das Treppenhaus. Dann haben wir fast überall den Putz abgeschlagen, so dass die Backsteine zum Vorschein kommen.

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Noch mal zurück zum Anfang – wie sind Sie dann zu Ihrem Job als General Manager für Lulu Guldsmeden gekommen?
Ich bin auf angenehme Weise einfach reingeschlittert. Anfang des Jahres habe ich zufällig einen Partner, Peter Liokouras, dieses Hotel-Projekts getroffen. Der andere Partner, Marc Weinert, ist der Gründer von Guldsmeden, sie sind seit der Kindheit befreundet. Die beiden haben in den letzten zehn Jahren viel Zeit in Berlin verbracht, sie lieben die Stadt. Irgendwann wollten sie eine Hotelimmobilie finden und eben ein Guldsmeden etablieren, das erste in Deutschland.

Guldsmeden – weder den Namen noch das Hotel kennt hier jemand, oder?
Das stimmt. Doch das Haus hier ist der erste große Schritt, sich in Deutschland zu etablieren. Gegenwärtig existieren fünf Häuser in Kopenhagen und das erste Hotel überhaupt in Aarhus. Es wurde 1999 eröffnet. Das Ehepaar Weinert hat das gegründet. Es war anfänglich ein Haus mit 22 Zimmern, also ein kleines Hotel und die Realisierung ihrer Traumvorstellung. Guldsmeden war der Name der Straße und hat eine Doppelbedeutung. Es heißt übersetzt Libelle und auch Goldschmied. Die Libelle ist das Markenzeichen, das Logo der Hotelgruppe geworden. Man sieht sie im Haus überall. Dann kam Oslo dazu, Reykjavík, eine Villa an der Côte d’Azur. Das ist ein ganz anderes Konzept, die kann man nur als ganzes Haus mieten.

Sie haben sich also mit Peter Liokouras häufiger hier in Berlin getroffen?
Wir haben uns regelmäßig getroffen, ohne die Absicht zusammenzuarbeiten. Es stimmte einfach die Chemie – und dann sind wir zusammengekommen und ich bin hier ins Lulu Guldsmeden eingestiegen. Das Haus war genau das, was ich mir vorgestellt habe. Es hatte eine gute Größe, 70 bis 80 Zimmer, es ist ein Berliner Altbau – eine perfekte Sache.

Der Altbau ist erhalten geblieben, trotzdem sieht alles zeitgemäß und auch von der Inneneinrichtung hochwertiger aus.
Die beiden Geschäftspartner haben eine starke Bindung nach Indonesien. Auch auf Bali gibt es ein Guldsmeden-Haus. Ein Teil beider Familien ist nach Indonesien ausgewandert und sie haben dort eine direkte Verbindung zur Möbelbranche, also zur Möbelherstellung. Das erkennt man zum Beispiel an den Schränken in den Hotelzimmern. Die sind aus Bambus, oder an den Kachelwänden an der Bar und an der Restaurantwand.

Die Lampen sind sehr auffällig.
Bei einem Restaurant-Besuch auf Bali haben die Besitzer diese Lampen entdeckt und fanden sie so großartig, dass sie diese für die Hotels haben wollten. Wie gesagt, haben die Partner eine direkte Verbindung zur Möbelherstellung. Und so wurden die Lampen in verschiedensten Formen nachgebaut. Mittlerweile sind sie ein Symbol der Hotelkette geworden. Sie machen ein warmes Licht und gehören zur skandinavischen Heimeligkeit, zu Hygge wie sie es nennen.

Thema Nachhaltigkeit – das scheint ein wichtiges Prinzip der Hotel-Gruppe zu sein?
Dazu gehört der respektvolle Umgang mit der Umwelt und soziale Verantwortung. Die Hotels sind nach Bio-Norm zertifiziert und alle Häuser müssen diese Prinzipien konsequent verfolgen.Wir sind in jeder Hinsicht bio, auch was das Restaurant betrifft.
Wir geben uns Mühe, Bauteile oder Mobiliar wiederzuverwenden. Wir gehen schonend mit vorhandenen Ressourcen um. Es soll nicht alles weggeworfen werden. Das sieht man an den Kleinigkeiten wie den Speisekarten. Sie sind auf Holztafeln fixiert. Das sind wiederverwendete Bretter vom Dachboden. Da mussten wir beim Ausbau die Hölzer rausreißen. Die Dielen haben wir behalten, und jetzt haben sie ein zweites Leben als Speisekarten. Die runden Stehtische sind auch vom Altberlin. Die haben wir abgeschliffen und schwarz lackiert. Das gibt ihnen eine Neuwertigkeit.

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Und die Tierköpfe? Nachhaltigkeit und tote Tiere an der Wand?
Die Frage kann ich gut nachvollziehen. Diese Köpfe findet man auch in anderen Hotels. Ich will betonen, dass keiner der Besitzer überhaupt etwas im entferntesten mit Jagd oder mit Töten von Tieren zu tun hat. Die Köpfe sind käuflich erstanden und zum Teil uralt. Entsprechend der Philosophie der Besitzer sind sie Symbole für die Schönheit der Natur. Tiere haben ihren Lebenszyklus, da gehört der Tod dazu. Ich persönlich kann mich da durchaus reindenken. Aber ich verstehe jeden, der damit nicht ganz so einverstanden ist.

Zur Hotellerie im Allgemeinen: Ist die Qualität der Gastgeberschaft eines Hoteldirektors nicht in den Hintergrund getreten? Sind nicht die eines Rechenschiebers gefordert?
Bei den großen Hotel-Ketten muss man viele Reports liefern, man muss Zahlen wälzen, die Ausgaben, die Budgets erklären. Schon in der Zeit beim Hyatt haben wir uns viel Gedanken gemacht und es hat mich sehr beschäftigt. Vor allem das Thema Personal und dessen Führung. Es ist eine schwierige Geschichte – es bringt viele Probleme mit sich. Wenn man im Büro sitzt, ist man nicht bei seinen Mitarbeitern und sieht nicht, welche Probleme aus der alltäglichen Arbeit entstehen.

Haben Mitarbeiter heute eine andere Erwartung an Führung?
Mitarbeiterführung und für die Mitarbeiter da zu sein, ansprechbar zu sein, ist heute viel wichtiger als früher. Aktuell ist der ständige Personalwechsel in der Branche das Problem überhaupt. Der Stammgast wird nicht mehr erkannt, die neuen Mitarbeiter kennen die Abläufe noch nicht, sie müssen ständig neu trainiert werden. Da muss man dranbleiben. Umso wichtiger ist es, für die Mitarbeiter da und ansprechbar zu sein. Und falls Probleme auftreten, kann man Notfalls eingreifen.

Schon beim Eintreten ist eine unaufdringliche Freundlichkeit zu spüren. Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter rekrutiert?
Die meisten sind 20 bis 30 Jahre alt. Das Team besteht aus ein paar Mitarbeitern von bereits bestehenden Guldsmeden-Häusern. Die bringen ein Stück Kultur des Hauses mit, sie sind Botschafter des Hauses und teilen, ganz pragmatisch gedacht, die Guldsmeden-Philosophie mit den neuen Mitarbeitern. Es ist für sie zudem eine gute Chance, die Welt, andere Länder andere Kulturen kennenzulernen. Wie Caroline zum Beispiel oder Jonathan, er kommt aus New York und ist seit zwei Jahren in Berlin, Renata ist Mexikanerin, sie hat an der Humboldt-Universität studiert, sie hat eine bemerkenswerte Menschlichkeit beim Umgang mit den Gästen.

Ein Restaurant betreiben sie auch. Was steckt da für ein Konzept dahinter?
Unseren Küchenchef haben wir aus Kopenhagen geholt. Wir wollten als dänisches Unternehmen auch die entsprechende Gastronomie anbieten. Wir wollten in dieser Lage etwas Exklusives bieten, nämlich nordische Küche. Unser Küchenchef schätzt die Tradition, ist jung und interpretiert diese Küche individuell. So zum Beispiel die Smørrebrød-Kultur. Er arbeitete in einem sehr bekannten Restaurant. Wir waren dort und haben ihn uns angesehen und waren sicher, dass er gut zu uns passt. Es ist schwierig Küchenchefs zu finden, die gut kochen können, im Umgang mit dem eam in Ordnung sind und auch noch mit dem Gast reden können.

Lulu Guldsmeden
Potsdamer Straße 67, Tiergarten, Tel. 0172 719 48 95, www.guldsmedenhotels.com