Fressen, Saufen, Fröhlichsein
Es kann ganz einfach sein. Tim Raues neues Kochbuch zeigt die beste Seite der französischen Brasserieküche
Eine Brasserie ist ein Restaurant für jeden Tag, „in dem man sich wohlfühlt, gut isst und trinkt und das man zufrieden sein Bäuchlein streichelnd wieder verlässt“. Neben dem Zwei-Sterne-Restaurant Tim Raue, das er gemeinsam mit Marie-Anne Raue betreibt, ist er als kulinarischer Berater auch der Namens- und Konzeptgeber der drei Colette-Brasserien in Konstanz, München und Berlin. Zusammen mit seinem Küchenchef Dominik Obermeier und dem kulinarischen Direktor Steve Karlsch begibt sich Tim Raue auf diverse „Fresstouren“ durch Frankreichs Brasserien. Dort lässt er sich zu neuen Rezepten inspirieren und kulinarisch verführen, bis „im Hirn vor Euphorie die Synapsen johlen“. Er liebt die verbale Zuspitzung, da kann es auch mal „unkompliziert, aber fokussiert“ werden.
Das Buch aus dem Callwey-Verlag ist aufwendig gestaltet. Der Buchdeckel ist mit samtigen Jugendstil-Blüten verziert und will gestreichelt werden. Es ist klar strukturiert, in sechs Kapiteln, eins davon mit zehn vegetarischen Rezepten. Und sehr reich bebildert. Der international tätige Fotograf Joerg Lehmann hat für jedes Gericht eine eigene Bildwelt arrangiert und sich dafür aus seinem Fundus von mehr als 2000 Tellern, Schalen und Platten bedienen können. Fröhlich, bunt und appetitlich wie der wippende Saum eines Sommerkleides.
Die Reise auf die uns Tim Raue kreuz und quer durch Frankreich mitnimmt, beginnt mit einem längeren Vorwort, einem kulinarischen Streifzug durch Paris und eine Einführung in die Klassiker der Brasserie-Küche. Wir erfahren auch die Geschichte der Namensgebung Colette. Hinten im Buch findet man viele Grundrezepte, die praktisches Basiswissen vermitteln, wie man z.B. einen Blätterteig faltet oder einen Entenfond köchelt. Ohne Weinbegleitung geht in einer Brasserie nichts – deshalb sollte man unbedingt Tim Raues Tipps lesen, auf dass die Papillen tanzen werden.
Die Anzahl der Zutaten für die meisten Rezepte ist überschaubar und die meisten Produkte findet man beim gut sortierten Lebensmittelhändler. Brasserieküche lebt von guten einfachen Dingen, woher ich allerdings einen halben Kalbskopf für die gleichnamige Ravigote bekäme, wüsste ich nicht. Noch nicht.
Um dem Kochbuch richtig die Temperatur zu fühlen, entscheide ich, den „geschmorten Lauch mit Mohnbutter, Mimolette und Birne“ nachzukochen. Auf Seite 103 – für 4 Personen. Die Liste der Zutaten ist kurz und ich bekomme sie im Supermarkt. Bis auf den Mimolette, den ich durch Cheddar ersetzen musste. Er hat gute Schmelzeigenschaften und die gleiche Farbe wie der Mimolette. Ich beginne mit dem Kartoffelpüree. Das Rezept dafür findet man im hilfreichen Kapitel Grundrezepte.
Den Lauch schmore ich in Gemüsebrühe und Butter. Sorry, Tim Raue, ich habe nur 100 Gramm Butter verwendet (weil zur Zeit das Fitnessstudio geschlossen ist). Die Garzeit des Lauchs dauerte etwas länger als angegeben: 35 Minuten bei 120 °C. Aber in der Zwischenzeit kann man den Mohn leicht rösten, um ihn dann mit brauner Butter zu vermählen. Der Cheddar schmilzt im Püree. Die Kostprobe ist köstlich.
Ich richte genauso an wie auf dem Foto. Der Lauch steht sicher im Püree. Die Birnenspalten auch. Ordentlich Käse drüber hobeln, mit Mohnbutter beträufeln und mit etwas Kresse garnieren. Das Ergebnis ist köstlich, sanft und elegant und durch die fünf Konsistenzen cremig, weich, schmelzend, knusprig und roh, überraschend komplex. Das Rezept verlangt keine ungewöhnlichen Kochkenntnisse und ist obendrein sehr preiswert. Absolut nachahmenswert.
Tim Raue empfiehlt dazu den Riesling „Les Jardins“ von André Ostertag. Ich hatte dazu einen leichten, fruchtigen Mosel-Riesling von Clemens Busch, halbtrocken, 2018.
Tipp: Mit der übrig gebliebenen Butter-Gemüsebrühe kocht man sich einfach zum nächsten Gericht, zu einer Vichyssoise. In der Brühe werden ca. 200 g Kartoffeln (gewürfelt) und 2 Stangen Lauch (in dünne Ringe geschnitten) zusammen 30 Minuten gekocht, fein püriert und mit Sahne oder Crème fraîche gebunden.
Tim Raue
Rezepte aus der Brasserie,
Callwey,
zu bestellen bei
208 Seiten, 39,90 €
Geschmorter Lauch mit Mohnbutter, Mimolette und Birne
»Der Franzose an sich liebt ja das lange Schmoren von Gemüse, da stellt der Lauch keine Ausnahme dar. Wir zollen dem gerne Tribut und machen das in viel Butter, fügen durch den Mohn aber der geschmacklichen Samtigkeit von Nussbutter und dem haselnussigen Aroma des Mimolette etwas Schräges hinzu.«
Ein Rezept von Tim Raue
Zutaten
1. Geschmorter Lauch
3 Stangen Lauch
250 g Butter
500 ml Gemüsebrühe
2. Mohnbutter
50 g Mohn
100 ml braune Butter
Salz, Pfeffer
3. Birnenspalten
1 Birne
4. Mimolette-Püree
150 g Mimolette
250 g Kartoffelpüree
etwas Milch
5. Servieren
Mimolette und verschiedene Kräuter
Zubereitung
1. Das Weiße vom Lauch, ohne den dicken Wurzelansatz, in 8 cm dicke Stücke schneiden. Diese salzen, in ein Gefäß mit geschmolzener Butter und Brühe geben und abgedeckt ca. 20 Minuten bei 90 °C im Ofen weich garen.
2. Mohn leicht anrösten, braune Butter dazugeben, salzen und pfeffern.
3. Birne halbieren, vom Kerngehäuse befreien und in dünne Spalten schneiden.
4. Gehobelten Mimolette-Käse in das Kartoffelpüree geben und schmelzen lassen. Für eine cremige Konsistenz eventuell etwas Milch dazugeben.
5. Etwas von dem Püree auf einen Teller geben, die geschmorten Lauchstücke darauf anrichten. Mit den Birnenspalten, den gehobelten Mimolette-Spalten und Kräutern dekorieren und die Mohnbutter über den Lauch und das Püree geben.