Fotos: Restaurant Cell Aufmacher Cell
Cell

Neue Adresse, neue Impulse

Evgeny Vikentev hat sein Restaurant Cell eröffnet. Er zeigt mit seinem Team, wie entspannend anspruchsvoll innovative Kochkunst sein kann

Evgeny Vikentev Cell 1

Im Cell muss der Gast nicht viel nachdenken. Es gibt zwei Menüs, einmal das Time Steps und das vegetarische Roots Religion. Letzteres soll ganz dem Geschmack, den einzelnen Aromen gewidmet sein. Beim Time Steps soll immer eine Komponente eines Ganges im nächsten auftauchen. Das kann lustig, manchmal erkennbar sein, aber der Gast muss keine Philosophie bei jedem Gang inhalieren.

Nach einem Glas deutschen Winzersekt, den Sommelier Pascal Kunert serviert, stehen zwei Amuse – einmal geflämmtes Chicorée-Blatt mit Rote-Bete-Würfel und ein frittierter Algen-Chip mit geräuchertem Aal und eingelegten Tomaten vom letzten Sommer – auf dem Tisch. Neun Gänge werden insgesamt serviert. Der Service unter der Leitung von Peter Izarik ist aufmerksam, kommunikativ und dennoch zurückhaltend. Vielleicht vergleichbar mit der legeren Professionalität der Crew von Marie-Anne Raue vom Restaurant Tim Raue. Und das ist auch gleich das Stichwort. Denn der Küchenchef Simon Dienemann war mal bei Raue in der Küche, bei Kolja Kleeberg im Vau und vor dem Cell bei Max Strohe im Tulus Lotrek. Da kann also nichts schiefgehen bei der Zusammenarbeit mit Evgeny Vikentev. Er ist derjenige, der für die Kompositionen der Gerichte und für neue Erfahrungen sorgt. Der gebürtige St. Petersburger hat schon in jungen Jahren angefangen, sich für Kochen und das Zelebrieren von gemeinsamen Mahlzeiten, damals mit der Familie, zu engagieren. Er hat die klassische Laufbahn absolviert: Erst vier Jahre lang Kochschule, dann ein Jahr lang ein Sterne-Restaurant, es folgte eine Saison lang die Versorgung der 12-köpfigen Crew eines Schiffes. Zurück in Russland, eröffnete er das Hamlet + Jacks sowie die Weinbar Wine Rack. Er macht nebenbei Musik und schätzt zeitgenössische Kunst. Die befindet sich an den Wänden des Restaurants, das wiederum dem Thema Zelle, also dem Quader huldigt und ein wenig an den Bauhausstil erinnert.

Cell 2

Zu den Gerichten. Die leicht pochierte Auster mit Sanddorn, Spirulina, sowie Buchweizenkoji macht gleich neugierig auf mehr, während der darauf folgende Taco leider die hohen Erwartungen relativiert. Doch der Saibling, umhüllt mit Lardo und aufgegossen mit einem Gemüsesud, hebt alles wieder nach oben. Das Wildschweintatar – leicht angebraten – ist eindrucksvoll aromatisiert mit Fichte, wildem Sauerampfer und Saiblingskaviar.

Die Scheibe des herb schmeckenden Affenkopfpilzes wird mit einzelnen Blaubeeren und der leichten Zitronensäure zu einem vielschichtigen Geschmacks­erlebnis. Hinter der profan klingenden Pastinake verbirgt sich kunstvolles Fingerfood, nur das Äußere erinnert an die Wurzel, im Inneren verbirgt sich eine Creme aus Blauschimmelkäse und Steinpilzen. Der Hauptgang, Hirsch in einem Mantel aus Koriandersamen mit Kürbispüree und Mandarinensauce, ist eher klassisch angelegt, aber erfüllt die Erwartungen. Etwas irritierend ist das vermeintliche Dessert: Das will mit sauer eingelegten Kürbisscheiben, einem Schäumchen, begleitet mit Chili und Basilikum nicht so recht begeistern. Doch dann kommt „Time Steps“, so nennt sich das Finale und absolut überzeugende Dessert. Das ist übrigens der ganze Abend gewesen, der als kunstvoll und als Bereicherung der gehobenen Restaurantszene in Erinnerung bleibt. (emh)

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Uhlandstraße 172, Charlottenburg, Tel. 030 86 33 24 66, http://cell.restaurant, Di-Sa 18-22.30 Uhr, Menü 110 €, Flasche Wein ab 35 €