Fotos: Alexandra Laubrinus Aufmacher Restaurant Michelberger
Restaurant Michelberger

Wohltuend angesagt

Manchmal kann einem Hipness auf den Geist gehen. Aber das angesagte Michelberger macht alles richtig

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Ein besseres Verhältnis – so das Resultat des Abends. Als Journalistin sollte man prinzipiell keine Vorurteile haben. Das ist hehrer Anspruch. Bei Michelberger stellte sich hingegen die Frage, ob Attitüde oder wirkliche Überzeugung hinter dem als häufig trendig und hip bezeichneten Hotel samt Restaurant steht. Ein Besuch, den eine sehr gute Freundin initiiert hat, soll einen neuen Einblick geben. Die Warschauer Straße beziehungsweise Warschauer Brücke ist nicht unbedingt eine Adresse, die für entspanntes Genießen steht. Hier tobt ein spezielles Streetlife unter dem Motto „Arm und wenig sexy!“ Deshalb ist es umso wohltuender, sich in den Hinterhof von Michelberger zurückzuziehen und dort urbane Selbstverständlichkeit in Sachen Design, Service und Essenskultur zu erleben.

Einfaches, jedoch bequemes Garten-Mobiliar, verschiedene Lichtspielereien und durch Corona­bestimmungen angenehme Abstände zu den Nebentischen machen den Hof zu einer Großstadt-Oase. Der Service überzeugt mit Zweisprachigkeit, die eine Wohltat ist, auch wenn man des Englischen mächtig ist. Dieser schafft auch eine außergewöhnliche Verbindlichkeit, was einen an diesem Abend erwartet – mit einer Gemüsekiste. Jedes einzelne Produkt darin taucht im nachfolgenden Menü auf. Die kommen vom Bauernhof im Spreewald gelegen, den Nadine und Tom Michelberger seit rund drei Jahren bewirtschaften und nun endlich auch Bio-Ware produzieren. Radieschen, Rettich, Spitzpaprika, Tomaten, Mangold, Knoblauch, Kartoffeln und etwas versteckt die Chinesische Keule sind im Angebot.

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Rohe Rettichscheiben und Möhren kommen mit einem Dipp aus gemahlenen Kürbiskernen, dazu eingelegte Rettiche und frisch gebackenes Brot aus der hauseigenen Bäckerei samt Butter und Rapsöl, peu à peu kommt noch der Salat, die blanchierte Keule und die gut gewürzte Paprika auf den Tisch. Vielleicht ein bisschen zu gut? Kartoffelpüree mit Mangold bereichert die Tafel, als Beilage für Omnivoren gibt es Schweinefleisch aus Bauch, Schulter, Keule. Als Alternative offeriert die Küche eine lauwarme Tomatenkomposition mit Fenchel und Dillöl. Es macht Spaß, eine solch glaubwürdige Küche zu genießen, wenn auch oder gerade zum Teilen. Die Stunden verfliegen – und gestärkt begegnet man wieder einer anderen Realität, der der Warschauer Straße. (emh)

Restaurant Michelberger
Warschauer Straße 39/40, Friedrichshain, Tel. 030 29 77 85 90, www.michelbergerhotel.com, Di–Sa 18-23 Uhr, das Menü kostet 39 € p. P. für Omnivoren und Veganer, Dessert kann extra dazu bestellt werden