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Restaurant Oderberger

Landküche mitten in der Stadt

Im Restaurant Oderberger trifft Industrial chic auf Berliner Küche

Wer kennt es nicht, das imposante Gebäude des Volksbades in der Oderberger Straße? Viele Berliner haben es wahr­scheinlich nicht nur von außen, sondern auch von innen in bester Erinnerung. Es wurde im Jahr 1986 als Bad geschlossen, aber in der Nachwendezeit war an einen Dornröschen­schlaf nicht zu denken. Berlins Feier-, Musik- und Kunstszene war verliebt in die marode Pracht des Gebäudes und in die ehemalige Schwimmhalle. Ein Zeitlang wurde es still um diesen Ort. Bis zur Wiedereröffnung im Jahr 2016 als Hotel mit öffentlichem Schwimmbad. Dieses Jahr empfängt nun auch ein Restaurant die Gäste. Der 15 Meter hohe Gastraum mit seinen drei offenen Ebenen im ehemaligen Heizkraftwerk des Stadtbades erfreut durch historische Details und klares, zeitgemäßes Design.

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Ein Blick in die Speisekarte zeigt, hier agiert man durchaus im Zeitgeist, aber komplett unbehelligt von den teils nerdigen Zügen der Berliner Gastroszene. Die umfangreiche Aperitifkarte bietet u.a. Varianten von Aperol Spritz und Hugo und die Weinkarte liest sich wie ein Who is Who des Deutschen Weinanbaus. Fans von VDP-Weinen kommen auf ihre Kosten, Naturweine sucht man vergeblich.

Der junge Küchenchef Matthias Schmidt kommt aus Brandenburg und ist für die Eigentümer­familie Jäschke schon in deren benachbartem Sprachschul­campus tätig. Er freut sich über die Herausforderung im Oderberger Restaurant. Seine Speisenkarte mit dem Motto „Dit is Berlin“ wird es das ganze Jahr über geben. Klar, hier warten Stars der Berliner Küche darauf, bestellt zu werden: Königsberger Klopse und geschmortes Eisbein, die Kohlroulade ist vegan interpretiert und ein Speck-Zander darf auch nicht fehlen. Dazu kreiert der Chefkoch eine monatlich wechselnde saisonale Karte „Oderberger im Herbst“ , in der regionale Zutaten dominieren. Vegetarische und vegane Gerichte sind in beiden Karten klar gekennzeichnet.

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Aus der Berliner Speisenkarte kommen Saiblings-Tatar mit Meerrettich-Mayonnaise und der Klassiker Himmel und Erde auf den Tisch. Beides ansprechend, beides sehr gut, wobei der Saibling auf der mutigen Seite gesalzen und der Meerrettich schön scharf ist. Der Brandenburger Blutwurst im geschichteten Apfel-Erdapfel-Türmchen hätte ein kurzer Gang durch die Pfanne nicht geschadet. Die Speisen in der Herbst-Karte klingen alle ansprechend. Das Millefeuille von Forelle und Krebsschwanz entpuppt sich als eine geschichtete Kombination dreier Salate. Der Krebsschwanz­salat mit Avocado erinnert an Ceviche, der cremige Forellensalat ist kühn gesalzen, der Wildkräuter­salat bringt Knackigkeit. Die geräucherte Entenbrust ist ausgezeichnet. Auf den Punkt rosa, mit kräftigen Rauchnoten, die Wacholderäpfel sehr selbstbewusst wacholdrig.

Als dann zum Hauptgang der übrigens exzellente Waller mit Rahmwirsing und Kräuternocken und das perfekt pochierte Rinderfilet mit Petersilien­stampf und dreierlei Rübchen auf den Tisch kommen, macht es Klick. Wie oft hat man sich gewünscht, nach Brandenburg zu fahren, einen Waldspaziergang zu machen, um dann hungrig in einem Landgasthof einzukehren und genau so zu speisen? Mit (meist) regionalen Zutaten, leicht nostalgischen Rezepturen, ohne Angst vor Gewürzen und einer unaufgeregten Präsentation, so wird im Oderberger gekocht. Nur bei den Desserts: Die Scheiben vom veganen Kürbiskuchen erinnern optisch unglücklich an Zwieback und sind auch trotz der Begleitung durch Holunder­sorbet und Zwetschenkompott zu dicht und zu trocken. Die mit Orangen aromatisierte Berliner Luft ist zwar sehr luftig, aber auch ein bisschen griesig, und die Präsentation mit den Himbeeren und der etwas zu feuchten Schokohippe stammt noch aus den Neunzigern. Nach dem Genuss eines exzellenten Haselnuss­geistes aus der Preussischen Spirituosen­manufaktur ist das schnell vergessen. (Cathrin Brandes)

Restaurant Oderberger
Oderberger Straße 57, Prenzlauer Berg, Tel. 030 780 08 97 68 11, www.restaurant-oderberger.berlin,
Di–Sa ab 18 Uhr, Speisen 7 bis 28 €, Getränke ab 4,50 €