Fotos: Karin Laudenbach Aufmacher Yotam Ottolenghi
Nachgekocht

Wilde Aroma-Bomben-Träume

Flavour ist das neunte Kochbuch des israelisch-britischen Kochs Yotam Ottolenghi, der in London mittlerweile zahlreiche Restaurants und Delis betreibt. Zusammen mit Ixta Belfrage, einer Kochautodidaktin mit Forschergeist, hat er 100 neue Rezepte entwickelt. Davon sind 45 Gerichte vegan, 17 einfach zu „veganisieren“ und der ist Rest vegetarisch, manche unter Verwendung von Milchprodukten, Eiern und Fischsauce

Yotam Ottolenghi und Ixta Belfrage, Foto: Jonathan Lovekin © DK Verlag Ottolenghi und Belfrage

Wer hat sie nicht, die wilden „Aroma-Bomben-Träume“, denen „Geschmacksexplosionen“ folgen?! In seinem neuen Kochbuch Flavour verspricht Yotam Ottolenghi, diese Träume auch wahr werden zu lassen, auch die wildesten! Es kommt bildsprachlich etwas angeberisch rüber, deshalb ist eine genaue Überprüfung angesagt.

Das Buch kommt auf den ersten Seiten etwas textlastig und lexikalisch daher. In einer längeren Einführung werden „20 Zutaten für mehr Geschmack“ genau beschrieben. Es geht um verschiedene Chilisorten, Hibiskusblüten, Tamarindenpaste, Paprikaflocken und Sardellen.

Im 1. Kapitel Prozesse folgen ausführliche Erklärungen und Beschreibungen verschiedener Garprozesse wie Rösten, Bräunen, Ziehenlassen und Reifung. Es geht um die Maillard-Reaktion, um Moleküle, Proteine, Kohlenhydrate, Hitze und Resthitze, Viskosität und Mundgefühl. Eben all das, was jeder Koch im Schlaf runterbeten kann. Und für die Hobbyköche unter uns: es ist interessant und gut verständlich geschrieben und eine Prise Bildung ist immer eine gute Zutat.

Um geschmacksverstärkende Gewürze und Produkte geht es im 2. Kapitel Partner: Süße, Fett, Säure und Chilischärfe. Das 3. Kapitel ist mit Produkte überschrieben und handelt Pilze, Zwiebeln und Knoblauch, Nüsse und Samen, Zucker: Früchte und Alkohol ab. Die Reihenfolge dieser Kapitel erschließt sich mir nicht ganz. Was bei Ottolenghis Super-Flavour-Anspruch natürlich nicht fehlen darf, ist ein Text mit dem Titel Geschmacksbomben, in dem nochmal auf 23 Geschmacksbomben hingewiesen wird. Sie sind als „Rezepte innerhalb der Rezepte“ zu finden und warten ungeduldig darauf „Drama im Mund“ entfalten zu können.

Hilfreich sind auch die Menüvorschläge für die Alltagsküche: alles was in einer Stunde fertig sein muss, was als Hauptgericht funktioniert und was man für ein Festessen, festliche Büffets oder ein Sommerfest im Freien auf den Tisch bringen kann. Aber auch in seinen Anmoderationen zu jedem Rezept hat Ottolenghi immer Vorschläge parat welche Gerichte miteinander harmonieren könnten. Alle Gerichte sind lecker fotografiert von Jonathan Lovekin. Man kann sich auf scharfes Berbere-Ratatouille, Sellerie-Steaks mit Café-de-Paris-Sauce oder in Chilibutter gerösteten Blumenkohl oder auf einen Kürbis-Orangen-Galette freuen. Und als süßen Abbinder vielleicht einen Kaffee-Pandan-Pudding? Oder doch lieber ein Kokoseis mit Litschi und Passionsfrucht? In diesem Rezept erfahre ich ein interessantes Detail: die Flüssigkeit aus einer Dose Kichererbsen heißt Aquafaba und lässt sich wie Sahne steif schlagen. Bombe!

Sharing-Menu

Für ein kleines Sharing-Menu wähle ich aus den 100 Rezepten den Tomaten-Pflaumen-Salat, weil die Früchte gerade Hochsaison haben und in guter Qualität zu kaufen sind. Dazu bereite ich den Spitzkohl mit Ingwercreme und betäubendem Öl, weil ich Spitzkohl liebe – das leuchtende Grün –, und wegen der leckeren Kohlenhydrate wandern die scharfen Röstkartoffeln mit Tahin und Sojasauce in den Ofen.

Die drei Gerichte auf dem Teller harmonieren bestens miteinander. Die starken Aromen und ihre Kombinationen sind unterhaltsam und mit dem Kochbuch Flavour im Küchenschrank dürfte in der nächsten Zeit keine kulinarische Langeweile aufkommen. Ottolenghi, der sowieso nicht für geschmackslahme Küche bekannt ist, hat noch mal eine Flavour-Schippe draufgelegt. Meine Testesser waren begeistert: „Das schmeckt ja so, als würde man bei Ottolenghi im Restaurant essen“. Dort war ich leider noch nie. (Karin Laudenbach)

Ottolenghi-Cover

FLAVOUR
Mehr Gemüse, mehr Geschmack
von Yotam Ottolenghi und Ixta Belfrage,
DK Verlag – Dorling Kindersley,
www.dk-verlag.de,
320 Seiten, 29,95 €





Zutaten Tomaten-Pflaumen-Salat

Tomaten-Pflaumen-Salat
mit Nori und Sesam


Zutaten für 6 Personen

800 g reife Tomaten (unterschiedliche Farben und Sorten)
3 reife Pflaumen, entsteint, in 1 cm breite Spalten geschnitten
4 Frühlingszwiebeln, in feine Streifen geschnitten
5 g Korianderblätter, grob gehackt
Meersalzflocken


Dressing

1 1/4 TL Fischsauce (nach Belieben)
2 TL Zucker
2 EL Reisessig
2 TL Sojasauce
2 EL Erdnussöl
5 g Ingwer, geschält und in feine Streifen geschnitten
1/2 Knoblauchzehe, zerdrückt
1/4 TL abgeriebene Schale von einer Bio-Orange


Nori-Sesam-Salz

1/2 Nori-Blatt
1 1/2 EL weißer oder schwarzer Sesam (oder eine Mischung), geröstet
1/2 TL Chiliflocken

Dressing

Zubereitung

1. Mit einem Schneebesen die Zutaten für das Dressing mit 1/2 TL Meersalzflocken verrühren. Das Dressing durchziehen lassen, während der restliche Salat zubereitet wird.

2. Das Nori-Blatt grob in Stücke brechen, dann zu grobem Pulver mahlen. Das Noripulver in einer kleinen Schüssel mit Sesam, Chiliflocken und 1/2 TL Meersalzflocken mischen.

3. Die Tomaten in einer großen Schüssel mit Pflaumen, Frühlingszwiebeln, Koriandergrün und Dressing durchheben. Auf einer Platte anrichten und vor dem Servieren mit Nori-Sesam-Salz bestreuen.

Tomaten-Pflaumen-Salat

Ein Salat ist immer nur so gut wie sein Dressing und dies hier ist gut. Die Fischsauce darin sorgt für den Umami-Kick und die anderen asiatischen Zutaten unterstreichen die Fleischigkeit der Pflaumen und Tomaten. Das Nori-Sesam-Salz konnte ich leider nicht herstellen. Trotz Einsatz eines Supermörsers gelang es mir nicht, das Nori-Blatt zu grobem Pulver zu mahlen, wie es im Rezept stand. Daher empfehle ich, das Nori-Blatt vorher in einer Pfanne zu rösten. Und wer kein Nori-Blatt zur Hand hat: sein Algengeschmack ist dezent, nett, aber jetzt nicht der Super-Flavour-Burner bei diesem fruchtigen Salat.



Zutaten Spitzkohl

Spitzkohl mit Ingwercreme und betäubendem Öl


Zutaten für 4 Personen

50 g Ingwer, geschält und gerieben
220 g Frischkäse
1/4 Knoblauchzehe, zerdrückt
1 EL Limettensaft
1 Spitzkohl, geputzt und längs halbiert, dann die Blätter abgelöst (820 g)
1 1/2 EL Sojasauce, Salz


Betäubendes Öl

Betäubendes Öl

150 ml Sonnenblumenöl
1 Schalotte, fein gewürfelt (60 g)
2 Knoblauchzehen, fein gehackt
10 g Ingwer, geschält und gerieben
1/2 rote Chilischote, fein gehackt
1 Sternanis
1 EL rote Paprikaflocken
1 TL Chiliflocken
1 1/2 TL Sichuan-Pfefferkörner, grob zerstoßen
1 1/2 TL Tomatenmark
1 TL schwarzer Sesam
1 TL weißer Sesam


Zubereitung

1. Für das betäubende Öl 2 EL Sonnenblumenöl in einem kleinen Topf bei mittlerer bis hoher Temperatur erhitzen. Die folgenden acht Zutaten mit 1/4 TL Salz hineingeben. Bei mittlerer Hitze unter häufigem Rühren 5 Minuten sehr sanft braten, bis die Schalottenwürfel weich sind. Tomatenmark und Sesam hinzufügen und 2 Minuten mitbraten. Die restlichen 120 ml Öl unterrühren. Das ganze bei schwacher Hitze sehr sanft 10 Minuten köcheln lassen. Sollte das Öl doch zu brodeln beginnen, den Topf einfach 1 Minute vom Herd nehmen. Das Öl mindestens 1 Stunde abkühlen und durchziehen lassen.

2. Inzwischen den geriebenen Ingwer in ein feines Sieb geben und über einer Schüssel ausdrücken; das sollte 2 EL Ingwersaft ergeben. Das Fruchtfleisch wegwerfen. Frischkäse, Knoblauch, Limettensaft und 1 kräftige Prise Salz hinzufügen und alles mit einem Schneebesen glatt rühren.

3. In einem Topf reichlich großzügig gesalzenes Wasser zum Kochen bringen. Die Spitzkohlblätter darin 2 Minuten blanchieren, bis sie knapp gar sind. In ein Sieb abgießen und abtropfen lassen, danach die Blätter mit Küchenpapier sorgfältig trocken tupfen. Abkühlen lassen.

4. Die Sojasauce in einer Schale mit 3 EL von dem betäubenden Öl und 1 EL von den Aromaten unten im Topf verrühren. Die Ingwercreme auf einer Platte verstreichen. Die Spitzkohlblätter darauf anrichten, gleichmäßig mit der Öl-Sojasaucen-Mischung beträufeln und das Gericht sofort servieren.

Spitzkohl

Von dem betäubenden Öl fällt man nicht ohnmächtig vom Stuhl, aber es hat trotzdem eine überraschende Wirkung: der Sichuan-Pfeffer betäubt die Zunge etwas und entfaltet dazu auch ein leichtes angenehmes Pizzeln auf den Papillen. Das Öl und besonders die knusprigen Aromaten darin, kriegen von mir 10 von 10 Punkten unter dem Flavour-Aspekt. Das kann was. Zusammen mit der kühlen, blonden Schärfe des Ingwers in der Creme, den saftig-grünen Spitzkohlblättern ergibt es ein geschmacklich kompaktes, in sich stimmiges Gericht. Allerdings ist es auch das zeitlich aufwendigste. Eine gute Stunde sollte man schon berechnen.



Zutaten Röstkartoffeln

Scharfe Röstkartoffeln
mit Tahin und Sojasauce


Zutaten für 4 Personen

900 g mehlig kochende Kartoffeln, ungeschält in 2,5 bis 3 cm große Würfel geschnitten
50 g Rosen-Harrissa (je nach Schärfe anpassen)
1 Knoblauchzehe, zerdrückt
3 EL Olivenöl
1 1/2 EL feine Schnittlauchröllchen
1 1/2 EL schwarzer oder weißer Sesam (am besten eine Mischung), geröstet
Salz und schwarzer Pfeffer


Tahin-Soja-Dressing

Tahin-Soja-Dressing

60 g Tahin (Sesammus), gründlich durchgerührt
2 EL Sojasauce
1 1/2 EL Mirin (oder Ahornsirup)
1 1/2 EL Reisessig


Zubereitung

1. Den Backofen auf 240 °C (Umluft) vorheizen.

2. Die ersten vier Zutaten in einer großen Schüssel mit 3/4 TL Salz und 1 großzügigen Prise Pfeffer sorgfältig mischen. Auf ein großes mit Backpapier bedecktes Blech geben und so weit wie möglich verteilen, dann fest mit Alufolie zudecken und 15 Minuten rösten.

3. Die Folie entfernen. Die Ofentemperatur auf 200 °C (Umluft) reduzieren. Die Kartoffeln offen weitere 25 Minuten rösten, bis sie durchgegart und schön gebräunt sind; nach der Hälfte der Zeit einmal durchrühren.

4. Während die Kartoffeln im Ofen sind, mit einem Schneebesen die Zutaten für das Dressing mit 1 EL Wasser glatt rühren.

5. Die Kartoffeln in eine große Servierschale füllen und mit dem Tahin-Dressing beträufeln. Mit Schnittlauch und Sesam bestreuen und servieren.


Röstkartoffeln

Die Vorbereitungen dauern keine 10 Minuten, dann sind die ungeschälten Kartoffeln im Ofen. Etwas länger als die angegebenen 40 Minuten Garzeit dauerte es, bis sie außen knusprig und innen cremig-weich waren. Die Garzeit ist wohl eine Frage der Kartoffelsorte. Statt des Rosen-Harrissa habe ich normalen genommen. 50 g hört sich viel an. Die Schärfe ist zwar deutlich, aber angenehm und würzig. Eine geschmackliche Sensation ist für die Testesser und mich die Tahin-Sauce, die auch schnell zusammengerührt ist. Die Sojasauce verwandelt das Tahin in eine fast erdnussige Creme von feiner Salzigkeit, die ich aber mit 2 EL Wasser verdünnt habe, sonst wäre sie zu sticky gewesen. Die Kartoffeln und die Tahin-Sauce sind zusammen mit Schnittlauchröllchen und Sesamsaat eine wunderbare Umami-Kombi. Ein irgendwie erwachsenes Essen, das satt und glücklich macht und auch Kindern schmecken wird, wenn man es entschärft.