Fotos: Selina Schrader Aufmacher Wyclef’s
Wyclef’s?

Gedächtnisstütze

Irgendwie verschwindet diese Adresse immer wieder aus dem Gedächtnis. Das hat James Doppler mit seinem Wyclef’s jedoch nicht verdient

Zugegeben: Es waren fast schon alle Food-Journalisten da und fanden das Essen empfehlenswert, den Raum sogar schön. Letzteres ist nicht ganz nachzuvollziehen. Vielleicht im Vergleich zum früheren Zustand bei Richwater & Mitchell? Da sah der Raum aus wie die Grusel-Sektion einer Geisterbahn. Heute sind die protzig kalkverputzen Wände zumindest hell gestrichen. Im Gegensatz dazu ist die Speisekarte wunderschön und gerade ist sie aktualisiert worden. Das passiert recht häufig. Sie ist übersichtlich. Koch James Doppler hat ein zweites Standbein, den Burgerladen Pound & Pence in der Arminiushalle. Daher kann er z. B. die Rinderbrust von der Speisekarte nehmen, wann immer er Lust hat und sie dort weiter verwerten.

Der Doppler-Effekt: Koch Hannes Teichmann, Chef James Doppler Wyclef’s 1

An diesem Mittwoch Abend ist es kein Problem, einen Tisch zu bekommen, es kann sogar sein, dass man alleine ist. Donnerstag und Freitag soll das Wycelf’s sehr gut besucht sein, wie Doppler erklärt, der an diesem Abend den Service übernimmt, aber eigentlich sonst in der Küche steht. Er ist der kreative Kopf, der Bodenständigkeit mit Weltläufigkeit kombiniert. Die knusprigen, frittierten Auberginenscheiben machen einen guten Eindruck, und Griechenland lässt grüßen mit der Tomaten-Zimt-Sauce und dem Rosinenpüree.

Die Hauptspeisen: Das Cordon bleu vom Kalb gefüllt mit Rosmarinschinken und Schwarzbierkäse ist ein Klassiker, der mit den besten Zutaten rundum gelungen ist und glücklich satt macht. Auch wenn es etwas verloren auf dem großen blaugemusterten Teller aussieht.

Der gebratene Schweinebauch ist tatsächlich das, was der Name schon sagt – ein mit Fettschichten durchzogenes Stück Fleisch mit Apfelcurrysauce und mit gehackten Haselnüssen panierten Urkarotten. Nichts für Instagram-Schönheiten, aber deftig lecker.

Die bereits erwähnte Rinderbrust ist gerade fertiggegart, schwimmt in einer würzigen Brühe samt Wurzelgemüse, dazu knusprig gebackene Markklößchen und Semmelkren – da hätte gerne etwas mehr Meerrettich dabei sein können.

Die Desserts sollte man nicht übergehen. Beide, sowohl die Topfennockerln mit Toffeesauce und eingelegten Kirschen, als auch das weiße Schokoladenparfait mit Aprikose und einem Hauch Estragon sind einfach nur gut. Ein Grauburgunder vom Weingut Bietighöfer 2018 aus Mühlhofen/Pfalz hat alle Gerichte hervorragend begleitet. Doppler ist ein großzügiger Gastgeber und hat von Fräulein Brösel den Schnaps Mieze Schindler Erdbeere und Petersilienwurzel zum Abschied ausgegeben. Auf dass wir diese Adresse nicht mehr aus den Augen verlieren! (emh)

Wyclef’s
Wiclefstraße 30, Moabit, Tel. 030 39 83 40 99, www.wyclefs.com, Di–Sa ab 18 Uhr, Vorspeisen ab 9 €, Hauptgerichte ab 15 €, Desserts ab 8,50 €, Wein (0,1l) ab 4 €